Mittwoch, 5. Mai 2010

Tierisch vergnügt

L'Orfeo Barockorchester mit englischer Musik

Stuttgart - Des Herrgotts Tiergarten ist groß. Auch jener der Barockmusik. Da kreucht und fleucht es zwischen den Notenlinien, dass es eine Freude ist. Anders als die nachfolgenden Generationen, die tierische Töne als „niedrig komische Nachäffungen“ verpönten, hatten die Perückenträger daran noch ihr Pläsier. Besonders beliebt: der Kuckuck und anderes Gefieder. Aber auch Fledermäuse, Bienen und Affen kamen zu "Wort" beim L'Orfeo Barockorchester, das beim Festival Stuttgart Barock den gut besuchten Konzertsaal der Musikhochschule mit Werken von Purcell, Händel und anderen Engländern aufmischte.

Zwar stand die Veranstaltung unter dem Motto „Ouvertüren und Arien nach Shakespeare-Texten“, aber Feen und Hexen machten sich rarer als die animalische Fraktion. Nicht nur in Purcells „Monkeys' Dance“ zeigte das Ensemble auf historischen Instrumenten und unter Leitung seiner Gründerin Michi Gaigg, wie fetzig man im Barock wohl musiziert hat: rhythmisch vibrierend, scharf akzentuiert, sprechend phrasiert und sehr geschmeidig in den Basslinien. Zum flirrend-tänzerischen Drive, der einen beim Zuhören gleich mitriss, passte aber nicht so ganz der feierliche Ernst, mit dem man zunächst zur Sache ging, so dass niemand zu klatschen wagte zwischen den Stücken.

Nach der Pause änderte sich das. In Händels witzigem Orgelkonzert in F-Dur, das einen Wettstreit zwischen Kuckuck und Nachtigall in Töne setzt, zeigte sich die Spielleidenschaft auch äußerlich; nicht nur, weil Johannes Bogner am etwas fipsigen Orgelpositiv jetzt mimisch klarstellte, dass das Ganze nicht gar so bierernst gemeint ist. Schließlich kriegt der Kuckuck von der Nachtigall ordentlich eins auf die Mütze, wird doch sein schlichtes Geterze vom Singschwall der Primadonna schlichtweg an die Wand ge­donnert.

Besonders reizvoll gestalteten sich die Arieneinlagen der charismatischen holländischen Sopranistin Johannette Zomer, die über eine angenehm dunkel timbrierte, sonore Stimme verfügt. In Händels „Sweet bird“-Arie und in Thomas Augustine Arnes „Cukoo-Song“ zwitscherte sie koloraturen- und höhensicher um die Wette mit der nicht weniger virtuosen Flötistin Carin van Heerden. Der anregende Konzertnachmittag wurde denn auch freudig bejubelt.

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 4. Mai 2010 und die Esslinger Zeitung vom 5. Mai. Das Konzert fand statt am 2. Mai.

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