Dienstag, 16. November 2010

Klangtheater mit Trauerflor

Hansjörg Albrecht dirigiert die Gächinger Kantorei und das Bach-Collegium

Stuttgart - Ganz im Zeichen des Volkstrauertages stand am Samstag das Konzert der Bachakademie im gut besuchten Beethovensaal. Zu Gast am Pult der Gächinger Kantorei und des Bach-Collegiums stand der Dirigent und Cembalist Hansjörg Albrecht. Zunächst gab es Purcells Trauerfeiermusik für Queen Mary II. Eine gute Idee, für szenische Atmosphäre zu sorgen: Der feierliche Einzug der Choristen vom Zuschauerraum her, begleitet vom Wirbeln zweier Trommler rechts und links der Bühne, machte genauso viel Effekt wie die rote Bühnenbeleuchtung. Chorstücke, begleitet von vier tiefen Streichern und zwei Blockflöten, wechselten sich ab mit Märschen und Canzonen für Blechbläser, die auf der Empore hinterm Publikum positioniert waren. Die Gächinger zeigten sich in guter Form: Unter der präzisen, detailgenauen Gestik Albrechts offenbarte sich Purcells Mehrstimmigkeit in vier leichten, beweglichen, deutlich herausgearbeiteten Linien.

Bachs "Actus tragicus"-Kantate erfreute durch das gut harmonierende Solistenquartett: strahlend Sibylla Rubens (Sopran), mit schöner Tiefe Sophie Harmsen (Alt), leicht und hell Bernhard Berchtold (Tenor) und selbstgewiss Shigeo Ishino (Bass). Ansonsten wirkte Purcells und Bachs Trauermusik in den Weiten der Liederhalle etwas verloren.

Nicht so Alfred Schnittkes finsteres Requiem von 1975, eigentlich als Bühnenmusik zu Schillers "Don Carlos" komponiert. Ein effektvolles Stück, das vor allem durch die klangliche Wucht der Orgel geprägt wird, deren Pfeifenwerk im Beethovensaal in mystischem Blau leuchtete. Dem Chor, den Instrumentalisten und den durch Sopran Miriam Burkhardt ergänzten Solisten gelang eine spannende Aufführung dieser theatralischen Musik, die mit unterschiedlichsten Stilen - Tontrauben, groovenden Trommelrhythmen, E-Gitarrenklängen und archaischer Polyfonie - zu unterhalten weiß.

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 15.11.2010. Das Konzert fand statt am 13.11.

Wege nach innen

Norbert Beilharz' Film "Luigi Nono: Prometeo. Tragödie des Hörens" beim Festival "attacca"

Stuttgart - Ein schöner Auftakt für einen Tag prallvoll mit Neuer Musik: Im ersten Konzert des Eintages-Festivals "attacca" des SWR war Norbert Beilharz' Film "Luigi Nono: Prometeo. Tragödie des Hörens" von 1993 zu sehen, eine filmische Annäherung an das letzte große Musiktheaterprojekt des italienischen Komponisten, der vor 20 Jahren starb. Beilharz montierte Ausschnitte aus zwei Filmaufnahmen unterschiedlicher Aufführungen des "Prometeo": aus der Uraufführung von 1984 in der Kirche San Lorenzo in Venedig unter Leitung Claudio Abbados sowie aus jener unter Ingo Metzmacher bei den Salzburger Festspielen 1993.

Beilharz spürt in seinem Film dem Wesen der Musik Nonos einfühlsam nach: in permanenten Kamerafahrten, die schweifend das kathedrale Innere der Spielorte abtasten, Licht und Schatten nachgehen, ohne Pause. Zwischen diesen Sequenzen kommt Nono zu Wort: der Klangsucher, der Ohrenaufwecker, der nach eigenen Aussagen ohne Voridee ans Werk ging. Komponieren hieß für ihn: suchen und forschen, den Weg nach innen nehmen, um das Unerhörte wahrzunehmen.

Im anschließenden Podiumsgespräch, das Neue-Musik-Redakteur des SWR, Hans-Peter Jahn, mit Norbert Beilharz und dem Komponisten Jörg Widmann führte, ging es dann um die Visualisierung von Musik und die Unmöglichkeit, Porträts aktueller Komponisten beim Fernsehen unterzubringen. Bei der Wahl seiner Musikfilmprojekte seien nicht die Interessen des Publikums oder der Redaktionen entscheidend, sondern seine "hemmungslose Vorliebe" für bestimmte Komponisten, erklärte Norbert Beilharz. So hatte er seinen Nono-Film zunächst ohne Auftrag und auf eigenes Risiko begonnen.

Für fein justierte Lauscher hatte zu Beginn Wolfgang Rihms "von weit" für Violoncello und Klavier von 1993 gesorgt. Musik, die aus dem Zeitkontinuum herausgenommen zu sein scheint. Vages, suchendes Tasten, vorsichtig geatmete Flageolett-Töne bestimmen das Spiel des Cellos (Nicolas Altstaedt), das vom Pianisten (Henri Sigfridsson) konzentriert umlauert wird, um immer wieder genau darauf reagieren zu können. Selten zerreißt mal ein aggressiv hingeworfener Klang das ungleichmäßige Netz aus wispernden Tönen.

Der größtmögliche Kontrast dann zum Schluss: ein Ausschnitt aus Beilharz‘ Verfilmung von "Rosamunde", einem romantischen Schauspiel von Helmina von Chézy mit der Bühnenmusik von Franz Schubert. Krasse Farben, harte Schnitte, schnelle Ortswechsel bestimmen hier die Ästhetik.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 15.11.2010. Das Konzert fand statt am 13.11.

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