Lyriker im Rockgewitter
Peter Maffay mit Band und Orchester in der Stuttgarter Schleyerhalle

Stuttgart - „Du musst mich jetzt aber auch wieder loslassen“, sagt Peter Maffay sanft zu einem Fan, der ihn partout nicht wieder zurück auf die Bühne gehen lassen will. Zum x-ten Male hat sich der Deutschrocker mit Schlagervergangenheit an diesem Abend ein Bad in der Menge gegönnt. Sie haben ihn alle lieb, und es ist bewundernswert, wie es dem drahtigen 61-Jährigen gelingt, in der zugigen Stuttgarter Schleyerhalle, die mit 10 000 Besuchern so gut wie ausverkauft ist, eine richtig familiäre Atmosphäre aufzubauen.
Unbekanntes Land
Maffay ist seit Anfang November auf Deutschlandtournee, mit Band und dem Philharmonic Volkswagen Orchestra in der Leitung von Hans Ulrich Kolf. Maffay feiert sein 40-jähriges Bühnenjubiläum mit einem Querschnitt durch sein Oeuvre, das von seinem ersten Schlagerhit „Du“ von 1970 über Hardrockiges bis hin zu seinem neuen Bluessong „Unbekanntes Land“ reicht. Fast alle Nummern, Neues und Altes in neuem Gewand, sind auf seinem aktuellen Studio-Album „Tattoos“ vereint - seinem mittlerweile 34.
Der „Tabaluga“-Erfinder mit einem Herz für Kinder ist vielseitig, keine Frage. Und mit dem soften Schlaghosen-Image der Anfangszeit hat er längst nichts mehr am Hut. Die tätowierten muskulösen Oberarme geschmackssicher im ärmellosen T-Shirt zur Schau gestellt, in Westernstiefeln und engen Jeans brettert er auf einer Harley Davidson auf die Bühne und beginnt die Show - nach einem kleinen Solo-Blues-Vorspann - mit ohrenbetäubendem Gitarrenrock: Mit „Schatten in die Haut tätowiert“ oder dem verrockten Schlager „Sonne in der Nacht“. Hinter den Soundsäulen, die die Sitzreihen der Schleyerhalle zum Vibrieren bringen, werden die Musiker immer kleiner, wie es unserer Zeit der Gigantomanie eben entspricht.
Maffays cooles Image findet im Publikum keine Spiegelung. Dort sieht man keine Headbanger, Rockermatten oder schwarze Lederjacken. Die Zuschauer entstammen zwar allen Generationen, mit Schwerpunkt auf den Mittvierzigern bis Endfünfzigern, aber ihre Zusammensetzung ist erstaunlich homogen: gutbürgerliche Schwaben, die die Boxenentladung auf der Bühne mit Hilfe von Ohrstöpseln geduldig über sich ergehen lassen und ihrem Star mit bravem Klatschen zustimmen. Erst im Nostalgieblock gehen manche ekstatisch aus sich heraus: Wenn es an die Anfänge zurückgeht, Maffay die alten Schnulzen zum Besten gibt, die mittlerweile zu veritablen Rockballaden mutiert sind. Dann ist auch vom Orchester mal was zu hören, das auf einem zweistöckigen Gerüst den Bühnenhintergrund verschönert und gelegentlich von bunten Videoprojektionen - Floralem oder Foto-Rückblenden auf Maffays Leben - übertüncht wird. Der Orchestersound, der offenbar über die Rockanlage verstärkt wird, ist schauderhaft. Im einzigen Song, in dem die sechsköpfige Band ganz schweigt, im Liebeslied „Ewig“, vermisst man die Gitarren deshalb ein wenig.
Die Hits „Du“ oder „Es war Sommer“, die Maffay einst groß machten, bringen das singfreudige Schwaben-Publikum ins Spiel. Das Karat-Cover „Über sieben Brücken musst du gehen“ klingt der ursprünglichen Version wohl am ähnlichsten. Jetzt steht das überwältigte Auditorium geschlossen auf und jubelt: Das ist ihr Peter, wie sie ihn am allerliebsten haben. Maffay wiederum liebt sein Publikum, holt es gelegentlich auf die Bühne, gibt ihm Zucker, und das erfreulicherweise mit Ironie. „Was gibt es da zu lachen?“, fragt er schelmisch, als auf der Leinwand Dieter Thomas Heck und der junge Maffay in grellbunten Anzug und roten Plateauschuhen erscheinen.
Der Meister auf einem Holzstuhl
Die Evergreens sind für die Fans, der Rock für die Band. Im letzten Teil der Show müssen wieder Ohrstöpsel rein. Jetzt dürfen die Gitarristen Carl Carlton, Pascal Kravetz, Peter Keller, der Keyboarder Jean-Jacques Kravetz, Drummer Bertram Engel und Bassist Ken Taylor alleine ran. Dürfen ihre Wunschtitel auch selbst singen: Robert Palmers „Addicted to love“, den ZZ Top-Song „Gimme all your lovin‘“ oder den Golden-Earring-Hit „Radar Love“.
Maffay hatte zuvor mit einem sehr persönlichen, ruhigen Block überrascht. Auf einer kleinen Bühne mitten im Publikum auf einem Holzstuhl sitzend, widmet er sich bluesigem Westerngitarren-Picking, bittet ein paar befreundete Musiker, etwa Chris Kramer an der Mundharmonika, zur Blues-Jam. Der intime Sound überrascht inmitten des Bombastes.
Erst nach über zweieinhalb Stunden - ohne Pause, versteht sich - ist Maffay am Ende angekommen. Ein Extrem-Programm liegt hinter ihm, abwechslungsreich und unterhaltend, in dem er sich als alter Bühnen-Hase und als glaubwürdiger Herzblutmusiker ins Gedächtnis gespielt hat. Seine Liebeserklärung an die Musik, seine nur von Cello und Piano begleitete Ballade „Meine Musik“, nimmt man ihm deshalb bei allem Pathos ihrer „Mit dir leb und sterbe ich“-Lyrik absolut ab: Selbst die Zeilen „Du bist das Fenster meiner Seele, durch das schau ich hinaus, bist meine Burg und mein Zuhaus“.
Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 1.12.2010. Das Konzert fand statt am 29.11.

Stuttgart - „Du musst mich jetzt aber auch wieder loslassen“, sagt Peter Maffay sanft zu einem Fan, der ihn partout nicht wieder zurück auf die Bühne gehen lassen will. Zum x-ten Male hat sich der Deutschrocker mit Schlagervergangenheit an diesem Abend ein Bad in der Menge gegönnt. Sie haben ihn alle lieb, und es ist bewundernswert, wie es dem drahtigen 61-Jährigen gelingt, in der zugigen Stuttgarter Schleyerhalle, die mit 10 000 Besuchern so gut wie ausverkauft ist, eine richtig familiäre Atmosphäre aufzubauen.
Unbekanntes Land
Maffay ist seit Anfang November auf Deutschlandtournee, mit Band und dem Philharmonic Volkswagen Orchestra in der Leitung von Hans Ulrich Kolf. Maffay feiert sein 40-jähriges Bühnenjubiläum mit einem Querschnitt durch sein Oeuvre, das von seinem ersten Schlagerhit „Du“ von 1970 über Hardrockiges bis hin zu seinem neuen Bluessong „Unbekanntes Land“ reicht. Fast alle Nummern, Neues und Altes in neuem Gewand, sind auf seinem aktuellen Studio-Album „Tattoos“ vereint - seinem mittlerweile 34.
Der „Tabaluga“-Erfinder mit einem Herz für Kinder ist vielseitig, keine Frage. Und mit dem soften Schlaghosen-Image der Anfangszeit hat er längst nichts mehr am Hut. Die tätowierten muskulösen Oberarme geschmackssicher im ärmellosen T-Shirt zur Schau gestellt, in Westernstiefeln und engen Jeans brettert er auf einer Harley Davidson auf die Bühne und beginnt die Show - nach einem kleinen Solo-Blues-Vorspann - mit ohrenbetäubendem Gitarrenrock: Mit „Schatten in die Haut tätowiert“ oder dem verrockten Schlager „Sonne in der Nacht“. Hinter den Soundsäulen, die die Sitzreihen der Schleyerhalle zum Vibrieren bringen, werden die Musiker immer kleiner, wie es unserer Zeit der Gigantomanie eben entspricht.
Maffays cooles Image findet im Publikum keine Spiegelung. Dort sieht man keine Headbanger, Rockermatten oder schwarze Lederjacken. Die Zuschauer entstammen zwar allen Generationen, mit Schwerpunkt auf den Mittvierzigern bis Endfünfzigern, aber ihre Zusammensetzung ist erstaunlich homogen: gutbürgerliche Schwaben, die die Boxenentladung auf der Bühne mit Hilfe von Ohrstöpseln geduldig über sich ergehen lassen und ihrem Star mit bravem Klatschen zustimmen. Erst im Nostalgieblock gehen manche ekstatisch aus sich heraus: Wenn es an die Anfänge zurückgeht, Maffay die alten Schnulzen zum Besten gibt, die mittlerweile zu veritablen Rockballaden mutiert sind. Dann ist auch vom Orchester mal was zu hören, das auf einem zweistöckigen Gerüst den Bühnenhintergrund verschönert und gelegentlich von bunten Videoprojektionen - Floralem oder Foto-Rückblenden auf Maffays Leben - übertüncht wird. Der Orchestersound, der offenbar über die Rockanlage verstärkt wird, ist schauderhaft. Im einzigen Song, in dem die sechsköpfige Band ganz schweigt, im Liebeslied „Ewig“, vermisst man die Gitarren deshalb ein wenig.
Die Hits „Du“ oder „Es war Sommer“, die Maffay einst groß machten, bringen das singfreudige Schwaben-Publikum ins Spiel. Das Karat-Cover „Über sieben Brücken musst du gehen“ klingt der ursprünglichen Version wohl am ähnlichsten. Jetzt steht das überwältigte Auditorium geschlossen auf und jubelt: Das ist ihr Peter, wie sie ihn am allerliebsten haben. Maffay wiederum liebt sein Publikum, holt es gelegentlich auf die Bühne, gibt ihm Zucker, und das erfreulicherweise mit Ironie. „Was gibt es da zu lachen?“, fragt er schelmisch, als auf der Leinwand Dieter Thomas Heck und der junge Maffay in grellbunten Anzug und roten Plateauschuhen erscheinen.
Der Meister auf einem Holzstuhl
Die Evergreens sind für die Fans, der Rock für die Band. Im letzten Teil der Show müssen wieder Ohrstöpsel rein. Jetzt dürfen die Gitarristen Carl Carlton, Pascal Kravetz, Peter Keller, der Keyboarder Jean-Jacques Kravetz, Drummer Bertram Engel und Bassist Ken Taylor alleine ran. Dürfen ihre Wunschtitel auch selbst singen: Robert Palmers „Addicted to love“, den ZZ Top-Song „Gimme all your lovin‘“ oder den Golden-Earring-Hit „Radar Love“.
Maffay hatte zuvor mit einem sehr persönlichen, ruhigen Block überrascht. Auf einer kleinen Bühne mitten im Publikum auf einem Holzstuhl sitzend, widmet er sich bluesigem Westerngitarren-Picking, bittet ein paar befreundete Musiker, etwa Chris Kramer an der Mundharmonika, zur Blues-Jam. Der intime Sound überrascht inmitten des Bombastes.
Erst nach über zweieinhalb Stunden - ohne Pause, versteht sich - ist Maffay am Ende angekommen. Ein Extrem-Programm liegt hinter ihm, abwechslungsreich und unterhaltend, in dem er sich als alter Bühnen-Hase und als glaubwürdiger Herzblutmusiker ins Gedächtnis gespielt hat. Seine Liebeserklärung an die Musik, seine nur von Cello und Piano begleitete Ballade „Meine Musik“, nimmt man ihm deshalb bei allem Pathos ihrer „Mit dir leb und sterbe ich“-Lyrik absolut ab: Selbst die Zeilen „Du bist das Fenster meiner Seele, durch das schau ich hinaus, bist meine Burg und mein Zuhaus“.
Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 1.12.2010. Das Konzert fand statt am 29.11.
eduarda - 1. Dez, 11:03