Dunkle Liebe
Paolo Conte bei den Jazz Open auf dem Stuttgarter Schlossplatz

Stuttgart - Bei "It's wonderful, it’s wonderful, good luck, my baby" riss es die Fans aus den Sitzen, und sie sangen ausgelassen mit. Paolo Conte, Italiens berühmtester Liedermacher, brachte seinen Hit "Via con me" in seinem gut 90-minütigen Konzert bei den Jazz Open auf dem Stuttgarter Schlossplatz am Schluss noch einmal – diesmal in "Rausschmeißer"-Manier ein bisschen schneller als beim ersten Mal. "Via con me" ist ein Stück, das die Songschreiberqualitäten Contes eindrücklich unter Beweis stellt: Der Schwermut, die über seinen Versen hängt wie eine graue Wolke – "Lass dich ein auf diese dunkle Liebe, verliere dich nicht umsonst an die Welt" –, wird durch den mitreißenden Groove eine ungeheure Leichtigkeit verliehen.
Mit seiner tiefen, charismatischen, in ihrer Rauheit gelegentlich brüchigen Stimme, die das Italienische recht hart artikuliert, ist er ohnehin weit entfernt vom Pathos italienischer Sangeskunst. Die Melancholie ist trotzdem immer da: im musikalischen Sinnieren über die Liebe, in der gesungenen Sehnsucht nach Leben und Sinnlichkeit, in den Erinnerungen – Indianerweisheiten nicht ausgeschlossen.
So verlief der kühle Sommerabend auf dem Schlossplatz eher gelassen und ruhig. Die Sonne stand tief und blendete, und der Meister, der sich im 75. Lebensjahr befindet, setzte eine Sonnenbrille auf und sich selbst an den Flügel. Er war seit über 13 Jahren nicht mehr in Stoccarda, wie die Italiener die Schwabenmetropole nennen.
Conte war in Begleitung eines hervorragenden kleinen Jazzorchesters angereist. Eine Combo aus drei Gitarristen, Kontrabass und Schlagzeug sorgte für den rhythmischen Drive, der oft genug Django-Reinhardt-Farbe ins Spiel brachte. Die fünf erstklassigen Solisten waren nicht nur für die virtuosen Einlagen zuständig, sondern im Trio auch für saftige Saxophon-Chöre, wie in "Sotto le stelle del Jazz". Überhaupt sorgten sie für die Vielfalt an Klangfarben, die Contes spezielle Stilmischung aus Jazz, vor allem Big-Band-Swing, italienischer Canzone, Tango, Zirkusmusik und lateinamerikanischen Tänzen erst zum Erblühen bringt. In "Diavolo rosso", in dem Conte seinen Mitmusikern ausgiebig Raum zur Improvisation gab, offenbarte sich Piergiorgio Rosso als Teufelsgeiger, während Luca Velotti seine Klarinette in stilechter Klezmer-Manier lachen und weinen ließ. Massimo Pitzianti dagegen gab auf seinem Akkordeon eine derart virtuose Jazzimprovisation zum Besten, dass man sich wunderte, dass sich ihm nicht die Finger verknoteten. Zuvor hatte er in "Gioco d'azzardo" auf seinem Bandoneon Tango-Flair herbeigezaubert. Sehnsüchtigen und verträumten Weisen dürften sich die Musiker immer wieder hingeben: So leitete etwa Lucio Caliendo "Alle prese con una verde milonga" mit einem wunderschönen Oboen-Solo ein.
Der Meister, Schöpfer zahlreicher Welthits wie "Azzurro", saß meist am Flügel, während er seine wortreichen Lieder sang. Nur zweimal trat er ans Vibraphon, jenem Instrument, mit dem er in den 1950er-Jahren seine musikalische Laufbahn in Jazz-Combos begonnen hatte. Und wie immer griff er gelegentlich auch zum Kazoo, jenem kleinen Geräuscherzeuger, der jedes Pathos sofort in die Flucht schlägt.
Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 5. Juli 2011. Das Konzert fand statt am 3. Juli.

Stuttgart - Bei "It's wonderful, it’s wonderful, good luck, my baby" riss es die Fans aus den Sitzen, und sie sangen ausgelassen mit. Paolo Conte, Italiens berühmtester Liedermacher, brachte seinen Hit "Via con me" in seinem gut 90-minütigen Konzert bei den Jazz Open auf dem Stuttgarter Schlossplatz am Schluss noch einmal – diesmal in "Rausschmeißer"-Manier ein bisschen schneller als beim ersten Mal. "Via con me" ist ein Stück, das die Songschreiberqualitäten Contes eindrücklich unter Beweis stellt: Der Schwermut, die über seinen Versen hängt wie eine graue Wolke – "Lass dich ein auf diese dunkle Liebe, verliere dich nicht umsonst an die Welt" –, wird durch den mitreißenden Groove eine ungeheure Leichtigkeit verliehen.
Mit seiner tiefen, charismatischen, in ihrer Rauheit gelegentlich brüchigen Stimme, die das Italienische recht hart artikuliert, ist er ohnehin weit entfernt vom Pathos italienischer Sangeskunst. Die Melancholie ist trotzdem immer da: im musikalischen Sinnieren über die Liebe, in der gesungenen Sehnsucht nach Leben und Sinnlichkeit, in den Erinnerungen – Indianerweisheiten nicht ausgeschlossen.
So verlief der kühle Sommerabend auf dem Schlossplatz eher gelassen und ruhig. Die Sonne stand tief und blendete, und der Meister, der sich im 75. Lebensjahr befindet, setzte eine Sonnenbrille auf und sich selbst an den Flügel. Er war seit über 13 Jahren nicht mehr in Stoccarda, wie die Italiener die Schwabenmetropole nennen.
Conte war in Begleitung eines hervorragenden kleinen Jazzorchesters angereist. Eine Combo aus drei Gitarristen, Kontrabass und Schlagzeug sorgte für den rhythmischen Drive, der oft genug Django-Reinhardt-Farbe ins Spiel brachte. Die fünf erstklassigen Solisten waren nicht nur für die virtuosen Einlagen zuständig, sondern im Trio auch für saftige Saxophon-Chöre, wie in "Sotto le stelle del Jazz". Überhaupt sorgten sie für die Vielfalt an Klangfarben, die Contes spezielle Stilmischung aus Jazz, vor allem Big-Band-Swing, italienischer Canzone, Tango, Zirkusmusik und lateinamerikanischen Tänzen erst zum Erblühen bringt. In "Diavolo rosso", in dem Conte seinen Mitmusikern ausgiebig Raum zur Improvisation gab, offenbarte sich Piergiorgio Rosso als Teufelsgeiger, während Luca Velotti seine Klarinette in stilechter Klezmer-Manier lachen und weinen ließ. Massimo Pitzianti dagegen gab auf seinem Akkordeon eine derart virtuose Jazzimprovisation zum Besten, dass man sich wunderte, dass sich ihm nicht die Finger verknoteten. Zuvor hatte er in "Gioco d'azzardo" auf seinem Bandoneon Tango-Flair herbeigezaubert. Sehnsüchtigen und verträumten Weisen dürften sich die Musiker immer wieder hingeben: So leitete etwa Lucio Caliendo "Alle prese con una verde milonga" mit einem wunderschönen Oboen-Solo ein.
Der Meister, Schöpfer zahlreicher Welthits wie "Azzurro", saß meist am Flügel, während er seine wortreichen Lieder sang. Nur zweimal trat er ans Vibraphon, jenem Instrument, mit dem er in den 1950er-Jahren seine musikalische Laufbahn in Jazz-Combos begonnen hatte. Und wie immer griff er gelegentlich auch zum Kazoo, jenem kleinen Geräuscherzeuger, der jedes Pathos sofort in die Flucht schlägt.
Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 5. Juli 2011. Das Konzert fand statt am 3. Juli.
eduarda - 5. Jul, 09:13