Synchronbach
Musikfest Stuttgart: Konzert im Trinkwasserspeicher Hasenberg, Schwimmballett im Mineralbad Leuze

Stuttgart – Ungewöhnliche Konzertorte werden zum Markenzeichen des Musikfests Stuttgart. Weil das Motto in diesem Jahr "Wasser" heißt, werden vor allem feuchte Lokalitäten bevorzugt. Die offenbaren sich schon jetzt als Publikumsmagneten. Zum Beispiel der Trinkwasserhochbehälter Hasenberg der EnBW im Stuttgarter Westen, der Neuer Musik ein ausverkauftes Haus bescherte. Der Hochbehälter besitzt drei Wasserkammern mit insgesamt 25.000 Kubikmetern Speichervolumen, die bei Engpässen die Versorgung der Stuttgarter mit Trinkwasser sichern. Musiziert wurde aber natürlich nicht in den unterirdischen Speicherseen, die Menschen eigentlich nur dann sehen, wenn die Wasserqualität überprüft werden muss, sondern in der kühlen Turbinenhalle, die mit ihren hohen Betonwänden eine erstaunlich gute Akustik bot.
Die Turbinen, deren durchdringendes Brummen den turmartigen Raum sonst erfüllt, schwiegen an diesem Abend. Stattdessen füllte das Ensemble "The Peärls before swїne experience" vom Balkon des Treppenaufgangs den sonst verschlossenen Ort mit ungewöhnlichen Klängen. Der lustige Name verrät schon, dass dieses exzellente Neue-Musik-Quartett nicht bierernst und akademisch an Zeitgenössisches herangeht. Die Schweden spielen ausschließlich kurze Nummern, die Komponisten speziell für sie geschrieben haben: Weil dann das Publikum auch mehr zu klatschen habe, witzelte Geiger und Moderator des Abends Georges Kentros.
Die sechs Miniaturen für Violine, Flöte (Sara Hammarström), Cello (David Peterson) und Keyboard (Marten Landström) reihten sich nach dem Kontrastprinzip aneinander. Daniel Langs "Short fall", dem amerikanischen Minimalismus verpflichtet, sorgte für harte, sich überlagernde Rhythmen, während Annie Gosfields "Cranks and cactus needles" von der Klangwelt alter 78er Schallplatten, ihren Kratzern und Sprüngen inspiriert war, aber unter der Oberfläche auch die Tradition der Teufelsgeiger vage aufscheinen ließ, verfremdet, wie eine Stimme aus einer anderen Welt. Die Melancholie des einsamen Ortes konnte man in Antonio Pinho Vargas' elegischem "Três versos de Caeiro" heraushören, das sein Universum aus langen Klagetönen baut. Und bevor sich in Tony Blomdahls "Anti Focus" ein Getöse Bahn brach, als öffne jemand eine Schleuse – Musik, die sich aus elektronischem Kreischen und mit Überdruck gestrichenen Bögen zusammensetzt und nur durch einen gleichmäßig pulsierenden Flötenton geordnet scheint – gab es noch einen kleinen Trick-Stummfilm, den man sehen konnte, wenn man nicht gerade vor eine Säule saß. Er muss von einem kleinen Jungen und einem Hund gehandelt haben, von "Odboy und Erordog". Die Musik von Marcus Fjellström jedenfalls unterhielt durch ihre elektronische Experimentierfreudigkeit. So gestaltete sich das Konzert kurzweilig, und kaum hatte es begonnen, war es schon wieder vorbei.
Allegro mit Wasserrose
Vom Wasserspeicher konnte man am späten Abend ins Mineralbad Leuze wechseln und bei einem Glas Sekt, bei Bedarf auch im Liegestuhl ruhend, begutachten, was die acht jungen Synchronschwimmerinnen des Schwimmerbundes Schwaben 1895 Stuttgart im Außenbecken des Leuzes zum Thema Johann Sebastian Bach beizutragen hatten – eine augenzwinkernde Querverbindung zwischen Festivalthema und dem Hausgott der veranstaltenden Bachakademie. Die Musik wurde aus Lautsprechern zugespielt, wobei gelegentlich ein allzu liebloses Ausblenden der Sätze störte.
Zum Allegro aus Bachs drittem Brandenburgischen Konzert formten die Wasserballerinen Sterne und Blumen und setzten so entspannte, ruhige Kontrapunkte. Zur berühmten Air drehten sie sich, zu zwei Quadraten formiert, leger im Wasser oder fanden zu einem großen Kreuz zusammen. Dramatik entstand, wenn sich eine Schwimmerin solistisch absetzte, sich von den Kolleginnen in die Höhe stemmen ließ, um dann mit theatralisch gespreizten Fingern wieder im Wasser zu versinken. Aus dem kühlen Nass gestreckte Beine und zierliche Füßchen oder zum Achter geschlossene Ringelreihen sorgten sogar in der Kantaten-Sinfonia "Wir müssen durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen" für eine zwar nicht dem Titel, aber der Situation angemessene Fröhlichkeit. Auch wenn die Bilder, die die quirligen jungen Frauen in eleganten Bewegungen auf das Wasser puzzelten, einem vielleicht nicht zwangsweise vor Augen kommen würden, wenn man die Musik hört, so hat die feuchtfröhliche Übersetzung der Klänge in Formen doch ihren ganz besonderen Reiz. Recht synchron zur Musik und bei ziemlich glatter Wasseroberfläche tanzte und schwamm die Wasserballettgruppe ohnehin – wenn auch die Schwierigkeit dieser Disziplin, stets in gleichen Abständen und synchron aktiv zu werden, gelegentlich deutlich wurde.
Rezension für die Eßlinger Zeitung von heute. Die Konzerte fanden statt am 30. August.

Stuttgart – Ungewöhnliche Konzertorte werden zum Markenzeichen des Musikfests Stuttgart. Weil das Motto in diesem Jahr "Wasser" heißt, werden vor allem feuchte Lokalitäten bevorzugt. Die offenbaren sich schon jetzt als Publikumsmagneten. Zum Beispiel der Trinkwasserhochbehälter Hasenberg der EnBW im Stuttgarter Westen, der Neuer Musik ein ausverkauftes Haus bescherte. Der Hochbehälter besitzt drei Wasserkammern mit insgesamt 25.000 Kubikmetern Speichervolumen, die bei Engpässen die Versorgung der Stuttgarter mit Trinkwasser sichern. Musiziert wurde aber natürlich nicht in den unterirdischen Speicherseen, die Menschen eigentlich nur dann sehen, wenn die Wasserqualität überprüft werden muss, sondern in der kühlen Turbinenhalle, die mit ihren hohen Betonwänden eine erstaunlich gute Akustik bot.
Die Turbinen, deren durchdringendes Brummen den turmartigen Raum sonst erfüllt, schwiegen an diesem Abend. Stattdessen füllte das Ensemble "The Peärls before swїne experience" vom Balkon des Treppenaufgangs den sonst verschlossenen Ort mit ungewöhnlichen Klängen. Der lustige Name verrät schon, dass dieses exzellente Neue-Musik-Quartett nicht bierernst und akademisch an Zeitgenössisches herangeht. Die Schweden spielen ausschließlich kurze Nummern, die Komponisten speziell für sie geschrieben haben: Weil dann das Publikum auch mehr zu klatschen habe, witzelte Geiger und Moderator des Abends Georges Kentros.
Die sechs Miniaturen für Violine, Flöte (Sara Hammarström), Cello (David Peterson) und Keyboard (Marten Landström) reihten sich nach dem Kontrastprinzip aneinander. Daniel Langs "Short fall", dem amerikanischen Minimalismus verpflichtet, sorgte für harte, sich überlagernde Rhythmen, während Annie Gosfields "Cranks and cactus needles" von der Klangwelt alter 78er Schallplatten, ihren Kratzern und Sprüngen inspiriert war, aber unter der Oberfläche auch die Tradition der Teufelsgeiger vage aufscheinen ließ, verfremdet, wie eine Stimme aus einer anderen Welt. Die Melancholie des einsamen Ortes konnte man in Antonio Pinho Vargas' elegischem "Três versos de Caeiro" heraushören, das sein Universum aus langen Klagetönen baut. Und bevor sich in Tony Blomdahls "Anti Focus" ein Getöse Bahn brach, als öffne jemand eine Schleuse – Musik, die sich aus elektronischem Kreischen und mit Überdruck gestrichenen Bögen zusammensetzt und nur durch einen gleichmäßig pulsierenden Flötenton geordnet scheint – gab es noch einen kleinen Trick-Stummfilm, den man sehen konnte, wenn man nicht gerade vor eine Säule saß. Er muss von einem kleinen Jungen und einem Hund gehandelt haben, von "Odboy und Erordog". Die Musik von Marcus Fjellström jedenfalls unterhielt durch ihre elektronische Experimentierfreudigkeit. So gestaltete sich das Konzert kurzweilig, und kaum hatte es begonnen, war es schon wieder vorbei.
Allegro mit Wasserrose
Vom Wasserspeicher konnte man am späten Abend ins Mineralbad Leuze wechseln und bei einem Glas Sekt, bei Bedarf auch im Liegestuhl ruhend, begutachten, was die acht jungen Synchronschwimmerinnen des Schwimmerbundes Schwaben 1895 Stuttgart im Außenbecken des Leuzes zum Thema Johann Sebastian Bach beizutragen hatten – eine augenzwinkernde Querverbindung zwischen Festivalthema und dem Hausgott der veranstaltenden Bachakademie. Die Musik wurde aus Lautsprechern zugespielt, wobei gelegentlich ein allzu liebloses Ausblenden der Sätze störte.
Zum Allegro aus Bachs drittem Brandenburgischen Konzert formten die Wasserballerinen Sterne und Blumen und setzten so entspannte, ruhige Kontrapunkte. Zur berühmten Air drehten sie sich, zu zwei Quadraten formiert, leger im Wasser oder fanden zu einem großen Kreuz zusammen. Dramatik entstand, wenn sich eine Schwimmerin solistisch absetzte, sich von den Kolleginnen in die Höhe stemmen ließ, um dann mit theatralisch gespreizten Fingern wieder im Wasser zu versinken. Aus dem kühlen Nass gestreckte Beine und zierliche Füßchen oder zum Achter geschlossene Ringelreihen sorgten sogar in der Kantaten-Sinfonia "Wir müssen durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen" für eine zwar nicht dem Titel, aber der Situation angemessene Fröhlichkeit. Auch wenn die Bilder, die die quirligen jungen Frauen in eleganten Bewegungen auf das Wasser puzzelten, einem vielleicht nicht zwangsweise vor Augen kommen würden, wenn man die Musik hört, so hat die feuchtfröhliche Übersetzung der Klänge in Formen doch ihren ganz besonderen Reiz. Recht synchron zur Musik und bei ziemlich glatter Wasseroberfläche tanzte und schwamm die Wasserballettgruppe ohnehin – wenn auch die Schwierigkeit dieser Disziplin, stets in gleichen Abständen und synchron aktiv zu werden, gelegentlich deutlich wurde.
Rezension für die Eßlinger Zeitung von heute. Die Konzerte fanden statt am 30. August.
eduarda - 1. Sep, 22:38