Florales Glück
Cannstatter Reihe "Musik am 13." mit einem Geburtstagskonzert für John Cage
Stuttgart – Am Ende wurden einige Zuhörer in der gut gefüllten Stutgart-Bad Cannstatter Stadtkirche doch ein bisschen ungeduldig und verließen frühzeitig das Gotteshaus. Nach 25 Minuten organistischem "ASLSP" von John Cage (Abkürzung für zu deutsch: so langsam wie möglich) befürchteten sie wohl ähnliche Zeitverhältnisse wie in der Halberstädter Sankt-Burchardi-Kirche, wo die achtseitige Partitur von "ASLSP" seit 2001 gedehnt auf 639 Jahre erklingt. Man nimmt den Titel dort eben sehr ernst, weswegen der nächste Klangwechsel erst am 5. Juli dieses Jahres zu erwarten ist.
Das Publikum in Bad Cannstatt hätte dagegen nur noch ein paar Minütchen ausharren müssen. Denn Marco Bidin an der Orgel, der zuvor schon mit Oliver Messiaens "Offrande et Alleluja final" eine hochvirtuose Kostprobe seines Könnens gegeben hatte, hielt sich bei seiner meditativen Gestaltung von Liegetönen, Pausen und gehaltenen Akkorde ziemlich genau an die Uraufführungsdauer.
Auch dieses Konzert der Reihe "Musik am 13." anlässlich Cages 100. Geburtstag offenbarte wieder einmal, dass Cages Ideen die Erwartungshaltung der Zuhörer noch immer prächtig konterkarieren. So auch "Child of Tree" für einen Schlagzeuger, in dem der Solist die zehn Instrumente aus Pflanzen oder pflanzlichem Material weitgehend selbst aussuchen darf: Raphael Sbrzesny – mit Rockabilly-Tolle und schwarzem Anzug – hatte sich neben den vorgeschriebenen Kaktussen für Birkenäste, hölzernes Strandgut, Stroh und Bambusrohre entschieden, um die etwas mystisch wirkende Performance aus Hämmern, Ploppen, Kruscheln und gläsernem Kaktusstachelvibrieren gekonnt zu bewältigen.
Auch das Knacken der Holzbänke, das das Konzert begleitete, weil die Zuschauer permanent und neugierig die Köpfe streckten, um zu erkennen, was der junge Mann denn wohl gerade für ein "Instrument" betätige, fügten sich prima in Cages Konzept. Glücklich war, wer am Ende eines der Primelchen mit nach Hause nehmen dürfte, die als Auffang rieselnden Strohs gedient hatten und die der Perkussionist als Finale seiner Darbietung im Publikum verteilte.
Besprechung für die Stuttgarter Nachrichten und die Eßlinger Zeitung vom 16. bzw. 17. Januar 2012. Das Konzert fand statt am 13.1.
Stuttgart – Am Ende wurden einige Zuhörer in der gut gefüllten Stutgart-Bad Cannstatter Stadtkirche doch ein bisschen ungeduldig und verließen frühzeitig das Gotteshaus. Nach 25 Minuten organistischem "ASLSP" von John Cage (Abkürzung für zu deutsch: so langsam wie möglich) befürchteten sie wohl ähnliche Zeitverhältnisse wie in der Halberstädter Sankt-Burchardi-Kirche, wo die achtseitige Partitur von "ASLSP" seit 2001 gedehnt auf 639 Jahre erklingt. Man nimmt den Titel dort eben sehr ernst, weswegen der nächste Klangwechsel erst am 5. Juli dieses Jahres zu erwarten ist.
Das Publikum in Bad Cannstatt hätte dagegen nur noch ein paar Minütchen ausharren müssen. Denn Marco Bidin an der Orgel, der zuvor schon mit Oliver Messiaens "Offrande et Alleluja final" eine hochvirtuose Kostprobe seines Könnens gegeben hatte, hielt sich bei seiner meditativen Gestaltung von Liegetönen, Pausen und gehaltenen Akkorde ziemlich genau an die Uraufführungsdauer.
Auch dieses Konzert der Reihe "Musik am 13." anlässlich Cages 100. Geburtstag offenbarte wieder einmal, dass Cages Ideen die Erwartungshaltung der Zuhörer noch immer prächtig konterkarieren. So auch "Child of Tree" für einen Schlagzeuger, in dem der Solist die zehn Instrumente aus Pflanzen oder pflanzlichem Material weitgehend selbst aussuchen darf: Raphael Sbrzesny – mit Rockabilly-Tolle und schwarzem Anzug – hatte sich neben den vorgeschriebenen Kaktussen für Birkenäste, hölzernes Strandgut, Stroh und Bambusrohre entschieden, um die etwas mystisch wirkende Performance aus Hämmern, Ploppen, Kruscheln und gläsernem Kaktusstachelvibrieren gekonnt zu bewältigen.
Auch das Knacken der Holzbänke, das das Konzert begleitete, weil die Zuschauer permanent und neugierig die Köpfe streckten, um zu erkennen, was der junge Mann denn wohl gerade für ein "Instrument" betätige, fügten sich prima in Cages Konzept. Glücklich war, wer am Ende eines der Primelchen mit nach Hause nehmen dürfte, die als Auffang rieselnden Strohs gedient hatten und die der Perkussionist als Finale seiner Darbietung im Publikum verteilte.
Besprechung für die Stuttgarter Nachrichten und die Eßlinger Zeitung vom 16. bzw. 17. Januar 2012. Das Konzert fand statt am 13.1.
eduarda - 17. Jan, 12:28