Verführerische Symbiosen
Stuttgarter Festival Eclat: Sieben Uraufführungen als Finale
Stuttgart - Der Sonntag war ein großer Tag für das kleine Festival Eclat: Sieben Uraufführungen fanden am Sonntag im gut besuchten Stuttgarter Theaterhaus statt, und zwar erstklassige Musik mit hohem Unterhaltungswert. Im Mittelpunkt stand das Klavier – mal elektronisch manipuliert, mal rein im Klang.
Sven-Ingo Kochs "Quel portone dimenticato" bot Piano pur: Von Ferne winkte Skrjabin ob der fein verästelten, von Florian Hoelscher zart und poetisch im Schweben gehaltenen Strukturen, die durch die Plopps und Gongs zweier präparierter Flügelsaiten perkussive Erdung erfuhren.
Scharfe Kontraste dazu boten Robert HP Platz' "Branenwelten 6". Klavierklang und Elektronik gingen hier eine verführerische Symbiose ein, die Zukunftspotential besitzt. Im Gestus hochvirtuos, wird immer wieder innegehalten, um der elektronischen Verlängerung der Klänge nachzuspüren. Klangeruptionen, Obertonflirren oder perkussive Repetitionsschleifen, in die einzelne Töne geschickt werden, sorgen beständig für Überraschungen. Nicolas Hodges bewältigte die Partitur mit kraftvoll-virtuosem Zugriff und immenser Klangfarbendifferenzierung. Ein großartiger Pianist, der auch in Harrison Birtwistles "Gigue machine" atemberaubende Gelassenheit an den Tag legte, die rhythmisch-metrisch immens vertrackten Passagen ebenso wie die maschinell ratternde Motorik zu ihrem Recht kommen ließ und dabei die Töne stets zum Sprechen brachte und fein abschattierte.
Geradezu spektakulär geriet Christoph Grunds Interpretation von Iris ter Schiphorsts "Dead wire", in dem der Pianist nicht nur den Flügel traktieren, sondern gleichzeitig auch ein Keyboard bedienen und Bildschirm und Noten im Blick behalten muss. Das Streichen der Flügelsaiten setzte das elektronische Eigenleben in Gang, virtuose Skalen brachten rhythmisch-metrische Entwicklungen in Gang wie eine Dampflokomotive, hohe Tonrepetitionen standen explosiven Donnerwettern und ihrem Nachhall gegenüber. Und das alles begleitete zuweilen noch das Schreien des Musikers. Furios!
Im Vergleich zu den Klavierkompositionen wirkten die Werke für Ensemble, die an diesem Tag zur Uraufführung kamen, geradezu brav: Hans-Jürgen Gerungs klangschönes "Non fare il minimo rumore" für Countertenor und Streichquartett erfreute durch seinen hochexpressiven Streichersatz, den das Stadler Quartett fein nuanciert und gestisch liebevoll durchgearbeitet zur Entfaltung brachte. Daniel Gloger sang allerdings vor allem in der Höhe oft viel zu laut, schrill und gepresst und wollte so mit der sensibel artikulierten Klangwelt der Streicher nicht wirklich zusammenkommen.
Das SWR Vokalensemble in der Leitung Marcus Creeds, das zuvor schon Tomoko Fukuis politisch ambitioniertes "To the forest" für Chor, Saxofon, Schlagzeug und Klavier zur Uraufführung gebracht hatte, beendete mit Mark Andres "hij 2" (für: Hilfe Jesu) einen experimentellen Tag mit einem eher konventionellen Werk: 40 Minuten lang werden vibrierende, zum Teil elektronisch verfremdete Klangflächen hörbar, die das Vokalensemble durch Töne, Atmen, Zischen, knisternde Alufolie und dem Rauschen kleiner Windräder erzeugte. Andre will den Zustand zwischen Leben und Tod dargestellt wissen, flüsternd wurden am Schluss Namen Verstorbener aneinandergereiht. Sehr esoterisch!
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten von heute. Die Konzerte fanden statt am 12.2.2012.
Stuttgart - Der Sonntag war ein großer Tag für das kleine Festival Eclat: Sieben Uraufführungen fanden am Sonntag im gut besuchten Stuttgarter Theaterhaus statt, und zwar erstklassige Musik mit hohem Unterhaltungswert. Im Mittelpunkt stand das Klavier – mal elektronisch manipuliert, mal rein im Klang.
Sven-Ingo Kochs "Quel portone dimenticato" bot Piano pur: Von Ferne winkte Skrjabin ob der fein verästelten, von Florian Hoelscher zart und poetisch im Schweben gehaltenen Strukturen, die durch die Plopps und Gongs zweier präparierter Flügelsaiten perkussive Erdung erfuhren.
Scharfe Kontraste dazu boten Robert HP Platz' "Branenwelten 6". Klavierklang und Elektronik gingen hier eine verführerische Symbiose ein, die Zukunftspotential besitzt. Im Gestus hochvirtuos, wird immer wieder innegehalten, um der elektronischen Verlängerung der Klänge nachzuspüren. Klangeruptionen, Obertonflirren oder perkussive Repetitionsschleifen, in die einzelne Töne geschickt werden, sorgen beständig für Überraschungen. Nicolas Hodges bewältigte die Partitur mit kraftvoll-virtuosem Zugriff und immenser Klangfarbendifferenzierung. Ein großartiger Pianist, der auch in Harrison Birtwistles "Gigue machine" atemberaubende Gelassenheit an den Tag legte, die rhythmisch-metrisch immens vertrackten Passagen ebenso wie die maschinell ratternde Motorik zu ihrem Recht kommen ließ und dabei die Töne stets zum Sprechen brachte und fein abschattierte.
Geradezu spektakulär geriet Christoph Grunds Interpretation von Iris ter Schiphorsts "Dead wire", in dem der Pianist nicht nur den Flügel traktieren, sondern gleichzeitig auch ein Keyboard bedienen und Bildschirm und Noten im Blick behalten muss. Das Streichen der Flügelsaiten setzte das elektronische Eigenleben in Gang, virtuose Skalen brachten rhythmisch-metrische Entwicklungen in Gang wie eine Dampflokomotive, hohe Tonrepetitionen standen explosiven Donnerwettern und ihrem Nachhall gegenüber. Und das alles begleitete zuweilen noch das Schreien des Musikers. Furios!
Im Vergleich zu den Klavierkompositionen wirkten die Werke für Ensemble, die an diesem Tag zur Uraufführung kamen, geradezu brav: Hans-Jürgen Gerungs klangschönes "Non fare il minimo rumore" für Countertenor und Streichquartett erfreute durch seinen hochexpressiven Streichersatz, den das Stadler Quartett fein nuanciert und gestisch liebevoll durchgearbeitet zur Entfaltung brachte. Daniel Gloger sang allerdings vor allem in der Höhe oft viel zu laut, schrill und gepresst und wollte so mit der sensibel artikulierten Klangwelt der Streicher nicht wirklich zusammenkommen.
Das SWR Vokalensemble in der Leitung Marcus Creeds, das zuvor schon Tomoko Fukuis politisch ambitioniertes "To the forest" für Chor, Saxofon, Schlagzeug und Klavier zur Uraufführung gebracht hatte, beendete mit Mark Andres "hij 2" (für: Hilfe Jesu) einen experimentellen Tag mit einem eher konventionellen Werk: 40 Minuten lang werden vibrierende, zum Teil elektronisch verfremdete Klangflächen hörbar, die das Vokalensemble durch Töne, Atmen, Zischen, knisternde Alufolie und dem Rauschen kleiner Windräder erzeugte. Andre will den Zustand zwischen Leben und Tod dargestellt wissen, flüsternd wurden am Schluss Namen Verstorbener aneinandergereiht. Sehr esoterisch!
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten von heute. Die Konzerte fanden statt am 12.2.2012.
eduarda - 14. Feb, 12:06