Wie Phönix aus der Asche
Der Originalklang-Experte Andrew Manze dirigiert das Swedish Chamber Orchestra im Stuttgarter Beethovensaal
Stuttgart – Es gibt nicht viele Konzerte, in denen schon in der Ouvertüre klar ist, dass ein exzellenter Abend folgen wird. Beim Swedish Chamber Orchestra im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle war es aber so: Mozarts "Figaro"-Ouvertüre diente hier einmal nicht als Warmspieler, sondern die Schweden sorgten mit luftig phrasiertem, farbigem Streicherklang, schlankem, glasklarem Bläsersound, agiler rhythmischer Grundierung und flexibler Dynamik für einen ersten wachrüttelnden Ohrenschmaus – Mozartscher Witz, Sturm und Drang inbegriffen. Am Dirigierpult: der Alte-Musik-Experte Andrew Manze. Eine glückliche Fügung, denn der quirlige Brite kann dank seiner sehr lebendigen Dirigierweise seinen Musikern offenbar unmissverständlich deutlich machen, was er will: einen neuen, frischen Blick auf die Werke.
Und der kam am Ende in Beethovens Vierter Sinfonie zur vollen Blüte: Eine derartige Freilegung des sinfonischen Nervensystems durfte man bisher wohl nur sehr selten miterleben. Der rhythmisch und dynamisch extrem bewegliche Klangkörper demonstrierte jetzt, was hörbar werden kann, wenn ein etwa 30-köpfiges Streicherkollektiv und eine doppelt besetzte Bläserfraktion die perfekte Balance erreichen. Ohne Vibrato spielend, extrem transparent im Zusammenklang, suchten und fanden die Streicher im Verein mit den Bläsern Lautstärkenverhältnisse, Farbverwandlungen und räumliche Weitung, durch die so manch eine Idee Beethovens konsequent zu Ende gedacht wurde. So verliehen sie etwa den kläglichen Motivresten, die der Komponist im Kopfsatz vom Hauptthema nach der zerpflückenden Durchführungsarbeit noch übrig gelassen hat, eine derartige Leichenblässe, dass man im Geiste schon die Totenglocken läuten hörte. Stattdessen erhob sich die Reprise jetzt noch schwungvoller als gewohnt zu neuem Leben – wie Phönix aus der Asche. Beethovens genial inszenierter Spannungsaufbau und seine feurig-scharfe Kontrastierung kam gerade in diesem ersten Satz so zwingend zur Entfaltung, dass es kein Wunder war, dass sich das (zweifelsohne mit dem Konzert-Knigge bestens vertraute) Publikum war, zum eigentlich "verbotenen" Zwischen-den Sätzen-Klatschen hingerissen fühlte.
Zwischen den Wiener Klassikern gab's Solistisches. Publikumsliebling Sabine Meyer sorgte in Aaron Coplands Klarinettenkonzert für swingenden amerikanischen Geist, demonstrierte wieder einmal ihre profunde Virtuosität und beeindruckte durch langen Atem und kraftvollen, präzisen Ton. Meyer hatte ihre Schülerin Annelien van Wauwe mitgebracht, die in Carl Maria von Webers Concertino Es-Dur ihre Klarinette solistisch zum klangschönen und heroischen Singen brachte und dann ihrer Lehrerin in Mendelssohns Konzertstück op. 113 zur Seite stand. Phänomenal, wie perfekt van Wauwe auf dem tief geerdeten Bassetthorn und Meyer auf der Klarinette miteinander harmonierten – in schmachtenden Duetten genauso wie in virtuosen Verschlingungen. Das Publikum zeigte sich nicht nur in diesem Fall begeistert.
Besprechung für die Eßlinger Zeitung vom 2. März 2012. Das Konzert fand statt am 29. Februar.
Stuttgart – Es gibt nicht viele Konzerte, in denen schon in der Ouvertüre klar ist, dass ein exzellenter Abend folgen wird. Beim Swedish Chamber Orchestra im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle war es aber so: Mozarts "Figaro"-Ouvertüre diente hier einmal nicht als Warmspieler, sondern die Schweden sorgten mit luftig phrasiertem, farbigem Streicherklang, schlankem, glasklarem Bläsersound, agiler rhythmischer Grundierung und flexibler Dynamik für einen ersten wachrüttelnden Ohrenschmaus – Mozartscher Witz, Sturm und Drang inbegriffen. Am Dirigierpult: der Alte-Musik-Experte Andrew Manze. Eine glückliche Fügung, denn der quirlige Brite kann dank seiner sehr lebendigen Dirigierweise seinen Musikern offenbar unmissverständlich deutlich machen, was er will: einen neuen, frischen Blick auf die Werke.
Und der kam am Ende in Beethovens Vierter Sinfonie zur vollen Blüte: Eine derartige Freilegung des sinfonischen Nervensystems durfte man bisher wohl nur sehr selten miterleben. Der rhythmisch und dynamisch extrem bewegliche Klangkörper demonstrierte jetzt, was hörbar werden kann, wenn ein etwa 30-köpfiges Streicherkollektiv und eine doppelt besetzte Bläserfraktion die perfekte Balance erreichen. Ohne Vibrato spielend, extrem transparent im Zusammenklang, suchten und fanden die Streicher im Verein mit den Bläsern Lautstärkenverhältnisse, Farbverwandlungen und räumliche Weitung, durch die so manch eine Idee Beethovens konsequent zu Ende gedacht wurde. So verliehen sie etwa den kläglichen Motivresten, die der Komponist im Kopfsatz vom Hauptthema nach der zerpflückenden Durchführungsarbeit noch übrig gelassen hat, eine derartige Leichenblässe, dass man im Geiste schon die Totenglocken läuten hörte. Stattdessen erhob sich die Reprise jetzt noch schwungvoller als gewohnt zu neuem Leben – wie Phönix aus der Asche. Beethovens genial inszenierter Spannungsaufbau und seine feurig-scharfe Kontrastierung kam gerade in diesem ersten Satz so zwingend zur Entfaltung, dass es kein Wunder war, dass sich das (zweifelsohne mit dem Konzert-Knigge bestens vertraute) Publikum war, zum eigentlich "verbotenen" Zwischen-den Sätzen-Klatschen hingerissen fühlte.
Zwischen den Wiener Klassikern gab's Solistisches. Publikumsliebling Sabine Meyer sorgte in Aaron Coplands Klarinettenkonzert für swingenden amerikanischen Geist, demonstrierte wieder einmal ihre profunde Virtuosität und beeindruckte durch langen Atem und kraftvollen, präzisen Ton. Meyer hatte ihre Schülerin Annelien van Wauwe mitgebracht, die in Carl Maria von Webers Concertino Es-Dur ihre Klarinette solistisch zum klangschönen und heroischen Singen brachte und dann ihrer Lehrerin in Mendelssohns Konzertstück op. 113 zur Seite stand. Phänomenal, wie perfekt van Wauwe auf dem tief geerdeten Bassetthorn und Meyer auf der Klarinette miteinander harmonierten – in schmachtenden Duetten genauso wie in virtuosen Verschlingungen. Das Publikum zeigte sich nicht nur in diesem Fall begeistert.
Besprechung für die Eßlinger Zeitung vom 2. März 2012. Das Konzert fand statt am 29. Februar.
eduarda - 3. Mär, 10:02