Einfarbig und starr
London Philharmonic Orchestra in der Stuttgarter Liederhalle
Stuttgart - Erfolgreich zu sein bedeutet für einen Dirigenten offenbar nicht zwingend, etwas mit dem Wort „Phrasierung“ anfangen zu können, also ein Orchester zu lebendiger Formung musikalischer Gedanken mittels Lautstärkendifferenzierung, präziser Rhythmik und deutlicher Artikulation zu animieren. Diese erstaunliche Erkenntnis drängt sich immer wieder auf, wenn man Konzerte besucht, die von Christoph Eschenbach dirigiert werden. Wie es jetzt wieder im Rahmen der Meisterkonzert-Reihe im voll besetzten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle der Fall war, wo der 72-Jährige als Gastdirigent das London Philharmonic Orchestra (LPO) leitete.
Sollte sich Eschenbach über den Sinn und die Zielrichtung von Robert Schumanns Ouvertüre zu Schillers „Die Braut von Messina“ im Vorfeld tatsächlich einmal Gedanken gemacht haben, dann hat er sich in dieser Hinsicht für die Orchesterproben strikte Geheimhaltung verordnet. Denn was das LPO zu bieten hatte, war lediglich ein einfarbiges, nervöses Gewusel im dritten Gang, gelegentlich garniert durch pathetisches Aufbrausen. Was Eschenbachs wild wedelnder Taktstock und sein theatralisches Kopfzittern wirklich zu bedeuten haben, ist für den Betrachter ohnehin kaum zu durchschauen. Seine Hauptaufgabe sieht der Dirigent aber offenbar in einem Taktschlagen, welches das Orchester zum geordneten Durchpreschen auffordert.
Ludwig van Beethovens Tripelkonzert für Violine, Cello, Klavier und Orchester bewegte sich trotz des ambitioniert und beherzt aufspielenden Solistentrios im langweilenden Mittelmaß. Wobei Eschenbach hier vor allem mit der Koordination von Orchester und Solisten beschäftigt war und gestalterischen Fragen ohnehin wenig Beachtung schenkte. Das überließ er dem Trio: dem souveränen Lars Vogt am Steinway, der Geigerin Baiba Skride, die mit zierlichem, flexiblem, freilich nicht immer intonationssicherem Ton spielte, und dem Cellisten Daniel Müller-Schott, dessen klangschöne Artikulation nur im Largo durch inflationär eingesetztes Portamento ein bisschen zur emotionalen Übertreibung neigte. Zum Konzerthöhepunkt wurde deshalb erst die Zugabe des sympathischen Dreiers, der im folkloristischen Finale von Joseph Haydns G-Dur-Klaviertrio mitreißend, virtuos und sehr befreit aufspielte.
Was sollte man nach der Pause dann von Schumanns Vierter Sinfonie erwarten? Ohnehin zeigt sich gerade in der Meisterkonzert-Reihe, in der die Orchester meist in Riesentourneebesetzung erscheinen, wie schwierig es ist, den Sinfonien Schumanns klanglich auch nur annähernd gerecht zu werden, werden ihre kompositorischen Qualitäten doch erst hörbar, wenn absolute strukturelle Transparenz vorherrscht.
Immerhin schien jetzt endlich einmal etwas auf von der Brillanz der LPO-Streicher und von den exzellenten Bläsern dieses Orchesters - beides wohl Grund für den finalen Jubel. Aber ansonsten verhinderte auch hier eine extrem starre Dynamik im oberen Lautstärkebereich Farbentfaltung und lebendige Formung. Im Kopfsatz dominierte schmissiges Vorwärtsjagen, die Romanze wollte nicht singen und fließen, das Scherzo geriet klebrig, und im Finale machte sich Pathos breit. Schade, denn eigentlich ist Schumanns Vierte doch eine so attraktive Sinfonie.
Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 22.12.2012. Das Konzert fand statt am 20.12.
Stuttgart - Erfolgreich zu sein bedeutet für einen Dirigenten offenbar nicht zwingend, etwas mit dem Wort „Phrasierung“ anfangen zu können, also ein Orchester zu lebendiger Formung musikalischer Gedanken mittels Lautstärkendifferenzierung, präziser Rhythmik und deutlicher Artikulation zu animieren. Diese erstaunliche Erkenntnis drängt sich immer wieder auf, wenn man Konzerte besucht, die von Christoph Eschenbach dirigiert werden. Wie es jetzt wieder im Rahmen der Meisterkonzert-Reihe im voll besetzten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle der Fall war, wo der 72-Jährige als Gastdirigent das London Philharmonic Orchestra (LPO) leitete.
Sollte sich Eschenbach über den Sinn und die Zielrichtung von Robert Schumanns Ouvertüre zu Schillers „Die Braut von Messina“ im Vorfeld tatsächlich einmal Gedanken gemacht haben, dann hat er sich in dieser Hinsicht für die Orchesterproben strikte Geheimhaltung verordnet. Denn was das LPO zu bieten hatte, war lediglich ein einfarbiges, nervöses Gewusel im dritten Gang, gelegentlich garniert durch pathetisches Aufbrausen. Was Eschenbachs wild wedelnder Taktstock und sein theatralisches Kopfzittern wirklich zu bedeuten haben, ist für den Betrachter ohnehin kaum zu durchschauen. Seine Hauptaufgabe sieht der Dirigent aber offenbar in einem Taktschlagen, welches das Orchester zum geordneten Durchpreschen auffordert.
Ludwig van Beethovens Tripelkonzert für Violine, Cello, Klavier und Orchester bewegte sich trotz des ambitioniert und beherzt aufspielenden Solistentrios im langweilenden Mittelmaß. Wobei Eschenbach hier vor allem mit der Koordination von Orchester und Solisten beschäftigt war und gestalterischen Fragen ohnehin wenig Beachtung schenkte. Das überließ er dem Trio: dem souveränen Lars Vogt am Steinway, der Geigerin Baiba Skride, die mit zierlichem, flexiblem, freilich nicht immer intonationssicherem Ton spielte, und dem Cellisten Daniel Müller-Schott, dessen klangschöne Artikulation nur im Largo durch inflationär eingesetztes Portamento ein bisschen zur emotionalen Übertreibung neigte. Zum Konzerthöhepunkt wurde deshalb erst die Zugabe des sympathischen Dreiers, der im folkloristischen Finale von Joseph Haydns G-Dur-Klaviertrio mitreißend, virtuos und sehr befreit aufspielte.
Was sollte man nach der Pause dann von Schumanns Vierter Sinfonie erwarten? Ohnehin zeigt sich gerade in der Meisterkonzert-Reihe, in der die Orchester meist in Riesentourneebesetzung erscheinen, wie schwierig es ist, den Sinfonien Schumanns klanglich auch nur annähernd gerecht zu werden, werden ihre kompositorischen Qualitäten doch erst hörbar, wenn absolute strukturelle Transparenz vorherrscht.
Immerhin schien jetzt endlich einmal etwas auf von der Brillanz der LPO-Streicher und von den exzellenten Bläsern dieses Orchesters - beides wohl Grund für den finalen Jubel. Aber ansonsten verhinderte auch hier eine extrem starre Dynamik im oberen Lautstärkebereich Farbentfaltung und lebendige Formung. Im Kopfsatz dominierte schmissiges Vorwärtsjagen, die Romanze wollte nicht singen und fließen, das Scherzo geriet klebrig, und im Finale machte sich Pathos breit. Schade, denn eigentlich ist Schumanns Vierte doch eine so attraktive Sinfonie.
Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 22.12.2012. Das Konzert fand statt am 20.12.
eduarda - 23. Dez, 00:54