Eine Klasse für sich
Frieder Bernius dirigiert Mendelssohns "Elias" in der Stuttgarter Liederhalle
Stuttgart - Chorkonzerte in der Leitung Frieder Bernius' sind immer aufregende Ereignisse im Musikleben Stuttgarts. Die Aufführungen abendfüllender, erzähl-dramatischer Großwerke wie Oratorien und Passionen sind dies in besonderem Maße. Weil Bernius hier sein geniales Gespür für Tempodramaturgie, Energienbündelung und große Spannungsbögen vollendet zur Geltung bringen kann.
Auch in der Aufführung von Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium "Elias" im gut gefüllten Stuttgarter Beethovensaal riss der magische Hörsog, in den Bernius und seine Ensembles ihr Publikum stets zu ziehen vermögen, bis zum Schluss in Bann und hielt die archaische Wucht der alttestamentarischen Erzählung, die musikalisch-krasse Darstellung von Gewaltekzessen, Naturkatastrophen und Elementarkräften in atemlosen Fluss, ebenso wie die lyrischen Passagen in emotionaler Klarheit erleuchteten.
Manch einer mag die Päuschen zwischen den 49 Nummern als musikalisches Nichts betrachten: Aber Bernius' sehr genaue Pulsierung des gut zwei Stunden langen Werks beginnt schon in dieser allerkleinsten Zelle der Komposition und ihrer perfekten Timung.
Der Kammerchor Stuttgart überzeugte an diesem Abend auch durch seine jung besetzte Sopranfraktion, von der keine einzige Schrillheit zu hören war. Weich und klangschön auch in der Höhe fügte sie sich ein in klangverschmelzende Vierstimmigkeit oder stellte zusammen mit den anderen Stimmgruppen durch geschmeidige, farbige Linienführung Mendelssohns polyphone Kunst in das beste Licht. Klar und brillant gelangen die dramatischen Klage- und Wut-Chöre. Mit Empathie und orchestraler Bildkraft sorgte die Klassische Philharmonie Stuttgart für sinfonischen Drive. Fantastisch auch die Solisten: Altistin Renée Morloc gestaltete ihre unterschiedlichen Rollen erhaben und mit dunklen, ans Herz gehenden Stimmfarben. Tenor Tilman Lichdi blieb auch in der Höhe stets kräftig, strahlend und klar. Sopran Johanna Winkel überzeugte durch ihr warmes Timbre auch in der Höhe, Matthias Rempp vom Knabenchor collegium iuvenum erfreute durch die hochprofessionelle Umsetzung seiner kleinen Rolle. Die große Partie des Elias gestaltete Michael Volle stimmlich souverän, mit geerdeter, kraftvoller Baritonstimme. In seiner Interpretation wirkte der finstere Prophet vielleicht ein bisschen zu gütig. Elias' Unerbittlichkeit, die latente Gewalttätigkeit, die in der Aufforderung zum Morden der Baal-Priester offenbar wird, blieb dadurch verdeckt.
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 2. Januar 2013. Das Konzert fand statt am 30. Dezember.
Stuttgart - Chorkonzerte in der Leitung Frieder Bernius' sind immer aufregende Ereignisse im Musikleben Stuttgarts. Die Aufführungen abendfüllender, erzähl-dramatischer Großwerke wie Oratorien und Passionen sind dies in besonderem Maße. Weil Bernius hier sein geniales Gespür für Tempodramaturgie, Energienbündelung und große Spannungsbögen vollendet zur Geltung bringen kann.
Auch in der Aufführung von Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium "Elias" im gut gefüllten Stuttgarter Beethovensaal riss der magische Hörsog, in den Bernius und seine Ensembles ihr Publikum stets zu ziehen vermögen, bis zum Schluss in Bann und hielt die archaische Wucht der alttestamentarischen Erzählung, die musikalisch-krasse Darstellung von Gewaltekzessen, Naturkatastrophen und Elementarkräften in atemlosen Fluss, ebenso wie die lyrischen Passagen in emotionaler Klarheit erleuchteten.
Manch einer mag die Päuschen zwischen den 49 Nummern als musikalisches Nichts betrachten: Aber Bernius' sehr genaue Pulsierung des gut zwei Stunden langen Werks beginnt schon in dieser allerkleinsten Zelle der Komposition und ihrer perfekten Timung.
Der Kammerchor Stuttgart überzeugte an diesem Abend auch durch seine jung besetzte Sopranfraktion, von der keine einzige Schrillheit zu hören war. Weich und klangschön auch in der Höhe fügte sie sich ein in klangverschmelzende Vierstimmigkeit oder stellte zusammen mit den anderen Stimmgruppen durch geschmeidige, farbige Linienführung Mendelssohns polyphone Kunst in das beste Licht. Klar und brillant gelangen die dramatischen Klage- und Wut-Chöre. Mit Empathie und orchestraler Bildkraft sorgte die Klassische Philharmonie Stuttgart für sinfonischen Drive. Fantastisch auch die Solisten: Altistin Renée Morloc gestaltete ihre unterschiedlichen Rollen erhaben und mit dunklen, ans Herz gehenden Stimmfarben. Tenor Tilman Lichdi blieb auch in der Höhe stets kräftig, strahlend und klar. Sopran Johanna Winkel überzeugte durch ihr warmes Timbre auch in der Höhe, Matthias Rempp vom Knabenchor collegium iuvenum erfreute durch die hochprofessionelle Umsetzung seiner kleinen Rolle. Die große Partie des Elias gestaltete Michael Volle stimmlich souverän, mit geerdeter, kraftvoller Baritonstimme. In seiner Interpretation wirkte der finstere Prophet vielleicht ein bisschen zu gütig. Elias' Unerbittlichkeit, die latente Gewalttätigkeit, die in der Aufforderung zum Morden der Baal-Priester offenbar wird, blieb dadurch verdeckt.
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 2. Januar 2013. Das Konzert fand statt am 30. Dezember.
eduarda - 2. Jan, 10:39