Dienstag, 8. Januar 2013

Schöner Schall

Stuttgarter Kammerorchester mit Harfen-Star Xavier de Maistre in der Stuttgarter Liederhalle

Stuttgart - „Geklimper der Engel“ nennen böse Zungen gerne die Klangwelt der Harfe. Seit Jahren arbeitet der französische Harfenist Xavier de Maistre emsig daran, diesen und anderen Klischees, die sein In­strument betreffen, endlich den Garaus zu machen. Mit brillanter Technik und hoher Musikalität verhilft er in unterschiedlichsten Projekten, Fernsehauftritten und einer umfangreichen Bearbeitungspraxis seinem in der Musikgeschichte solistisch so vernachlässigten Instrument zu weltweiter Popularität. Und dass er ausgesprochen fesch aussieht, schadet ihm dabei sicherlich auch nicht.

Im Dreikönigskonzert des Stuttgarter Kammerorchesters (SKO) in der Leitung Michael Hofstetters brachte der 39-Jährige mit seinem Spiel nun das Publikum im hiesigen Beet­hovensaal ganz aus dem Häuschen. Dem war es dabei offensichtlich ziemlich egal, dass der schöne Zupfer sich bei der Auswahl seiner Stücke selbst ein Schnippchen schlug - zumindest was die weitverbreiteten Harfenklischees betrifft. Denn seine Bearbeitung des Mozart'schen F-Dur-Klavierkonzerts KV 459 für Harfe und Orchester demonstrierte zunächst eindrücklich gerade die Defizite seines Instruments: Zwar verfügt es über einen fast so großen Tonumfang wie das Klavier und ist wie dieses zur Mehrstimmigkeit befähigt.

Doch sind seine Artikulationsmöglichkeiten fast ganz eingeschränkt aufs Legato. Und gemessen an ihrer Größe ist die Harfe die Leisetreterin unter den Instrumenten. Ihr Klang ist unbestimmt und schmelzend, ihre Klangqualitäten liegen in zart-silbrigem Verwehen, in hell-glänzendem Rauschen, in wilden Kaskaden. Abseits von schnellen Arpeggi und Glissandi lassen sich typische klavieristische Virtuositäten also nicht wirklich befriedigend - das heißt mit Mehr- oder Gleichwert - vom Tasteninstrument auf die Harfe übertragen. Als Melodieinstrument gerät sie gegenüber dem Klavier vollends ins Hintertreffen, sowohl was die Phrasierung angeht als auch die Schönheit des Tones, der beim Anreißen der Saiten schnell schrill und scharf wird. Von daher flachte die Bearbeitung gegenüber dem Original bald ab und entpuppte sich als schöner Schall bemühter Harfenartistik.

Dass es kein Zufall ist, dass Mozart es angesichts der ihm damals zur Verfügung stehenden Spieltechniken für unnötig befand, dem Instrument ein Solokonzert zu widmen, mag daher nicht verwundern. Wie Mozart das Problem löste, wenn er es dennoch tun musste, davon konnte man sich anschließend in seinem Konzert für Flöte, Harfe und Orchester - einem Auftragswerk - auf spannende Weise Einblick verschaffen: Nun steuerte die Flötenvirtuosin Magali Mosnier dem Star-Harfenisten die nötigen geschmeidigen Tongirlanden und Melodien bei, die de Maistre vorteilhaft in rauschende Gewänder kleidete oder mit zärtlichen Echos und luzidem Nachhall umspielte.

Auch der Rest des Konzerts, das mit unnötigen verbalen Lobhudeleien für das Orchester durch den scheidenden Stuttgarter OB Schuster und den SKO-Intendanten Laubichler begonnen hatte, zeigten das SKO und seinen musikalischen Leiter Michael Hofstetter, der nach dieser Saison Stuttgart verlassen wird, in ungewohnter musikalischer Eintracht. Inwiefern allerdings die neue SKO-Konzertmeisterin Susanne von Gutzeit am präzisen, lebendigen und schön phrasierten Zusammenspiel des SKO in Beethovens „Prometheus“-Ouvertüre und Schuberts Jugendsinfonie Nr. 3 Verantwortung trug, darüber kann nur spekuliert werden.

Besprechung für die Eßlinger Zeitung vom 8. Januar 2013. Das Konzert fand statt am 6. Januar.

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