Montag, 10. Juni 2013

Geliebtes Leid

Die Mezzosopranistin Cecilia Bartoli bei den Ludwigsburger Festspielen

Ludwigsburg - Die raffinierte Mischung aus zart gezeichneten Trauergesängen, extrovertierten Koloraturenkanonaden und Virtuosenwettstreit zieht bei Cecilia Bartoli immer. Auch im nicht ausverkauften Ludwigsburger Forum, wo die schöne Römerin jetzt im Rahmen der Schlossfestspiele auftrat, wurde der Jubel des Publikums von Nummer zu Nummer immer frenetischer, bis am Ende geschlossen stehende Ovationen vier Zugaben einforderten. Und das für ein Programm, das erst in der Zugabe einen Hit brachte: Händels "Lascia la spina".

Ansonsten machte es die Bartoli ernst mit ihrer "Mission", wie sie ihr derzeitiges CD-Tournee-Projekt übertitelt hat, und sang ausschließlich Musik von Agostino Steffani, dem von ihr über alles geliebten und "neuentdeckten", aber eigentlich gar nicht so unbekannten italienischen Opernkomponisten und Diplomaten. Steffani, geboren 1654 in Venetien und gestorben 1728 in Frankfurt am Main, gilt als Barockgenie, und seine ganz besondere Qualität zeigte sich vor allem in den langsamen Arien: Von irisierender Schönheit, Weltentrücktheit und Schwerelosigkeit etwa "Sfere amiche" aus der Oper "Niobe, regina di Tebe", verträumt und introvertiert dahingehaucht von der Bartoli, die hier fragil und mehr mit Stimmfarben gestaltete als mit deutlich gesungenen Tönen. Sicherlich der stärkste Moment im Konzert, leider aber durch störend unterlegtes Glöckchengeklingel verkitscht. Stark auch immer wieder die Trauergesänge wie "Foschi crepuscoli" aus der Oper "La libertà contenta": Weil die Bartoli am berührendsten und eindringlichsten im tiefen Register gestaltet, scheinen ihr die Themen Tod, Einsamkeit und unstillbare Sehnsucht besonders zu liegen.

Kontraste setzten Wut- und Triumpharien, in denen die charismatische Mezzosopranistin durch virtuoses Koloraturenrattern punktete. Schön klang das nicht immer, dafür aber sehr rasant und kokett. Ihre Fans lieben das, dieses "Schneller, Höher, Weiter". Und auch der humoristische Wettstreit mit dem hervorragenden Trompeter Thibaud Robbine, der die Diva mit eigenen Melodien, Verzierungen und Farben herausforderte, die sie dann perfekt imitierte, darf wohl als Geschenk an das treue Publikum verstanden werden.

Bartoli hatte das feine, auch solistisch sehr starke Alte-Musik-Ensemble "I Barocchisti" mitgebracht, das in der Leitung des sportlich agierenden, gerne in die Höhe hüpfenden Diego Fasolis wahrlich einfühlsam und sorgfältig geformt begleitete – mal auftrumpfend, mal rhythmisch explosiv, dann wieder meditativ und Farben malend. Schatten und Licht offenbarten sich am schönsten in "Notte amica" aus "La libertà contenta".

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 10. Juni 2013. Das Konzert fand statt am 8. Juni.

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