Karikatur eines Schürzenjägers
Andrés Orozco-Estrada dirigiert das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart
Stuttgart - Andrés Orozco-Estrada macht viel Wirbel beim Dirigieren: zuckt, schäkert, schlägt kraftvoll und zackig den Takt, spielt dem Orchester musikalische Gesten detailliert vor - und das alles im rasenden Wechsel, feingliedrig, hoch konzentriert, athletisch und tänzerisch. So genau macht der kolumbianische Dirigent klar, was er will, dass man die Musik vielleicht sogar im Geiste vernehmen könnte, wenn das Orchester stumm bliebe.
Auf der Erfolgsleiter
Und der Mittdreißiger hat Erfolg mit seinen musikalischen Vorstellungen, macht derzeit Weltkarriere. Er übernimmt 2014 das Houston Symphony Orchestra, außerdem das Orchester des Hessischen Rundfunks in Frankfurt. Sein Name wird sogar ehrfurchtsvoll in Sachen Nachfolge von Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern geflüstert.
Im voll besetzten Stuttgarter Beethovensaal war Orozco-Estrada nun wieder einmal mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart (RSO) zu sehen und zu hören. Am besten kam man in der final gespielten Tondichtung „Don Juan“ von Richard Strauss zusammen. Der sympathische Kolumbianer entfachte einen wahren sinfonischen Exzess, hielt die hitzige, dionysische Gestik des Beginns, der den Protagonisten als einen aggressiv rasenden Verführer in Szene setzt, bis zum verglimmenden, entkräfteten Schluss durch und trieb damit Strauss‘ deftige, zwischen Triumph und orgiastischen Steigerungswellen changierende Musik auf die Spitze, ja forcierte alles noch und machte aus dem Draufgänger und Jäger einen wilden, irren Hengst - also eine Karikatur. Der in Sachen Lautstärke und Tempo vorherrschende orchestrale Überdruck führte dazu, dass die Episoden, die sich in Gestalt kapriziöser, schwärmerischer Violinsoli oder seufzender Oboengesänge den Opfern des Wollüstlings widmen, extrem gedehnt, nicht ganz von dieser Welt und damit als Fremdkörper wirkten. Übertreibung und Dauergedröhne also statt klanglichem Glanz, sinfonischer Logik und Transparenz.
Als müsse man sich für dieses anstrengende Finale Kräfte sparen, hatte Beethovens zweites Klavierkonzert von Seiten des Orchesters geradezu brav und zahm gewirkt. Akkurat, aber etwas gelangweilt begleitete das RSO den zierlichen Pianisten Martin Helmchen, der dieses apollinisch schlanke Werk fein und lebendig phrasierte, es durch leicht perlende Läufen und lyrischen Klaviergesang adelte. Dazu passte Robert Schumanns „Vogel als Prophet“ als einfühlsam, poetisch und plastisch gespielte Zugabe.
Schöne Momente statt innerer Logik
Was die beiden anderen Werke betraf, Antonín Dvoráks Märchenkrimi „Die Mittagshexe“ und Leoš Janáceks sinfonische Vertonung der ukrainischen Sage vom heldischen Kosaken „Taras Bulba“, fehlte Orozco-Estrada ein wenig das Händchen für die stringente Entwicklung innerer Logik, weswegen die Tondichtungen gelegentlich drohten, in zweifellos sehr schön und farbig gespielte atmosphärische Momente zu zerfallen.
Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 2. Juli 2013. Das Konzert fand statt am 28. Juni.
Stuttgart - Andrés Orozco-Estrada macht viel Wirbel beim Dirigieren: zuckt, schäkert, schlägt kraftvoll und zackig den Takt, spielt dem Orchester musikalische Gesten detailliert vor - und das alles im rasenden Wechsel, feingliedrig, hoch konzentriert, athletisch und tänzerisch. So genau macht der kolumbianische Dirigent klar, was er will, dass man die Musik vielleicht sogar im Geiste vernehmen könnte, wenn das Orchester stumm bliebe.
Auf der Erfolgsleiter
Und der Mittdreißiger hat Erfolg mit seinen musikalischen Vorstellungen, macht derzeit Weltkarriere. Er übernimmt 2014 das Houston Symphony Orchestra, außerdem das Orchester des Hessischen Rundfunks in Frankfurt. Sein Name wird sogar ehrfurchtsvoll in Sachen Nachfolge von Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern geflüstert.
Im voll besetzten Stuttgarter Beethovensaal war Orozco-Estrada nun wieder einmal mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart (RSO) zu sehen und zu hören. Am besten kam man in der final gespielten Tondichtung „Don Juan“ von Richard Strauss zusammen. Der sympathische Kolumbianer entfachte einen wahren sinfonischen Exzess, hielt die hitzige, dionysische Gestik des Beginns, der den Protagonisten als einen aggressiv rasenden Verführer in Szene setzt, bis zum verglimmenden, entkräfteten Schluss durch und trieb damit Strauss‘ deftige, zwischen Triumph und orgiastischen Steigerungswellen changierende Musik auf die Spitze, ja forcierte alles noch und machte aus dem Draufgänger und Jäger einen wilden, irren Hengst - also eine Karikatur. Der in Sachen Lautstärke und Tempo vorherrschende orchestrale Überdruck führte dazu, dass die Episoden, die sich in Gestalt kapriziöser, schwärmerischer Violinsoli oder seufzender Oboengesänge den Opfern des Wollüstlings widmen, extrem gedehnt, nicht ganz von dieser Welt und damit als Fremdkörper wirkten. Übertreibung und Dauergedröhne also statt klanglichem Glanz, sinfonischer Logik und Transparenz.
Als müsse man sich für dieses anstrengende Finale Kräfte sparen, hatte Beethovens zweites Klavierkonzert von Seiten des Orchesters geradezu brav und zahm gewirkt. Akkurat, aber etwas gelangweilt begleitete das RSO den zierlichen Pianisten Martin Helmchen, der dieses apollinisch schlanke Werk fein und lebendig phrasierte, es durch leicht perlende Läufen und lyrischen Klaviergesang adelte. Dazu passte Robert Schumanns „Vogel als Prophet“ als einfühlsam, poetisch und plastisch gespielte Zugabe.
Schöne Momente statt innerer Logik
Was die beiden anderen Werke betraf, Antonín Dvoráks Märchenkrimi „Die Mittagshexe“ und Leoš Janáceks sinfonische Vertonung der ukrainischen Sage vom heldischen Kosaken „Taras Bulba“, fehlte Orozco-Estrada ein wenig das Händchen für die stringente Entwicklung innerer Logik, weswegen die Tondichtungen gelegentlich drohten, in zweifellos sehr schön und farbig gespielte atmosphärische Momente zu zerfallen.
Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 2. Juli 2013. Das Konzert fand statt am 28. Juni.
eduarda - 4. Jul, 11:50