Dienstag, 14. September 2010

Berauschend

Musikfest Stuttgart: Robert Schumanns chorsinfonisches Opus „Das Paradies und die Peri“

Stuttgart - An seltsamem Personal ist die romantische Literatur ja reich. Aber was ist eine Peri? In der persischen Mythologie ist sie ein Luftgeisterwesen, das wegen seiner sündigen Vergangenheit aus dem Paradies verstoßen wurde. Kein Wunder, dass diese exotische Kreatur einem hierzulande nicht geläufig ist. Sie entstammt nämlich der 1817 erstmals erschienenen Märchendichtung „Lalla Rookh“ des irischen Schriftstellers Thomas Moore, die in deutschsprachigen Gefilden so gut wie unbekannt blieb. Robert Schumann aber fiel sie in die Hände, und er zeigte sich derart begeistert davon, dass er im Jahre 1843 vier Verserzählungen aus diesem Buch, dessen Rahmenhandlung die Reise einer indischen Prinzessin zu ihrem zukünftigen Gatten erzählt, zur Grundlage eines 100-minütigen chorsinfonischen Werkes machte: „Das Paradies und die Peri“ bezeichnete Schumann zunächst als „Oratorium, aber nicht für den Betsaal - sondern für heitere Menschen“. Bald nahm er aber Abstand von dieser Gattungsbezeichnung und sprach nur noch schlicht von einem „neuen Genre für den Concertsaal“.

Beim Musikfest, das sich in einem Programmstrang auch selten aufgeführten Werken Schumanns widmet, konnte man „Das Paradies und die Peri“ jetzt im leider nur schwach besuchten Beethovensaal hören.

Das Libretto spart nicht an Kuriositäten: Die verstoßene Peri muss, um sich ihren Platz im Paradies zurückzuerobern, „des Himmels liebste Gabe“ bringen. Keine leichte Aufgabe: Der letzte Blutstropfen eines sterbenden Freiheitskämpfers, der letzte Atemhauch einer Jungfrau, die freiwillig ihrem Geliebten in den Tod folgt, reichen noch lange nicht. Erst die Reuetränen eines Verbrechers öffnen ihr endlich Pforten zum Himmel.
Exotische Harmonik

Die Musik, die Schumann zu diesem Erlösungsdrama schrieb, ist allerdings berauschend und dürfte für jeden, der sie vorher noch nicht kannte, eine Entdeckung sein. Der Komponist verzichtete auf oratorientypische Rezitative und verteilte die Erzählerpartie auf die Gesangssolisten, auf Solistenensembles und den Chor. Das sorgt für quirlige Abwechslung und einen ungeheuren Hörsog, der auch durch die dramatische, an exotischer Harmonik und grellen Klangeffekten nicht sparende sinfonische Arbeit erzeugt wird. Für die ungeheure Wirkung des Werks waren natürlich die an diesem Abend Musizierenden verantwortlich. Daniel Reuss dirigierte als Gast die Stuttgarter Philharmoniker, denen - abgesehen von ein paar intonatorischen Patzern in den Violinen - ein zwischen Streichern und Bläserapparat äußerst ausgewogenes Klangbild glückte, in dem die oft exotischen Instrumentenmixturen wunderbar zur Geltung kamen.

Der Estnische Philharmonische Kammerchor, seit 2008 unter der künstlerischen Leitung von Reuss, überzeugte durch dramatische ­Energie, homogenen und reinen Zusammenklang. Unter dem siebenköpfigen Solistenensemble beeindruckte vor allem der junge Tenor Maximilian Schmitt mit seinem warmen, farbigen Timbre und geschmeidigen Phrasierungen. Altistin Marianne Beate Kielland war eine ausdrucksstarke, einfühlsame Erzählerin, und Sopranistin Simone Schneider als Peri meisterte die enorm anspruchsvolle Partie höhensicher, in allen Registern souverän gestaltend und konnte sich stets problemlos über das oft gewaltige Orchestertutti hinwegsetzen.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 14.9.2010. Das Konzert fand statt am 12.9.

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