Das Dunkel lässt nicht mit sich reden
"Schwanengesänge"-Liederabend mit Christoph Prégardien und Siegfried Mauser in der Stuttgarter Staatsoper
Stuttgart - Wenn von Waldeinsamkeit, rauschenden Bächlein und Mondesschimmer die Rede ist und von einer Gegenstandswelt, die sich langsam entgrenzt, um sich in Farben, Poesie und Töne aufzulösen, dann ist der Tenor Christoph Prégardien der richtige Mann. Dementsprechend atmosphärisch eindringlich und verzaubernd gelang ihm Schumanns Liederkreis op. 39 auf Eichendorff-Gedichte, der die zweite Hälfte seines Liederabends in der Staatsoper darstellte. Prégardiens Stimmfarben, die Art seiner Phrasierung und dynamischen Gestaltung trafen den Tonfall der Naturlyrik Eichendorffs sehr genau – und damit auch der Schumannschen Vertonung, die wie alle Kunstlieder komponierte Interpretation des Textes ist. Prégardien ließ die Töne mit baritonaler Wärme erblühen, horchte ihnen nach, tränkte sie in unstillbare Sehnsucht und in Staunen über die geheimnisvollen Vorgänge, die das lyrische Ich im Zustand zwischen Traum und Bewusstheit umgeben – wie etwa in der berühmten "Mondnacht".
Ja, Eichendorff liegt Prégardien. Bei Heinrich Heine sieht das freilich anders aus. Aus Schuberts posthum zusammengestellter Liedersammlung "Schwanengesang" hatte sich der Tenor aber just die Heine-Vertonungen ausgesucht. Hier fehlte es seiner Interpretation an jenen Zwischentönen, die nötig sind, um ironische Brüche und vor allem die Nachtseiten der menschlichen Seele hörbar zu machen, die Schubert hier so kongenial in Klänge fasst – wie etwa im "Doppelgänger": Prégardien suchte mit großem Stimmaufwand das Grauen fühlbar zu machen, dass den Protagonisten überfällt, wenn es dem Schreckbild seines eigenen Ichs gegenübertritt. Doch mehr als Schauerromantik wollte sich nicht vermitteln.
Auch Wolfgang Rihms Heiner-Müller-Zyklus "Ende der Handschrift" blieb in dieser Hinsicht interpretatorisch eindimensional, weil Prégardien für diese zerbrechlichen Seelenbilder, die von Todesangst und -ahnung sprechen, keine anderen Ausdrucksmittel fand als für Schubert und Schumann und zudem immer wieder in einen leicht pathetischen Ton verfiel. Phänomenal aber auch hier sein Mann am Klavier, Siegfried Mauser, der das "Zauberwort" in allen drei Werken traf und dem singenden lyrischen Ich in Farben, Gesten und Tonmalereien stets Spiegel der Seele war.
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 13.11.2012. Das Konzert fand statt am 11.11.
Stuttgart - Wenn von Waldeinsamkeit, rauschenden Bächlein und Mondesschimmer die Rede ist und von einer Gegenstandswelt, die sich langsam entgrenzt, um sich in Farben, Poesie und Töne aufzulösen, dann ist der Tenor Christoph Prégardien der richtige Mann. Dementsprechend atmosphärisch eindringlich und verzaubernd gelang ihm Schumanns Liederkreis op. 39 auf Eichendorff-Gedichte, der die zweite Hälfte seines Liederabends in der Staatsoper darstellte. Prégardiens Stimmfarben, die Art seiner Phrasierung und dynamischen Gestaltung trafen den Tonfall der Naturlyrik Eichendorffs sehr genau – und damit auch der Schumannschen Vertonung, die wie alle Kunstlieder komponierte Interpretation des Textes ist. Prégardien ließ die Töne mit baritonaler Wärme erblühen, horchte ihnen nach, tränkte sie in unstillbare Sehnsucht und in Staunen über die geheimnisvollen Vorgänge, die das lyrische Ich im Zustand zwischen Traum und Bewusstheit umgeben – wie etwa in der berühmten "Mondnacht".
Ja, Eichendorff liegt Prégardien. Bei Heinrich Heine sieht das freilich anders aus. Aus Schuberts posthum zusammengestellter Liedersammlung "Schwanengesang" hatte sich der Tenor aber just die Heine-Vertonungen ausgesucht. Hier fehlte es seiner Interpretation an jenen Zwischentönen, die nötig sind, um ironische Brüche und vor allem die Nachtseiten der menschlichen Seele hörbar zu machen, die Schubert hier so kongenial in Klänge fasst – wie etwa im "Doppelgänger": Prégardien suchte mit großem Stimmaufwand das Grauen fühlbar zu machen, dass den Protagonisten überfällt, wenn es dem Schreckbild seines eigenen Ichs gegenübertritt. Doch mehr als Schauerromantik wollte sich nicht vermitteln.
Auch Wolfgang Rihms Heiner-Müller-Zyklus "Ende der Handschrift" blieb in dieser Hinsicht interpretatorisch eindimensional, weil Prégardien für diese zerbrechlichen Seelenbilder, die von Todesangst und -ahnung sprechen, keine anderen Ausdrucksmittel fand als für Schubert und Schumann und zudem immer wieder in einen leicht pathetischen Ton verfiel. Phänomenal aber auch hier sein Mann am Klavier, Siegfried Mauser, der das "Zauberwort" in allen drei Werken traf und dem singenden lyrischen Ich in Farben, Gesten und Tonmalereien stets Spiegel der Seele war.
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 13.11.2012. Das Konzert fand statt am 11.11.
eduarda - 14. Nov, 00:28