Das ist Romantik
Frieder Bernius dirigiert Burgmüller und Mendelssohn

Stuttgart - Man könnte es als eine symbolische Geste deuten, dass der Pianist Tobias Koch zwischen den Sätzen ein wenig Staub vom Notenständer des Bösendorfer-Hammerflügels pustete, als seien es Sandkörnchen, die von den musikalischen Ausgrabungen des Dirigenten Frieder Bernius liegengeblieben sind. Den Namen des frühverstorbenen Norbert Burgmüller und dessen Klavierkonzert in fis-Moll, das Bernius an diesem Abend zur Aufführung brachte, dürften jedenfalls nicht viele Zuhörer im voll besetzten Konzertsaal der Stuttgarter Musikhochschule schon mal gehört haben.
Was der 19-jährige Burgmüller 1828/29 komponierte, ist kein Virtuosenschmankerl, sondern ein sinfonisch ambitioniertes Konzert. In hörbarer Kenntnis des 5. Klavierkonzerts Beethovens und lange vor Brahms lässt er hier den Solopart eng mit dem Orchester zusammenarbeiten und verzichtet auf Solo-Kadenzen. Alles ist auf motivisch-thematische Vernetzung und Kommunikation ausgerichtet: Der wilde eruptive Kopfsatz und seine Verschachtelung von pianistischer Seufzermotivik und nervös drängenden Orchestereinwürfen, der Mittelsatz und sein elegischer Zwiegesang von Solo-Cello und Klavier, vor allem aber das ausladende Finale, das das solistische Tiraden- und Kaskadenwerk kunstvoll mit dem Orchestersatz verflechtet. Ein Werk, dem man einen festen Platz im Konzertrepertoire wünscht.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Hammerklavierexperten Tobias Koch und der historisch informierten Hofkapelle Stuttgart glückte auch in den metrisch heiklen Abschnitten. Besondere Klangeffekte ergaben sich aus der ungewohnt weitgehenden Verschmelzung von Klavier- und Orchesterklang – einer der wenigen Vorteile, die der Hammerflügel gegenüber einem modernen Instrument hat.
Dass das Orchester mit der oft fein gesplitteten Instrumentation Burgmüllers nicht ganz zurechtkam, klanglich gelegentlich etwas auseinanderdriftete und auch nicht jedes Solo lupenrein gelang, war nach der Pause schnell vergessen. Jetzt offenbarte Bernius wieder einmal seine besondere Affinität zu Mendelssohn: Ein frischer Wind zog durch den Saal, als dessen Schottische Sinfonie für stürmische Wechsel von Schatten und Licht, krasse und intensive Klanglichkeit sorgte. Nicht zu schön, mehr naturhaft rau und wild, dabei leicht und luftig spielte die Hofkapelle. Das ist Romantik!
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten von heute. Das Konzert fand statt am 5. Februar 2010.

Stuttgart - Man könnte es als eine symbolische Geste deuten, dass der Pianist Tobias Koch zwischen den Sätzen ein wenig Staub vom Notenständer des Bösendorfer-Hammerflügels pustete, als seien es Sandkörnchen, die von den musikalischen Ausgrabungen des Dirigenten Frieder Bernius liegengeblieben sind. Den Namen des frühverstorbenen Norbert Burgmüller und dessen Klavierkonzert in fis-Moll, das Bernius an diesem Abend zur Aufführung brachte, dürften jedenfalls nicht viele Zuhörer im voll besetzten Konzertsaal der Stuttgarter Musikhochschule schon mal gehört haben.
Was der 19-jährige Burgmüller 1828/29 komponierte, ist kein Virtuosenschmankerl, sondern ein sinfonisch ambitioniertes Konzert. In hörbarer Kenntnis des 5. Klavierkonzerts Beethovens und lange vor Brahms lässt er hier den Solopart eng mit dem Orchester zusammenarbeiten und verzichtet auf Solo-Kadenzen. Alles ist auf motivisch-thematische Vernetzung und Kommunikation ausgerichtet: Der wilde eruptive Kopfsatz und seine Verschachtelung von pianistischer Seufzermotivik und nervös drängenden Orchestereinwürfen, der Mittelsatz und sein elegischer Zwiegesang von Solo-Cello und Klavier, vor allem aber das ausladende Finale, das das solistische Tiraden- und Kaskadenwerk kunstvoll mit dem Orchestersatz verflechtet. Ein Werk, dem man einen festen Platz im Konzertrepertoire wünscht.
Die Zusammenarbeit zwischen dem Hammerklavierexperten Tobias Koch und der historisch informierten Hofkapelle Stuttgart glückte auch in den metrisch heiklen Abschnitten. Besondere Klangeffekte ergaben sich aus der ungewohnt weitgehenden Verschmelzung von Klavier- und Orchesterklang – einer der wenigen Vorteile, die der Hammerflügel gegenüber einem modernen Instrument hat.
Dass das Orchester mit der oft fein gesplitteten Instrumentation Burgmüllers nicht ganz zurechtkam, klanglich gelegentlich etwas auseinanderdriftete und auch nicht jedes Solo lupenrein gelang, war nach der Pause schnell vergessen. Jetzt offenbarte Bernius wieder einmal seine besondere Affinität zu Mendelssohn: Ein frischer Wind zog durch den Saal, als dessen Schottische Sinfonie für stürmische Wechsel von Schatten und Licht, krasse und intensive Klanglichkeit sorgte. Nicht zu schön, mehr naturhaft rau und wild, dabei leicht und luftig spielte die Hofkapelle. Das ist Romantik!
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten von heute. Das Konzert fand statt am 5. Februar 2010.
eduarda - 7. Feb, 13:26