Das Schwein hat "Muh!" gemacht
In der Komödie im Marquardt hat "Das andalusische Mirakel" Premiere

Stuttgart – Ja, ja, die Spanier. "Sie sitzen den ganzen Tag in der Sonne, und kämmen ihr Brusthaar." Das zumindest sagt Hubertus Heppelmann, wohlhabender WC-Deckel-Fabrikant aus dem Schwäbischen, den es wegen einer Autopanne in das andalusische Dörfchen San Miguel verschlagen hat. Er ist auf dem Weg zu seinem Anwalt, um sich von seiner Frau scheiden zu lassen, die ihm am Morgen ein Ei auf den Kopf gehauen hat, weil er die Silberne Hochzeit vergessen hat. Das konnte der Ignorant nicht auf sich sitzen lassen. In einer heruntergekommenen Herberge wartet Heppelmann, die Inkarnation des deutschen Spießers mit Handgelenksschleuder und weißen Socken in Sandalen, auf die Reparatur seines Wagens, bis das aufgedrehte Girlie Nelli – per Anhalter auf dem Weg an die Algarve zu ihrem "krass süßen" Benny, einem Surflehrer – in sein Leben platzt. Denn nur neben Heppelmann im Doppelbett ist noch Platz im ausgebuchten Hotel.
Stoff genug fürs Boulevardstück "Das andalusische Mirakel", das jetzt in der Stuttgarter Komödie im Marquardt Premiere hatte. Die Fallhöhe des ewigen Spießers ist hoch, die junge Quasselstrippe und Möchtegern-Animateurin hartnäckig, der deutsche Vorurteilskatalog in puncto Spanien umfangreich und der geschäftstüchtige Hotelwirt Juan hat einmal beim Daimler geschafft. Damit lässt sich eine Menge Situationskomik hochkochen, was den fernsehcomedygeschulten Autoren Lars Albaum und Dietmar Jacobs mit einem komödienbewährten Trick auch gelungen ist.
Denn Spanien wäre nicht katholisch, hätte nicht jedes Dorf sein Wunder. In San Miguel war es in grauer Vorzeit das Muhen einer Sau, ihr Outing als Kuh, das die Dörfler dazu veranlasst hat, neben den Bildnissen des Erzengels Michael nun anbetungswürdige Schweineskulpturen zu platzieren. Und es schlägt wieder zu, das Wunder. Mitten im schönsten Gezicke zwischen "dem miesepetrigen alten Mann" und dem "naiven Poesiealbum auf zwei Beinen" knallt man mit den Köpfen aneinander und – zack: sind die Körper getauscht.
Michael Hiller als grantelnder Mister Biedermann und Kim Zarah Langner als lispelnde Miss Sorglos spielen die Verwandlung lustvoll, mit Spielwitz, aber letztlich boulevardesk-klischeehaft, was beim Publikum allerdings gut ankommt. Er nun tuntig überdreht mit schrillem Organ, sie breitbeinig mit tiefgebügelter Stimme. Er mit rosa Schleifchen im hochgegelten Haar und im "Prinzessin"-Glitzer-Shirt, sie in Sandalen und Socken und weiterhin halbnackt (Ausstattung: Barbara Krott). Er knuddelt nun Nellis kulleräugiges Kuscheltier Boopsie, sie schlürft Klosterfrau. Er tanzt Hulahoop, sie hat's mit den Bandscheiben.
Das wäre schnell langweilig, wenn nicht überraschend die gestrenge Frau Heppelmann (Stephanie Theiß) und das "surfende Meerschweinchen" Benny (Raphael Grosch) auftauchen würden. Wie soll man denen nun klar machen, wer wer ist? Die doppelte Travestie treibt das Verwirrspiel auf die Spitze. Mal verstellt man sich, mal will man das Kuddelmuddel klären. Nelli spielt Heppelmann, der Nelli vortäuscht und umgekehrt. Heppelmann, jetzt Nelli, fällt verliebt über Benny her. Frau Heppelmann gesteht Nelli und damit ihrem Mann ihre unverbrüchliche Liebe. Irgendwann glauben's alle oder auch nicht, am Ende steht aber das unvermeidliche Happy-End inklusive Rückverwandlung und geläutertem Ehemann.
Intendant Manfred Langner hat die Komödie sehr quirlig und schnell inszeniert, was ihre Qualität, die Dichte an gut sitzenden Pointen und Wortwitzen, herausstellt und den Abend durchweg unterhaltsam hält. Die hanebüchenden Plattheiten und Klischees, mit denen Spanien als eine zwischen Fiesta und Siesta verharrende Ödnis dargestellt wird, werden durch das Tempo ein wenig überspielt. Wobei die Zuschauer in den Mitmach-Passagen zu "Mittätern" gemacht werden. Sie sorgen auf Kommando für eine "typisch spanische" Stimmung: mit "Zip-zip-zip"-Balzgeräuschen der Grillen, mit einem donnernden "Olé" und mit klappernden Kastagnetten. Und einer aus dem Publikum darf auf Fingerzeig immer wieder den Satz des faulen Womanizers und Auto-Mechanikers Antonio einwerfen: "No, no, Amigo, kein Riemenkeil da!" Einzig Luigi Scaranos sympathische und gewitzte Darstellung des Hoteliers sorgt für einen Punkt für Spanien. Auch wenn er am Ende dem Papst, den er nach etlichen Versuchen endlich an die Strippe bekommen hat, das neue Doppelwunder von San Miguel nicht wirklich verkaufen kann.
Rezension für die Eßlinger Zeitung von heute. Premiere war am 23. September.

Stuttgart – Ja, ja, die Spanier. "Sie sitzen den ganzen Tag in der Sonne, und kämmen ihr Brusthaar." Das zumindest sagt Hubertus Heppelmann, wohlhabender WC-Deckel-Fabrikant aus dem Schwäbischen, den es wegen einer Autopanne in das andalusische Dörfchen San Miguel verschlagen hat. Er ist auf dem Weg zu seinem Anwalt, um sich von seiner Frau scheiden zu lassen, die ihm am Morgen ein Ei auf den Kopf gehauen hat, weil er die Silberne Hochzeit vergessen hat. Das konnte der Ignorant nicht auf sich sitzen lassen. In einer heruntergekommenen Herberge wartet Heppelmann, die Inkarnation des deutschen Spießers mit Handgelenksschleuder und weißen Socken in Sandalen, auf die Reparatur seines Wagens, bis das aufgedrehte Girlie Nelli – per Anhalter auf dem Weg an die Algarve zu ihrem "krass süßen" Benny, einem Surflehrer – in sein Leben platzt. Denn nur neben Heppelmann im Doppelbett ist noch Platz im ausgebuchten Hotel.
Stoff genug fürs Boulevardstück "Das andalusische Mirakel", das jetzt in der Stuttgarter Komödie im Marquardt Premiere hatte. Die Fallhöhe des ewigen Spießers ist hoch, die junge Quasselstrippe und Möchtegern-Animateurin hartnäckig, der deutsche Vorurteilskatalog in puncto Spanien umfangreich und der geschäftstüchtige Hotelwirt Juan hat einmal beim Daimler geschafft. Damit lässt sich eine Menge Situationskomik hochkochen, was den fernsehcomedygeschulten Autoren Lars Albaum und Dietmar Jacobs mit einem komödienbewährten Trick auch gelungen ist.
Denn Spanien wäre nicht katholisch, hätte nicht jedes Dorf sein Wunder. In San Miguel war es in grauer Vorzeit das Muhen einer Sau, ihr Outing als Kuh, das die Dörfler dazu veranlasst hat, neben den Bildnissen des Erzengels Michael nun anbetungswürdige Schweineskulpturen zu platzieren. Und es schlägt wieder zu, das Wunder. Mitten im schönsten Gezicke zwischen "dem miesepetrigen alten Mann" und dem "naiven Poesiealbum auf zwei Beinen" knallt man mit den Köpfen aneinander und – zack: sind die Körper getauscht.
Michael Hiller als grantelnder Mister Biedermann und Kim Zarah Langner als lispelnde Miss Sorglos spielen die Verwandlung lustvoll, mit Spielwitz, aber letztlich boulevardesk-klischeehaft, was beim Publikum allerdings gut ankommt. Er nun tuntig überdreht mit schrillem Organ, sie breitbeinig mit tiefgebügelter Stimme. Er mit rosa Schleifchen im hochgegelten Haar und im "Prinzessin"-Glitzer-Shirt, sie in Sandalen und Socken und weiterhin halbnackt (Ausstattung: Barbara Krott). Er knuddelt nun Nellis kulleräugiges Kuscheltier Boopsie, sie schlürft Klosterfrau. Er tanzt Hulahoop, sie hat's mit den Bandscheiben.
Das wäre schnell langweilig, wenn nicht überraschend die gestrenge Frau Heppelmann (Stephanie Theiß) und das "surfende Meerschweinchen" Benny (Raphael Grosch) auftauchen würden. Wie soll man denen nun klar machen, wer wer ist? Die doppelte Travestie treibt das Verwirrspiel auf die Spitze. Mal verstellt man sich, mal will man das Kuddelmuddel klären. Nelli spielt Heppelmann, der Nelli vortäuscht und umgekehrt. Heppelmann, jetzt Nelli, fällt verliebt über Benny her. Frau Heppelmann gesteht Nelli und damit ihrem Mann ihre unverbrüchliche Liebe. Irgendwann glauben's alle oder auch nicht, am Ende steht aber das unvermeidliche Happy-End inklusive Rückverwandlung und geläutertem Ehemann.
Intendant Manfred Langner hat die Komödie sehr quirlig und schnell inszeniert, was ihre Qualität, die Dichte an gut sitzenden Pointen und Wortwitzen, herausstellt und den Abend durchweg unterhaltsam hält. Die hanebüchenden Plattheiten und Klischees, mit denen Spanien als eine zwischen Fiesta und Siesta verharrende Ödnis dargestellt wird, werden durch das Tempo ein wenig überspielt. Wobei die Zuschauer in den Mitmach-Passagen zu "Mittätern" gemacht werden. Sie sorgen auf Kommando für eine "typisch spanische" Stimmung: mit "Zip-zip-zip"-Balzgeräuschen der Grillen, mit einem donnernden "Olé" und mit klappernden Kastagnetten. Und einer aus dem Publikum darf auf Fingerzeig immer wieder den Satz des faulen Womanizers und Auto-Mechanikers Antonio einwerfen: "No, no, Amigo, kein Riemenkeil da!" Einzig Luigi Scaranos sympathische und gewitzte Darstellung des Hoteliers sorgt für einen Punkt für Spanien. Auch wenn er am Ende dem Papst, den er nach etlichen Versuchen endlich an die Strippe bekommen hat, das neue Doppelwunder von San Miguel nicht wirklich verkaufen kann.
Rezension für die Eßlinger Zeitung von heute. Premiere war am 23. September.
eduarda - 26. Sep, 19:38