Freitag, 20. Mai 2011

Den Wald vor lauter Bäumen nicht

Philharmonia Orchestra und Lorin Maazel in der Stuttgarter Liederhalle

Stuttgart - Die Geigerin Janine Jansen wirkte inmitten des dichten Schwarz in Schwarz des riesig besetzten Philharmonia Orchestras wie verloren in einem tiefen, dunklen Wald. Nun ist der Wald zwar ein symbolkräftiger Ort für den Romantiker, doch Mendelssohns Violinkonzert verträgt die fette Grundierung, wie sie dann aus dem Klangkörper herausschallte, überhaupt nicht. Das Werk gehört vor allem wegen seiner mitreißenden, eingängigen Melodik zu den beliebtesten Solokonzerten und verlangt deshalb nach einer klassisch-lichten Klanglichkeit.

Beim letzten "Meisterkonzert" der Saison im vollbesetzten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle konnte Janine Jansen deshalb noch so innig, noch so genau formend und in den schönsten dynamischen Schattierungen und Farben in die Saiten greifen. Der meist zu aufdringliche Orchestersound übertünchte viele ihrer inspiriert herausgearbeiteten Feinheiten. Unter Lorin Maazels Leitung mutierte selbst die filigrane, flirrende Elfenmusik des Finales zum Marsch einer ganzen Gnomenarmee. Warum man Mendelssohn die Mahler-Besetzung aufgezwungen hatte, bleibt ein Rätsel.

Und auch Gustav Mahlers Fünfte Sinfonie fesselte nur dann, wenn es um satte Breitwandklanglichkeit ging wie im berühmten Adagietto. Lorin Maazel gelang es aber nicht, den Satz ins Ganze zu integrieren. Der blieb ein süffig-trunkener Fremdkörper. Überhaupt fehlte der Aufführung ein straffer Spannungsbogen – auch wegen oft irritierend schleppender Tempi. Zur Ausschöpfung aller sinfonischen Mittel, mit denen Mahler bekanntermaßen eine Welt aufbauen wollte, ließ sich das Philharmonia Orchestra durch Maazel nicht animieren. Das aber ist Voraussetzung für eine spannende Mahler-Interpretation.

Kurzkritik für die Stuttgarter Nachrichten vom 23. Mai 2011. Das Konzert fand statt am 20. Mai.

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