Ein schwarzer Tag für die Musikkultur im reichen Baden-Württemberg
SWR-Rundfunkrat beschließt Orchesterfusion
Mainz/Stuttgart/Freiburg - Der barbarische Plan ist erwartungsgemäß Realität geworden: Die Fusion der beiden SWR-Orchester ist jetzt beschlossene Sache. In Baden-Württemberg soll es künftig nur noch ein Rundfunkorchester geben. Der Rundfunkrat, das oberste Gremium des Südwestrundfunks, beschloss gestern in Mainz mit deutlicher Mehrheit die Fusion des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart und des Sinfonieorchesters Baden-Baden/Freiburg. Der Standort des zukünftigen Orchesters ist wie so vieles andere noch unklar. Die Zwangsvereinigung soll 2016 eingeleitet werden und fünf Millionen Euro pro Jahr einsparen. Damit entschied sich der Sender gegen den Erhalt zweier bestens aufgestellter Spitzenorchester und vernachlässigt auf diese Weise weiter seinen Programmauftrag kultureller Vermittlung zugunsten von Mehrheitsfähigkeit und Quoten.
Der SWR hat sich zwar verpflichtet, keine Musiker zu entlassen. Der Abschmelzungsprozess wird durch Abgänge wie Ruhestand und Wegbewerbungen am Laufen gehalten. Der Aufbau und die Entwicklung hin zu einem neuen aufeinandereingespielten, perfekt harmonisierenden "Super-Orchester", von dem die Verantwortlichen reden, dürften aber Jahre in Anspruch nehmen.
Die Fusionsentscheidung entspricht der allgemeinen Tendenz in Deutschland zum Kulturabbau im Zeichen eines geistfernen, kapitalistisch motivierten Quoten- und Leistungsdenkens. Für die Orchesterszene heißt das: In den letzten 20 Jahren wurden von 168 Orchestern 37 abgewickelt oder fusioniert. Kulturzerstörungen, die sich niemals wieder rückbilden lassen.
Stimmen von Kollegen:
Lesen Sie hier (www.nmz.de) den aufschlussreichen Bericht von Juan Martin Koch zum Ablauf der SWR-Rundfunkratssitzung im Mainzer Kurfürstlichen Schloss.
Die Folgen des Beschlusses seien "schlicht barbarisch", kommentiert Martin Mezger heute in der Eßlinger Zeitung, aber sie seien nicht dem SWR allein anzulasten: "Dass im reichen Baden-Württemberg die beiden einzigen Weltklasse-Orchester des Landes nicht in bisheriger Form erhalten werden, geht auf die gemeinsame Verantwortung von Land, Städten und Sender. Denn längst sind die in der Frühzeit des Rundfunks entstandenen Orchester keine bloßen Lieferanten mehr fürs sendereigene Schallarchiv, sondern regionale Kulturträger mit globaler Ausstrahlung. Es ist ein jahrzehntealtes Versäumnis, für diesen Sachverhalt keine entsprechenden Trägerstrukturen geschaffen zu haben. Die Fusion ist die Quittung." Deren Folgen dürften "die Spitzenleistungen zweier Spitzenorchester kappen". Das entstehende Fusionsorchester tilge die jeweils durchaus unterschiedlichen Traditionen der beiden Klangkörper, zudem werde das Spar- und Fusionsziel nur durch Personalreduzierung erreicht: "Frei werdende Musikerstellen werden auf lange Zeit nicht neu besetzt. Die Konsequenz ist eine Überalterung hinter den Notenpulten, verschärft noch durch die Gefahr, dass gerade die besten Musiker von anderen Orchestern abgeworben werden."
Götz Thieme schreibt heute in der Stuttgarter Zeitung: "Wieder werden in Deutschland zwei Orchester zwangsfusioniert. Zuletzt ist die Neue Elbland Philharmonie in Riesa mit dem Orchester der Landesbühnen Sachsen in Radebeul unter Verlust von Musikerstellen zusammengelegt worden. Und wie fragwürdig diese Entscheidung auch immer gewesen sein mag - sie ist nichts gegen die Stuttgarter Untat, die ein ganz anderes Kaliber hat. Es steht zu befürchten, dass mit dem gestrigen Votum der musik- und rundfunkpolitische Sündenfall eingetreten ist, der Nachahmer auf den Plan rufen wird.
Das Musikland Baden-Württemberg, das in der Fläche nach wie vor eine hervorragende Förderung bietet - man denke allein an die fünf Musikhochschulen, die vielen Musikschulen, die Popakademie, die Spitzenplätze beim Wettbewerb 'Jugend musiziert' -, verliert zwei erstklassige, ja, es verliert seine besten Orchester. Denn wie in zwanzig, fünfundzwanzig Jahren der aus beiden gebildete Klangkörper tatsächlich klingen wird, weiß keiner."
Mainz/Stuttgart/Freiburg - Der barbarische Plan ist erwartungsgemäß Realität geworden: Die Fusion der beiden SWR-Orchester ist jetzt beschlossene Sache. In Baden-Württemberg soll es künftig nur noch ein Rundfunkorchester geben. Der Rundfunkrat, das oberste Gremium des Südwestrundfunks, beschloss gestern in Mainz mit deutlicher Mehrheit die Fusion des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart und des Sinfonieorchesters Baden-Baden/Freiburg. Der Standort des zukünftigen Orchesters ist wie so vieles andere noch unklar. Die Zwangsvereinigung soll 2016 eingeleitet werden und fünf Millionen Euro pro Jahr einsparen. Damit entschied sich der Sender gegen den Erhalt zweier bestens aufgestellter Spitzenorchester und vernachlässigt auf diese Weise weiter seinen Programmauftrag kultureller Vermittlung zugunsten von Mehrheitsfähigkeit und Quoten.
Der SWR hat sich zwar verpflichtet, keine Musiker zu entlassen. Der Abschmelzungsprozess wird durch Abgänge wie Ruhestand und Wegbewerbungen am Laufen gehalten. Der Aufbau und die Entwicklung hin zu einem neuen aufeinandereingespielten, perfekt harmonisierenden "Super-Orchester", von dem die Verantwortlichen reden, dürften aber Jahre in Anspruch nehmen.
Die Fusionsentscheidung entspricht der allgemeinen Tendenz in Deutschland zum Kulturabbau im Zeichen eines geistfernen, kapitalistisch motivierten Quoten- und Leistungsdenkens. Für die Orchesterszene heißt das: In den letzten 20 Jahren wurden von 168 Orchestern 37 abgewickelt oder fusioniert. Kulturzerstörungen, die sich niemals wieder rückbilden lassen.
Stimmen von Kollegen:
Lesen Sie hier (www.nmz.de) den aufschlussreichen Bericht von Juan Martin Koch zum Ablauf der SWR-Rundfunkratssitzung im Mainzer Kurfürstlichen Schloss.
Die Folgen des Beschlusses seien "schlicht barbarisch", kommentiert Martin Mezger heute in der Eßlinger Zeitung, aber sie seien nicht dem SWR allein anzulasten: "Dass im reichen Baden-Württemberg die beiden einzigen Weltklasse-Orchester des Landes nicht in bisheriger Form erhalten werden, geht auf die gemeinsame Verantwortung von Land, Städten und Sender. Denn längst sind die in der Frühzeit des Rundfunks entstandenen Orchester keine bloßen Lieferanten mehr fürs sendereigene Schallarchiv, sondern regionale Kulturträger mit globaler Ausstrahlung. Es ist ein jahrzehntealtes Versäumnis, für diesen Sachverhalt keine entsprechenden Trägerstrukturen geschaffen zu haben. Die Fusion ist die Quittung." Deren Folgen dürften "die Spitzenleistungen zweier Spitzenorchester kappen". Das entstehende Fusionsorchester tilge die jeweils durchaus unterschiedlichen Traditionen der beiden Klangkörper, zudem werde das Spar- und Fusionsziel nur durch Personalreduzierung erreicht: "Frei werdende Musikerstellen werden auf lange Zeit nicht neu besetzt. Die Konsequenz ist eine Überalterung hinter den Notenpulten, verschärft noch durch die Gefahr, dass gerade die besten Musiker von anderen Orchestern abgeworben werden."
Götz Thieme schreibt heute in der Stuttgarter Zeitung: "Wieder werden in Deutschland zwei Orchester zwangsfusioniert. Zuletzt ist die Neue Elbland Philharmonie in Riesa mit dem Orchester der Landesbühnen Sachsen in Radebeul unter Verlust von Musikerstellen zusammengelegt worden. Und wie fragwürdig diese Entscheidung auch immer gewesen sein mag - sie ist nichts gegen die Stuttgarter Untat, die ein ganz anderes Kaliber hat. Es steht zu befürchten, dass mit dem gestrigen Votum der musik- und rundfunkpolitische Sündenfall eingetreten ist, der Nachahmer auf den Plan rufen wird.
Das Musikland Baden-Württemberg, das in der Fläche nach wie vor eine hervorragende Förderung bietet - man denke allein an die fünf Musikhochschulen, die vielen Musikschulen, die Popakademie, die Spitzenplätze beim Wettbewerb 'Jugend musiziert' -, verliert zwei erstklassige, ja, es verliert seine besten Orchester. Denn wie in zwanzig, fünfundzwanzig Jahren der aus beiden gebildete Klangkörper tatsächlich klingen wird, weiß keiner."
eduarda - 29. Sep, 11:31