Ein sinfonischer Paradiesvogel
Stuttgarter Philharmoniker wagen sich an Olivier Messiaens Turangalîla-Sinfonie
Stuttgart - An der monströsen Turangalîla-Sinfonie des französischen Komponisten Olivier Messiaen, entstanden zwischen 1946 und 1948, scheiden sich die Geister: Die einen sehen in ihr ein "interessantes Skandalon", weil sie in Zeiten, da Europa in Schutt und Asche lag, "mit Schwindel erregender Vitalität von maßlosen Freuden" künde. Die anderen bewundern ihre musikalische Riesenfarbpalette und die immense Energie, die sie verbreitet, aber auch ihre spirituelle Leuchtkraft.
Auch im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle, wo sich die Stuttgarter Philharmoniker am Sonntagabend diesem auch heute noch klanglich spektakulären 80-Minuten-Werk widmeten, spaltete sie das Publikum: Schon nach dem ersten Satz verließen die ersten Zuhörer den Saal. Und das ging so weiter bis zum zehnten und letzten Satz. Am Ende aber waren noch mehr als genug Menschen da für einen tosenden Applaus, den sich die Philharmoniker unter der Leitung des finnischen Dirigenten Ari Rasilainen auch wahrlich verdient hatten: Einerseits weil sie mutig ein hierzulande selten aufgeführtes Werk ins Programm genommen hatten, andererseits weil sie damit einen ungeheuren Kraftakt gestemmt hatten. Denn die riesig besetzte, durch ein mehrschichtiges Rhythmusgeflecht höchst komplex gebaute Sinfonie fordert viel Energie, äußerste Konzentration und die genaue Bündelung der Orchesterkräfte.
Zusammen mit dem Pianisten Steven Osborne und dem Ondes-Martenot-Spieler Philippe Arrieus gelang unter Ari Rasilainens vorausdenkendem, in Sachen Tempo vorwärtstreibendem Dirigat eine insgesamt beeindruckende Aufführung, die die wild-orgiastischen Farbräusche, die entfesselte Rhythmik, die immer wieder aufscheinenden kitschigen Enklaven gleichermaßen zu ihrem Recht kommen ließ. Im Fortissimo sorgte zwar das hohe Jaulen der Ondes Martenot – einem seinerzeit in Frankreich beliebten einfachen elektronischen Tasteninstrument – gelegentlich für unangenehme Frequenzen und vertrieb ein paar Zuhörer aus den ersten Reihen, dafür entfalteten sich in den langsamen Sätzen die Gedanken geheimnisvoll und sinnlich, was Steven Osborne, der im sechsten Satz am Klavier Vogelrufe zu imitieren hatte, durch delikate Farbgebung intensivierte.
Warum man dieser abendfüllenden Sinfonie Prokofiews zierliches Kinderstück "Peter und der Wolf" vorangestellt hatte, bleibt allerdings ein Rätsel, zumal die Probezeit dafür offenbar nicht mehr ausgereicht hatte. Schauspieler Sebastian Koch betete seinen Text - die Hände in den Hosentaschen - freundlich und lässig, aber völlig ohne erzählerische Magie herunter, und das Orchester tat Dienst nach Vorschrift. Zwischen Erzähler und Musikern baute sich einfach keine Spannung auf. Die anwesenden Kinder brachte das schon bald zum Gähnen.
Rezension für die Eßlinger Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten vom 19. April 2011. Das Konzert fand statt am 17. April.
Stuttgart - An der monströsen Turangalîla-Sinfonie des französischen Komponisten Olivier Messiaen, entstanden zwischen 1946 und 1948, scheiden sich die Geister: Die einen sehen in ihr ein "interessantes Skandalon", weil sie in Zeiten, da Europa in Schutt und Asche lag, "mit Schwindel erregender Vitalität von maßlosen Freuden" künde. Die anderen bewundern ihre musikalische Riesenfarbpalette und die immense Energie, die sie verbreitet, aber auch ihre spirituelle Leuchtkraft.
Auch im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle, wo sich die Stuttgarter Philharmoniker am Sonntagabend diesem auch heute noch klanglich spektakulären 80-Minuten-Werk widmeten, spaltete sie das Publikum: Schon nach dem ersten Satz verließen die ersten Zuhörer den Saal. Und das ging so weiter bis zum zehnten und letzten Satz. Am Ende aber waren noch mehr als genug Menschen da für einen tosenden Applaus, den sich die Philharmoniker unter der Leitung des finnischen Dirigenten Ari Rasilainen auch wahrlich verdient hatten: Einerseits weil sie mutig ein hierzulande selten aufgeführtes Werk ins Programm genommen hatten, andererseits weil sie damit einen ungeheuren Kraftakt gestemmt hatten. Denn die riesig besetzte, durch ein mehrschichtiges Rhythmusgeflecht höchst komplex gebaute Sinfonie fordert viel Energie, äußerste Konzentration und die genaue Bündelung der Orchesterkräfte.
Zusammen mit dem Pianisten Steven Osborne und dem Ondes-Martenot-Spieler Philippe Arrieus gelang unter Ari Rasilainens vorausdenkendem, in Sachen Tempo vorwärtstreibendem Dirigat eine insgesamt beeindruckende Aufführung, die die wild-orgiastischen Farbräusche, die entfesselte Rhythmik, die immer wieder aufscheinenden kitschigen Enklaven gleichermaßen zu ihrem Recht kommen ließ. Im Fortissimo sorgte zwar das hohe Jaulen der Ondes Martenot – einem seinerzeit in Frankreich beliebten einfachen elektronischen Tasteninstrument – gelegentlich für unangenehme Frequenzen und vertrieb ein paar Zuhörer aus den ersten Reihen, dafür entfalteten sich in den langsamen Sätzen die Gedanken geheimnisvoll und sinnlich, was Steven Osborne, der im sechsten Satz am Klavier Vogelrufe zu imitieren hatte, durch delikate Farbgebung intensivierte.
Warum man dieser abendfüllenden Sinfonie Prokofiews zierliches Kinderstück "Peter und der Wolf" vorangestellt hatte, bleibt allerdings ein Rätsel, zumal die Probezeit dafür offenbar nicht mehr ausgereicht hatte. Schauspieler Sebastian Koch betete seinen Text - die Hände in den Hosentaschen - freundlich und lässig, aber völlig ohne erzählerische Magie herunter, und das Orchester tat Dienst nach Vorschrift. Zwischen Erzähler und Musikern baute sich einfach keine Spannung auf. Die anwesenden Kinder brachte das schon bald zum Gähnen.
Rezension für die Eßlinger Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten vom 19. April 2011. Das Konzert fand statt am 17. April.
eduarda - 21. Apr, 18:51