Schatten und Licht
Die Münchner Philharmoniker mit Thomas Hengelbrock und Sergei Khachatryan beim Stuttgarter Meisterkonzert

Sergei Khachatryan
Stuttgart - Sergei Khachatryans Stradivari ist eine glückliche Geige: Denn der junge Armenier greift so feinfühlig und so ausdrucksstark zu, dass sich dies auf Dauer einfach veredelnd auf die Seele des Instruments auswirken muss. Selbst im allerleisesten Piano schwingt und singt der Ton und trägt weit. Im jüngsten Meisterkonzert mit den Münchner Philharmonikern in der Leitung von Thomas Hengelbrock in der Stuttgarter Liederhalle bewies Khachatryan seine Klasse in Dmitri Schostakowitschs zweitem Violinkonzert. Dessen unterschiedliche Tonfälle, die zwischen Trauergesang, Wut und Groteske changieren, berührten unmittelbar, weil es dem 25-Jährigen gelang, jeden Ton in all seinen möglichen emotionalen Facetten und Farben ganz auszuleuchten und zu durchdringen.
Die Kommunikation mit den Münchner Philharmonikern funktionierte perfekt, was für dieses Werk und seine kammermusikalische Tendenz, die für den Spätstil Schostakowitschs so typisch ist, unabdingbar ist. So ging der erste Satz in seiner plastisch und dramatisch artikulierten Auseinandersetzung zwischen Sologeige und Orchester genauso nahe wie der gemeinsame, unendliche Trauergesang des Adagios und das dialogisierende Finale, eine zwischen Witz und Bedrohung wechselnde Groteske. Keine Frage: Von Sergei Khachatryan wird man noch viel hören.
Vor dieser auf das Wesentliche reduzierten Musik hatten die Münchner im Orchesterstück „Malebolge“ des britischen Komponisten Simon Wills, Jahrgang 1957, ausgiebig Gelegenheit, ihr instrumentales Farbspektrum voll zur Entfaltung zu bringen. Das Werk, in dem sich der Komponist auf Dantes „Göttliche Komödie“ bezieht, genauer auf den achten Kreis der Hölle, fährt enorme Klangkulminationen auf und hält das ganze Orchester konsequent auf Trab - in einer stilistischen Mischung quer durch die Jahrhunderte.
So richtig auftrumpfen konnten die Münchner aber vor allem in Schuberts Großer C-Dur-Sinfonie. Aus der ungewöhnlichen Sitzordnung - links die ersten Geigen, Celli und Bässe, rechts die zweiten Geigen und Bratschen und als geschlossener, jetzt sehr homogener Block die Bläser in der Mitte - ergaben sich überraschende, feine Farbmischungen vor allem im Bläsersatz und wirkungsvolle räumliche Effekte.
Im Kopfsatz und im Finale dominierten die donnernden Gesten, was das Orchester aber nicht davon abhielt, gelegentlich die für Schubert typischen harmonischen Schatten-Lichtspiele genüsslich auszukosten. Etwas zu blockhaft und marschmäßig und zu hart akzentuiert geriet das Andante con moto. Nicht nur im Scherzo, sondern tendenziell in allen Sätzen sorgte Thomas Hengelbrock für vorantreibende Tempi und den Blick nach vorn.
Die Spielfreude und der Elan des Orchesters rissen das Publikum ganz offensichtlich mit. Zwischen den Sätzen hörte man immer wieder bewunderndes Tuscheln. Am Ende gab's dicken Applaus.
Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 18.12.2010. Das Konzert fand statt am 16.12.

Sergei Khachatryan
Stuttgart - Sergei Khachatryans Stradivari ist eine glückliche Geige: Denn der junge Armenier greift so feinfühlig und so ausdrucksstark zu, dass sich dies auf Dauer einfach veredelnd auf die Seele des Instruments auswirken muss. Selbst im allerleisesten Piano schwingt und singt der Ton und trägt weit. Im jüngsten Meisterkonzert mit den Münchner Philharmonikern in der Leitung von Thomas Hengelbrock in der Stuttgarter Liederhalle bewies Khachatryan seine Klasse in Dmitri Schostakowitschs zweitem Violinkonzert. Dessen unterschiedliche Tonfälle, die zwischen Trauergesang, Wut und Groteske changieren, berührten unmittelbar, weil es dem 25-Jährigen gelang, jeden Ton in all seinen möglichen emotionalen Facetten und Farben ganz auszuleuchten und zu durchdringen.
Die Kommunikation mit den Münchner Philharmonikern funktionierte perfekt, was für dieses Werk und seine kammermusikalische Tendenz, die für den Spätstil Schostakowitschs so typisch ist, unabdingbar ist. So ging der erste Satz in seiner plastisch und dramatisch artikulierten Auseinandersetzung zwischen Sologeige und Orchester genauso nahe wie der gemeinsame, unendliche Trauergesang des Adagios und das dialogisierende Finale, eine zwischen Witz und Bedrohung wechselnde Groteske. Keine Frage: Von Sergei Khachatryan wird man noch viel hören.
Vor dieser auf das Wesentliche reduzierten Musik hatten die Münchner im Orchesterstück „Malebolge“ des britischen Komponisten Simon Wills, Jahrgang 1957, ausgiebig Gelegenheit, ihr instrumentales Farbspektrum voll zur Entfaltung zu bringen. Das Werk, in dem sich der Komponist auf Dantes „Göttliche Komödie“ bezieht, genauer auf den achten Kreis der Hölle, fährt enorme Klangkulminationen auf und hält das ganze Orchester konsequent auf Trab - in einer stilistischen Mischung quer durch die Jahrhunderte.
So richtig auftrumpfen konnten die Münchner aber vor allem in Schuberts Großer C-Dur-Sinfonie. Aus der ungewöhnlichen Sitzordnung - links die ersten Geigen, Celli und Bässe, rechts die zweiten Geigen und Bratschen und als geschlossener, jetzt sehr homogener Block die Bläser in der Mitte - ergaben sich überraschende, feine Farbmischungen vor allem im Bläsersatz und wirkungsvolle räumliche Effekte.
Im Kopfsatz und im Finale dominierten die donnernden Gesten, was das Orchester aber nicht davon abhielt, gelegentlich die für Schubert typischen harmonischen Schatten-Lichtspiele genüsslich auszukosten. Etwas zu blockhaft und marschmäßig und zu hart akzentuiert geriet das Andante con moto. Nicht nur im Scherzo, sondern tendenziell in allen Sätzen sorgte Thomas Hengelbrock für vorantreibende Tempi und den Blick nach vorn.
Die Spielfreude und der Elan des Orchesters rissen das Publikum ganz offensichtlich mit. Zwischen den Sätzen hörte man immer wieder bewunderndes Tuscheln. Am Ende gab's dicken Applaus.
Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 18.12.2010. Das Konzert fand statt am 16.12.
eduarda - 18. Dez, 13:47