Gesang ohne Worte
Stuttgarter Philharmoniker mit der Klarinettistin Sharon Kam und dem Dirigenten Walter Weller

Sharon Kam
Stuttgart - Der deutsche Komponist Louis Spohr gehört zu jenen charismatischen Persönlichkeiten, die das europäische Musikleben im 19. Jahrhundert entscheidend mitgeprägt haben, die aber heute so gut wie keine Rolle mehr in den Konzertsälen spielen. Das ist unverständlich, denn der experimentierfreudige Romantiker hinterließ ein umfangreiches, vielseitiges Werk, in dem so manche Innovation zu finden ist.
Im jüngsten Konzert der Stuttgarter Philharmoniker im Beethovensaal der Liederhalle kam eines seiner Frühwerke zur Aufführung: das klassizistisch-schlanke zweite Klarinettenkonzert von 1810. Als Solistin hatten die Philharmoniker Sharon Kam eingeladen - eine Klarinettistin der absoluten Spitzenklasse. Neben der profunden technischen Beherrschung ihres Instruments faszinierte vor allem ihr dramatischer und poetischer Ton.
Die gebürtige Israelin bringt ihre Klarinette zum Singen, als wäre das Rohrblatt ihr Stimmband. Lebendig phrasierend und das motivische Material farblich stets fein ausleuchtend übersetzte sie die musikalischen Affekte so deutlich in Klang und Melos, dass ihr Instrument schier zur Protagonistin einer Opernszene zu werden schien.
Weil der Konzertabend im Rahmen der Reihe „Krieg und Frieden“ stattfand, hatten die Philharmoniker, die unter Leitung ihres Ehrendirigenten Walter Weller spielten, den Abend mit Tschaikowskys Ouvertüre „1812“ begonnen - einem Gelegenheitswerk, in dem der Komponist dem Genre des musikalischen Schlachtengemäldes frönte und dem Sieg der Russen über die Armee Napoleons ein tumultuöses Denkmal setzte. Die Philharmoniker ließen hier nichts anbrennen und malten plastisch nach, wie die Marseillaise von russischen Pauken und Trompeten mächtig zusammengehauen wird. Einen stärkeren Kontrast als die zum Schluss gespielte dritte Sinfonie von Franz Schubert kann es dazu wohl kaum geben. Zumal die Philharmoniker und ihr Dirigent sehr liebevoll, ja fast zärtlich zur Sache gingen. Man brachte diesen frühen sinfonischen Versuch des 18-Jährigen mit transparentem Streichersatz und wunderschönen Holzbläsereinsätzen zu Gehör, wodurch sich die Qualitäten dieses Stücks - seine mozarteske Melodik und sein buffoneskes Finale - frei entfalten konnten. Das zahlreich erschienene Publikum dürfte erfrischt nach Hause gegangen sein.
Veröffentlicht in der Eßlinger Zeitung von 28.11.2009

Sharon Kam
Stuttgart - Der deutsche Komponist Louis Spohr gehört zu jenen charismatischen Persönlichkeiten, die das europäische Musikleben im 19. Jahrhundert entscheidend mitgeprägt haben, die aber heute so gut wie keine Rolle mehr in den Konzertsälen spielen. Das ist unverständlich, denn der experimentierfreudige Romantiker hinterließ ein umfangreiches, vielseitiges Werk, in dem so manche Innovation zu finden ist.
Im jüngsten Konzert der Stuttgarter Philharmoniker im Beethovensaal der Liederhalle kam eines seiner Frühwerke zur Aufführung: das klassizistisch-schlanke zweite Klarinettenkonzert von 1810. Als Solistin hatten die Philharmoniker Sharon Kam eingeladen - eine Klarinettistin der absoluten Spitzenklasse. Neben der profunden technischen Beherrschung ihres Instruments faszinierte vor allem ihr dramatischer und poetischer Ton.
Die gebürtige Israelin bringt ihre Klarinette zum Singen, als wäre das Rohrblatt ihr Stimmband. Lebendig phrasierend und das motivische Material farblich stets fein ausleuchtend übersetzte sie die musikalischen Affekte so deutlich in Klang und Melos, dass ihr Instrument schier zur Protagonistin einer Opernszene zu werden schien.
Weil der Konzertabend im Rahmen der Reihe „Krieg und Frieden“ stattfand, hatten die Philharmoniker, die unter Leitung ihres Ehrendirigenten Walter Weller spielten, den Abend mit Tschaikowskys Ouvertüre „1812“ begonnen - einem Gelegenheitswerk, in dem der Komponist dem Genre des musikalischen Schlachtengemäldes frönte und dem Sieg der Russen über die Armee Napoleons ein tumultuöses Denkmal setzte. Die Philharmoniker ließen hier nichts anbrennen und malten plastisch nach, wie die Marseillaise von russischen Pauken und Trompeten mächtig zusammengehauen wird. Einen stärkeren Kontrast als die zum Schluss gespielte dritte Sinfonie von Franz Schubert kann es dazu wohl kaum geben. Zumal die Philharmoniker und ihr Dirigent sehr liebevoll, ja fast zärtlich zur Sache gingen. Man brachte diesen frühen sinfonischen Versuch des 18-Jährigen mit transparentem Streichersatz und wunderschönen Holzbläsereinsätzen zu Gehör, wodurch sich die Qualitäten dieses Stücks - seine mozarteske Melodik und sein buffoneskes Finale - frei entfalten konnten. Das zahlreich erschienene Publikum dürfte erfrischt nach Hause gegangen sein.
Veröffentlicht in der Eßlinger Zeitung von 28.11.2009
eduarda - 28. Nov, 10:21