Heroischer Ton
Anne-Sophie Mutter mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart
Stuttgart – Rasend schnelle Läufe und Doppelgriffakkumulationen, wie sie Max Bruchs erstes Violinkonzert fordert, bewältigt Anne-Sophie Mutter traumwandlerisch. So auch in ihrer jüngsten Darbietung des Werks im voll besetzten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle, wo sie gemeinsam mit dem Radio-Sinfonieorchester (RSO) und dem britischen Dirigenten Michael Francis das Auftaktkonzert zu einer kleiner Tournee durch Deutschland und die Schweiz gab.
Mit souveräner Fingerfertigkeit und einem schlackenfreien, farblich fein abschattierten Ton gelang ihr eher eine intellektuelle Durchdringung des virtuosen Materials als eine aufgewühlte Präsentation eines Schmachtfetzens. Das Adagio spielte Mutter ernst und nachdenklich, weniger schmerzerfüllt und dunkel verträumt, oft auch mit großem, beinahe heroischen Ton, der schon auf das wütende Finale vorausdeutete.
Aber Bruchs Evergreen, mit dem der Abend endete, war keineswegs der Höhepunkt des Konzerts, das im zweiten Teil eher schwächer wurde. Auch weil das RSO hier über das bloße Begleiten nicht wirklich herauskam und wenig an der Differenzierung der Stimmungen mitarbeitete. Auch in Felix Mendelssohns Konzertouvertüre "Die Hebriden", in der sich des Komponisten Natureindrücke während einer Schottlandreise widerspiegeln, wirkten das RSO und sein Gastdirigent nicht wirklich inspiriert. Unsicherheiten in der Bläserfraktion und eine maue Farbgestaltung von Seiten der Streicher deuteten darauf hin, dass in dieses Stück wohl nur wenig der Probezeit investiert worden war.
Spannend und dramaturgisch klug aufgebaut dagegen war der Abend vor der Pause. Dafür sorgten nicht nur Charles Ives' sinfonische Dichtungen "Three Places in New England", die angesichts ihrer frühen Entstehung zwischen 1903 bis 14 geradezu avantgardistisch anmuten, sondern vor allem Zeitgenössisches.
Denn Anne-Sophie Mutter hatte sich ungewöhnlicherweise für zwei Auftritte entschieden. Mit "Time Machines" für Violine und Orchester des US-amerikanischen Komponisten Sebastian Currier, das sie selbst 2011 zur Uraufführung gebracht hatte, offenbarte Mutter ihr feines Gespür für neue Klänge und ihre vielen Stimmungs- und Farbfacetten. Wenn "Time Machines" auch nicht gerade das ist, was auf einem Spezialistenfestival als Avantgarde durchginge, so ist es dank seiner vielen überraschenden Klangmomente doch ein echter Ohrenputzer für ein klassisches Sinfoniekonzert und dessen Publikum. Die unterschiedlichen Kategorien musikalischer Zeit, die Currier in den sieben Sätzen dargestellt wissen will, erklären sich durch Überschriften von selbst. Nervös tarantellahaft gibt sich etwa "fragmented time", flächig und träge dagegen "delay time". Gehetzter Leerlauf prägt "compressed time" und aphoristisch und nachhallend ist die Wirkung von "backwards time". In diesem Werk funktionierte die Kommunikation zwischen Solistin und Orchester perfekt, konnten dank Michael Francis' vorausschauendem Dirigat die vielen, auch witzigen Echowirkungen zwischen Solo und Tutti sowie die ständigen Impulse von Seiten der Solistin, die vom Orchester dann fortgesponnen werden, zu ihrem Recht kommen. Ein Werk, das man zweifelsohne gerne noch mal hören würde.
Rezension für die Eßlinger Zeitung von heute. Das Konzert fand statt am 20. Januar.
Stuttgart – Rasend schnelle Läufe und Doppelgriffakkumulationen, wie sie Max Bruchs erstes Violinkonzert fordert, bewältigt Anne-Sophie Mutter traumwandlerisch. So auch in ihrer jüngsten Darbietung des Werks im voll besetzten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle, wo sie gemeinsam mit dem Radio-Sinfonieorchester (RSO) und dem britischen Dirigenten Michael Francis das Auftaktkonzert zu einer kleiner Tournee durch Deutschland und die Schweiz gab.
Mit souveräner Fingerfertigkeit und einem schlackenfreien, farblich fein abschattierten Ton gelang ihr eher eine intellektuelle Durchdringung des virtuosen Materials als eine aufgewühlte Präsentation eines Schmachtfetzens. Das Adagio spielte Mutter ernst und nachdenklich, weniger schmerzerfüllt und dunkel verträumt, oft auch mit großem, beinahe heroischen Ton, der schon auf das wütende Finale vorausdeutete.
Aber Bruchs Evergreen, mit dem der Abend endete, war keineswegs der Höhepunkt des Konzerts, das im zweiten Teil eher schwächer wurde. Auch weil das RSO hier über das bloße Begleiten nicht wirklich herauskam und wenig an der Differenzierung der Stimmungen mitarbeitete. Auch in Felix Mendelssohns Konzertouvertüre "Die Hebriden", in der sich des Komponisten Natureindrücke während einer Schottlandreise widerspiegeln, wirkten das RSO und sein Gastdirigent nicht wirklich inspiriert. Unsicherheiten in der Bläserfraktion und eine maue Farbgestaltung von Seiten der Streicher deuteten darauf hin, dass in dieses Stück wohl nur wenig der Probezeit investiert worden war.
Spannend und dramaturgisch klug aufgebaut dagegen war der Abend vor der Pause. Dafür sorgten nicht nur Charles Ives' sinfonische Dichtungen "Three Places in New England", die angesichts ihrer frühen Entstehung zwischen 1903 bis 14 geradezu avantgardistisch anmuten, sondern vor allem Zeitgenössisches.
Denn Anne-Sophie Mutter hatte sich ungewöhnlicherweise für zwei Auftritte entschieden. Mit "Time Machines" für Violine und Orchester des US-amerikanischen Komponisten Sebastian Currier, das sie selbst 2011 zur Uraufführung gebracht hatte, offenbarte Mutter ihr feines Gespür für neue Klänge und ihre vielen Stimmungs- und Farbfacetten. Wenn "Time Machines" auch nicht gerade das ist, was auf einem Spezialistenfestival als Avantgarde durchginge, so ist es dank seiner vielen überraschenden Klangmomente doch ein echter Ohrenputzer für ein klassisches Sinfoniekonzert und dessen Publikum. Die unterschiedlichen Kategorien musikalischer Zeit, die Currier in den sieben Sätzen dargestellt wissen will, erklären sich durch Überschriften von selbst. Nervös tarantellahaft gibt sich etwa "fragmented time", flächig und träge dagegen "delay time". Gehetzter Leerlauf prägt "compressed time" und aphoristisch und nachhallend ist die Wirkung von "backwards time". In diesem Werk funktionierte die Kommunikation zwischen Solistin und Orchester perfekt, konnten dank Michael Francis' vorausschauendem Dirigat die vielen, auch witzigen Echowirkungen zwischen Solo und Tutti sowie die ständigen Impulse von Seiten der Solistin, die vom Orchester dann fortgesponnen werden, zu ihrem Recht kommen. Ein Werk, das man zweifelsohne gerne noch mal hören würde.
Rezension für die Eßlinger Zeitung von heute. Das Konzert fand statt am 20. Januar.
eduarda - 24. Jan, 09:43