Im Land, wo die Zitronen blühn
Christine Schäfer und Graham Johnson bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen
Ludwigsburg - Der Appetit auf Zitrusfrüchte war ungemein, nachdem Christine Schäfer Hugo Wolfs Mignon-Lied „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn“ beendet hatte. Allein schon wie sie das Wort Orange artikuliert hatte, ließ einem das Wasser im Mund zusammenlaufen, so prall, so saftig, so süß baute sich die Südfrucht vor dem inneren Auge auf. Plastischer in Sachen Vokalformung und Singgestus geht's nicht mehr. Schäfer hat alles, was eine gute Liedsängerin braucht für die feinsinnige Textausdeutung in der intimen Atmosphäre eines Liederabends: die Fähigkeit zum schnellen Verändern der Stimmfarbe, das bruchlose Gleiten durch die Register, die Kontrolle über die Stimme in allen dynamischen Bereichen. Schrill wird sie nie - anders als viele Opernsängerinnen, die sich dem Liedgesang widmen.
Im voll besetzten Ludwigsburger Forum, wo Schäfer zusammen mit dem Pianisten Graham Johnson einen Liederabend mit Werken von Johannes Brahms, Robert Schumann und Hugo Wolf gab, zeigte sie vor allem in den verinnerlichten Nummern hohe Gestaltungskunst: verschleierte Farben in Brahms' „Es träumte mir“, tief empfundenen Schmerz in Wolfs „Nur wer die Sehnsucht kennt“, feine Schattierungen in Brahms' „Unbewegte laue Luft“. Jeder Ton schien durchlebt und gefühlt. Und der leichtere, lyrischere Tonfall der Wilhelm-Meister-Lieder op. 98a von Robert Schumann kam ihren Stimmqualitäten ohnehin entgegen.
Als glückliche Fügung offenbarte sich Schäfers Zusammenarbeit mit dem Mann am Klavier, Graham Johnson. Man hörte sich gegenseitig genau zu. Und Johnson gestaltete genial sensibel: ein Schattenmaler, Konturenzeichner, Pointillist in einer Person, der es versteht, das Gesungene psychologisch sorgsam auszudeuten und das Klavier in so stille, weltentrückte Klangregionen zu führen, von denen man vorher nicht einmal etwas geahnt hat. Das Publikum im Forum war begeistert und ließ die beiden erst nach drei Zugaben gehen.
Als ein ziemliches Ärgernis stellte sich an diesem Abend der diesjährige Verzicht der Ludwigsburger Schlossfestspiele auf sachgerechte Programmhefte heraus. Das neue Konzept des Sammelheftes für jeweils eine Woche, von dem man nicht genau weiß, was es will, weil es weder aktuelle Werkeinführungen noch über den bloßen Programmablauf hinausgehende grundlegende Informationen vorweisen kann, sieht keinen Platz vor für Liedtexte. Vielleicht sollten die Schlossfestspiele, wenn sie ihr Papiersparkonzept so weiterführen wollen, die in der Oper beliebten Übertitel einführen. Denn gerade im hochdifferenzierenden Liedgesang ist das Textverständnis eine unabdingbare Voraussetzung für ein befriedigendes Hörerlebnis - und damit ein Programmheft keine bloße Serviceleistung.
Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 30. Juni. Das Konzert fand statt am 28. Juni 2010.
Ludwigsburg - Der Appetit auf Zitrusfrüchte war ungemein, nachdem Christine Schäfer Hugo Wolfs Mignon-Lied „Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn“ beendet hatte. Allein schon wie sie das Wort Orange artikuliert hatte, ließ einem das Wasser im Mund zusammenlaufen, so prall, so saftig, so süß baute sich die Südfrucht vor dem inneren Auge auf. Plastischer in Sachen Vokalformung und Singgestus geht's nicht mehr. Schäfer hat alles, was eine gute Liedsängerin braucht für die feinsinnige Textausdeutung in der intimen Atmosphäre eines Liederabends: die Fähigkeit zum schnellen Verändern der Stimmfarbe, das bruchlose Gleiten durch die Register, die Kontrolle über die Stimme in allen dynamischen Bereichen. Schrill wird sie nie - anders als viele Opernsängerinnen, die sich dem Liedgesang widmen.
Im voll besetzten Ludwigsburger Forum, wo Schäfer zusammen mit dem Pianisten Graham Johnson einen Liederabend mit Werken von Johannes Brahms, Robert Schumann und Hugo Wolf gab, zeigte sie vor allem in den verinnerlichten Nummern hohe Gestaltungskunst: verschleierte Farben in Brahms' „Es träumte mir“, tief empfundenen Schmerz in Wolfs „Nur wer die Sehnsucht kennt“, feine Schattierungen in Brahms' „Unbewegte laue Luft“. Jeder Ton schien durchlebt und gefühlt. Und der leichtere, lyrischere Tonfall der Wilhelm-Meister-Lieder op. 98a von Robert Schumann kam ihren Stimmqualitäten ohnehin entgegen.
Als glückliche Fügung offenbarte sich Schäfers Zusammenarbeit mit dem Mann am Klavier, Graham Johnson. Man hörte sich gegenseitig genau zu. Und Johnson gestaltete genial sensibel: ein Schattenmaler, Konturenzeichner, Pointillist in einer Person, der es versteht, das Gesungene psychologisch sorgsam auszudeuten und das Klavier in so stille, weltentrückte Klangregionen zu führen, von denen man vorher nicht einmal etwas geahnt hat. Das Publikum im Forum war begeistert und ließ die beiden erst nach drei Zugaben gehen.
Als ein ziemliches Ärgernis stellte sich an diesem Abend der diesjährige Verzicht der Ludwigsburger Schlossfestspiele auf sachgerechte Programmhefte heraus. Das neue Konzept des Sammelheftes für jeweils eine Woche, von dem man nicht genau weiß, was es will, weil es weder aktuelle Werkeinführungen noch über den bloßen Programmablauf hinausgehende grundlegende Informationen vorweisen kann, sieht keinen Platz vor für Liedtexte. Vielleicht sollten die Schlossfestspiele, wenn sie ihr Papiersparkonzept so weiterführen wollen, die in der Oper beliebten Übertitel einführen. Denn gerade im hochdifferenzierenden Liedgesang ist das Textverständnis eine unabdingbare Voraussetzung für ein befriedigendes Hörerlebnis - und damit ein Programmheft keine bloße Serviceleistung.
Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 30. Juni. Das Konzert fand statt am 28. Juni 2010.
eduarda - 30. Jun, 12:07