Montag, 30. Januar 2012

Klangfarbenzaubereien

Martin Stadtfeld und das Philharmonische Kammerorchester München in der Stuttgarter Liederhalle

Stuttgart - Man solle Bach zwar nicht "romantisch" spielen, aber "schon ein bisschen poetisch", sagte der Pianist Martin Stadtfeld einmal in einem Interview. Das ist einige Jahre her. Der damals 23-Jährige hatte gerade mit seiner Einspielung der Bach'schen Goldbergvariationen international Aufsehen erregt. Heute ist Stadtfelds Bach mehr als nur ein bisschen poetisch. Er ist sehr romantisch.

Davon konnte man sich jetzt im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle überzeugen, wo der schöne Tastenlöwe zusammen mit dem Philharmonischen Kammerorchester München Bachs Klavierkonzerten in g-Moll, D-Dur und A-Dur das Mäntelchen der klassisch-romantischen Sonatenspielkultur überzog: mal lyrisch kantabel, mal dramatisch zupackend, setzte der 31-Jährige immer wieder markante Kontraste. Das war keineswegs langweilig. Nur vernebelte das die polyphonen Strukturen, die nun mal eben Bachs Geist ausmachen. Vor allem in den melancholischen Mittelsätzen weichte Stadtfeld die Töne ein in süße Pedalmarinade. Schön klang das, hochmusikalisch und farblich fein durchgehört. Aber mit barocker Klangästhetik hatte das nichts zu tun.

Dank Stadtfelds fein nuancierter Anschlagskultur blieb allerdings das Lautstärkenverhältnis zwischen klangmächtigem Konzertflügel und den 16 Streichern des Kammerorchesters – alle Mitglieder der Münchner Philharmoniker – bemerkenswert ausgewogen. Flexibel und musizierfreudig entgegneten die Münchner Stadtfelds Klangfarbenzaubereien.

Und unter Leitung ihres Konzertmeisters Lorenz Nasturica-Herschcovici sorgten sie mit Mendelssohns Jugendsinfonie Nr. 9 für den eigentlichen Höhepunkt des Abends: Inspiriert, energiegeladen, transparent im Zusammenklang und liebevoll im Detail machten sie die Qualitäten dieses Werks hörbar, in dem ein 14-Jähriger zwar noch Orientierung suchte in altbewährten Kompositionsmustern, aber doch schon unverkennbar eigene Tonfälle vorzuweisen hatte wie etwa Elfenflirren und folkloristischen Melos. Ein Ohrenschmaus!

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 30. Januar 2012. Das Konzert fand statt am 27.1.

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