Mensch auf der Bühne
Orchestre National de Belgique und Daniel Hope in Stuttgart

Daniel Hope
Stuttgart - Nichts wirkt gekünstelt, nichts geziert an seinem Spiel: Der Geiger Daniel Hope besitzt jenen wahrhaftigen, intensiven Ton, der von der ersten Sekunde an fesselt. Im Meisterkonzert am Montagabend im gut gefüllten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle zeigte der Brite in Max Bruchs Erstem Violinkonzert, dass ihm nichts ferner liegt als eine nur auf Schönklang und Präzisionsfingerwerk getrimmte Virtuosität.
Er stürzt sich risikofreudig in die rasend schnellen Läufe und Doppelgriffakkumulationen all'Ungharese, reißt die Saiten mit dem Bogen rau an, schleift den Ton gerne in den nächsten hinein. Er überspielt auch nie, dass das alles sehr viel Arbeit ist, und wischt sich gelegentlich den Schweiß von der Stirn. Um dann im Adagio zu jenem dunkel-verträumten und schmerzerfüllten Nachdenken zu gelangen, welches das Herz lauschender Gefühlsmenschen sofort höher schlagen lässt.
Hope bleibt Mensch auf der Bühne, steht nicht für den abgebrühten, abgehobenen Virtuosentypus. Dazu gehört auch, dass er das Blumenbouquet, das ihm am Ende gereicht wird, etwas zu schnell ins Publikum wirft, als sei's eine lästige Last. Wie sehr es ihm um die Ausdrucksvielfalt seines Instruments geht, offenbarte er in der Zugabe: eine Improvisation über einen Raga des indischen Komponisten Ravi Shankar - freilich in einer von drei Stunden auf drei Minuten gekürzten Version, wie Daniel Hope in perfektem Deutsch ansagt. Da erahnte man zwischen den vibrierenden, pulsierenden Geigentönen auch das Plappern der Tabla und das Säuseln der Sitar.
Dass Daniel Hope im Bruch-Konzert gelegentlich ins Schwitzen kam, mag auch an den etwas gehetzt wirkenden Tempi gelegen haben, mit denen das Belgische Nationalorchester unter der Leitung seines Chefdirigenten Walter Weller durch die Ecksätze geprescht war. Walter Weller ließ ein kräftiges Durchatmen nur selten zu. Zudem ist er nicht gerade ein Meister des Übergangs, was vor allem Johannes Brahms' Zweiter Sinfonie zum Verhängnis wurde, deren Form sich auf diese Weise blockhaft aufbaute.
Zwar fuhr der Brüsseler Klangkörper mit einem insgesamt sehr satten sinfonischen Sound auf, doch weil man an der Oberfläche blieb und auf Melodienseligkeit setzte statt auf Transparenz und dynamische Feinarbeit, blieb die intellektuelle, strukturelle Ebene der Komposition, die immerhin von einem motivisch-thematischen Tüftler stammte, auf der Strecke. So präsentierte sich der Kopfsatz als quadratischer Brocken, während das Adagio süßlich-sämig dahinfloss, das Allegretto gepflegt vor sich hin plätscherte und das Finale breit durch die Zeit brauste.
Dass man den Abend mit Brahms' Akademischer Fest-Ouvertüre begonnen hatte, die genauso klingt, wie es ihr Name verspricht, war ein dramaturgischer Missgriff. Es gibt wahrlich Interessanteres als dieses Burschenschaftslieder-Potpourri.
Rezension für die Eßlinger Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten von heute. Das Konzert fand statt am 13. April 2011.

Daniel Hope
Stuttgart - Nichts wirkt gekünstelt, nichts geziert an seinem Spiel: Der Geiger Daniel Hope besitzt jenen wahrhaftigen, intensiven Ton, der von der ersten Sekunde an fesselt. Im Meisterkonzert am Montagabend im gut gefüllten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle zeigte der Brite in Max Bruchs Erstem Violinkonzert, dass ihm nichts ferner liegt als eine nur auf Schönklang und Präzisionsfingerwerk getrimmte Virtuosität.
Er stürzt sich risikofreudig in die rasend schnellen Läufe und Doppelgriffakkumulationen all'Ungharese, reißt die Saiten mit dem Bogen rau an, schleift den Ton gerne in den nächsten hinein. Er überspielt auch nie, dass das alles sehr viel Arbeit ist, und wischt sich gelegentlich den Schweiß von der Stirn. Um dann im Adagio zu jenem dunkel-verträumten und schmerzerfüllten Nachdenken zu gelangen, welches das Herz lauschender Gefühlsmenschen sofort höher schlagen lässt.
Hope bleibt Mensch auf der Bühne, steht nicht für den abgebrühten, abgehobenen Virtuosentypus. Dazu gehört auch, dass er das Blumenbouquet, das ihm am Ende gereicht wird, etwas zu schnell ins Publikum wirft, als sei's eine lästige Last. Wie sehr es ihm um die Ausdrucksvielfalt seines Instruments geht, offenbarte er in der Zugabe: eine Improvisation über einen Raga des indischen Komponisten Ravi Shankar - freilich in einer von drei Stunden auf drei Minuten gekürzten Version, wie Daniel Hope in perfektem Deutsch ansagt. Da erahnte man zwischen den vibrierenden, pulsierenden Geigentönen auch das Plappern der Tabla und das Säuseln der Sitar.
Dass Daniel Hope im Bruch-Konzert gelegentlich ins Schwitzen kam, mag auch an den etwas gehetzt wirkenden Tempi gelegen haben, mit denen das Belgische Nationalorchester unter der Leitung seines Chefdirigenten Walter Weller durch die Ecksätze geprescht war. Walter Weller ließ ein kräftiges Durchatmen nur selten zu. Zudem ist er nicht gerade ein Meister des Übergangs, was vor allem Johannes Brahms' Zweiter Sinfonie zum Verhängnis wurde, deren Form sich auf diese Weise blockhaft aufbaute.
Zwar fuhr der Brüsseler Klangkörper mit einem insgesamt sehr satten sinfonischen Sound auf, doch weil man an der Oberfläche blieb und auf Melodienseligkeit setzte statt auf Transparenz und dynamische Feinarbeit, blieb die intellektuelle, strukturelle Ebene der Komposition, die immerhin von einem motivisch-thematischen Tüftler stammte, auf der Strecke. So präsentierte sich der Kopfsatz als quadratischer Brocken, während das Adagio süßlich-sämig dahinfloss, das Allegretto gepflegt vor sich hin plätscherte und das Finale breit durch die Zeit brauste.
Dass man den Abend mit Brahms' Akademischer Fest-Ouvertüre begonnen hatte, die genauso klingt, wie es ihr Name verspricht, war ein dramaturgischer Missgriff. Es gibt wahrlich Interessanteres als dieses Burschenschaftslieder-Potpourri.
Rezension für die Eßlinger Zeitung und die Stuttgarter Nachrichten von heute. Das Konzert fand statt am 13. April 2011.
eduarda - 13. Apr, 21:12