Mit meinen heißen Tränen
Das Trio Kopatchinskaja, Gabetta und Levit in der Stuttgarter Liederhalle
Stuttgart - Ein atemberaubender Abend war es. Da hat sich ein Traumtrio aus Klassikstars gefunden: Die Violinistin Patricia Kopatchinskaja und die Cellistin Sol Gabetta, die in den vergangenen Tagen mit einem Klaviertrioprogramm - denselben Werken, aber wechselnden Pianisten - unterwegs waren, trafen jetzt im ausverkauften Mozartsaal auf den jungen Pianisten Igor Levit. Das Publikum folgte den gestaltungswütigen, nichts beschönigenden Künstlern in ihrem angespannten Durchleben der Werke Schuberts und Schostakowitschs atemlos bis zur letzten Sekunde.
Was da zu hören war, war eine existenziell fragende, subjektive, mal wuchtige und eruptive, mal verzweifelte und ersterbende Musik: Zunächst Schuberts spätes Es-Dur-Klaviertrio op. 100, entstanden ein Jahr vor seinem Tod. Großartig vor allem das Andante: Den Beginn etwa, das Pochen, das die herzergreifende, sehnsüchtige Cellomelodie erdet, gestaltete Levit nicht bloß als warme, einfühlsame Begleitung. Er spielte es als ungewohnt harte, reale Gegenstimme: eiszapfig, unerbittlich, fahl. Das war der Schnee, in den sich die heißen Tränen des Wanderers bohren, jener der „Winterreise“, der einsam, bleich und todgeweiht durch das Spätwerk Schuberts schleicht. Auch durch sein Es-Dur-Trio.
Aber so krass hat man das in diesem Werk noch nie gehört: diese eisige Atmosphäre, diese Einsamkeit, diese tödliche Verzweiflung. Levit, Kopatchinskaja und Gabetta gelingt Musik, die Bilder evoziert und viel Platz schafft für Assoziationen. Sie erzählen Geschichten plastisch und mit einem riesigen Spektrum an Ausdruckswerten und Farben und mit einer schier unerschöpflichen Klangfantasie.
Auch in Schostakowitschs Klaviertrio e-Moll op. 67 - wie viele seiner Werke ein musikalisches Epitaph für die Opfer des 2. Weltkriegs. Von der ersten geisterhaft flüsternden Cello-Melodie bis zum explosiv-grotesken Totentanz-Finale hörte man den Wind pfeifen über Gräber.
Kopatchinskaja, Gabetta und Levit stehen für eine jüngere Künstlergeneration, die ihr Glück nicht mehr in aalglatter Klanglichkeit sucht, sondern auch moderne Klangfarben der Neuen Musik in ihr Spiel amalgamiert hat. Gabetta, die ihr Cello zum tonlosen Seufzen, Ächzen, Wispern bringt. Levit, der Triller klirren lässt. Kopatchinskaja, die einem musikalischen Gedanken blitzschnell ein anderes Gesicht verleihen kann: Da scheint in all der Traurigkeit plötzlich und ganz kurz ein fröhlich und beschwingt phrasierter Melodiefetzen auf wie eine flüchtige Erinnerung an eine glückliche Begebenheit in sehr ferner Vergangenheit.
Besprechung für die Stuttgarter Nachrichten und die Eßlinger Zeitung vom 12. Januar 2013. Das Konzert fand statt am 10. Januar.
Stuttgart - Ein atemberaubender Abend war es. Da hat sich ein Traumtrio aus Klassikstars gefunden: Die Violinistin Patricia Kopatchinskaja und die Cellistin Sol Gabetta, die in den vergangenen Tagen mit einem Klaviertrioprogramm - denselben Werken, aber wechselnden Pianisten - unterwegs waren, trafen jetzt im ausverkauften Mozartsaal auf den jungen Pianisten Igor Levit. Das Publikum folgte den gestaltungswütigen, nichts beschönigenden Künstlern in ihrem angespannten Durchleben der Werke Schuberts und Schostakowitschs atemlos bis zur letzten Sekunde.
Was da zu hören war, war eine existenziell fragende, subjektive, mal wuchtige und eruptive, mal verzweifelte und ersterbende Musik: Zunächst Schuberts spätes Es-Dur-Klaviertrio op. 100, entstanden ein Jahr vor seinem Tod. Großartig vor allem das Andante: Den Beginn etwa, das Pochen, das die herzergreifende, sehnsüchtige Cellomelodie erdet, gestaltete Levit nicht bloß als warme, einfühlsame Begleitung. Er spielte es als ungewohnt harte, reale Gegenstimme: eiszapfig, unerbittlich, fahl. Das war der Schnee, in den sich die heißen Tränen des Wanderers bohren, jener der „Winterreise“, der einsam, bleich und todgeweiht durch das Spätwerk Schuberts schleicht. Auch durch sein Es-Dur-Trio.
Aber so krass hat man das in diesem Werk noch nie gehört: diese eisige Atmosphäre, diese Einsamkeit, diese tödliche Verzweiflung. Levit, Kopatchinskaja und Gabetta gelingt Musik, die Bilder evoziert und viel Platz schafft für Assoziationen. Sie erzählen Geschichten plastisch und mit einem riesigen Spektrum an Ausdruckswerten und Farben und mit einer schier unerschöpflichen Klangfantasie.
Auch in Schostakowitschs Klaviertrio e-Moll op. 67 - wie viele seiner Werke ein musikalisches Epitaph für die Opfer des 2. Weltkriegs. Von der ersten geisterhaft flüsternden Cello-Melodie bis zum explosiv-grotesken Totentanz-Finale hörte man den Wind pfeifen über Gräber.
Kopatchinskaja, Gabetta und Levit stehen für eine jüngere Künstlergeneration, die ihr Glück nicht mehr in aalglatter Klanglichkeit sucht, sondern auch moderne Klangfarben der Neuen Musik in ihr Spiel amalgamiert hat. Gabetta, die ihr Cello zum tonlosen Seufzen, Ächzen, Wispern bringt. Levit, der Triller klirren lässt. Kopatchinskaja, die einem musikalischen Gedanken blitzschnell ein anderes Gesicht verleihen kann: Da scheint in all der Traurigkeit plötzlich und ganz kurz ein fröhlich und beschwingt phrasierter Melodiefetzen auf wie eine flüchtige Erinnerung an eine glückliche Begebenheit in sehr ferner Vergangenheit.
Besprechung für die Stuttgarter Nachrichten und die Eßlinger Zeitung vom 12. Januar 2013. Das Konzert fand statt am 10. Januar.
eduarda - 12. Jan, 11:00