Freitag, 1. März 2013

Perkussive Lust

Das Freiburger Barockorchester in der Stuttgarter Liederhalle mit Alla-Turca-Kompositionen

Stuttgart - Ein paar Takte der Ouvertüre zu Mozarts „Entführung aus dem Serail“, dann unterbricht infernalischer Trommeldonner das Allzubekannte. Alles zuckt zusammen: Die drei Perkus­sionisten, die im Konzert des Freiburger Barockorchesters (FBO) im Mozartsaal der Stuttgarter Liederhalle immer wieder für Paukenschlag-Effekte sorgten, legten erst einmal eine gediegene Schlagwerkimpro hin, bevor es auf gewohnten Wegen weiterging. Eine Hommage an die Musik der Janitscharen, der Militärkapellen der Osmanen, die, nachdem die Macht der Türken gebrochen war, vor allem in Mozarts Wien für wohlige Gänsehaut sorgte und von den Komponisten auf der Suche nach neuen Klängen mit Vorliebe als greller Kontrast in eigene Werke eingebaut wurde.

Kompositorisches Wohlwollen fand vor allem der wohlstrukturierte Lärm von Piccoloflöte, Becken, Trommel, Schellenglocken und Triangel, der so schön nach Säbelrasseln klang. Die Imitation des türkischen Kolorits wirkte auf melodischer und harmonischer Ebene dagegen eher unbeholfen, oder es entstand wie bei Mozart ein ganz eigener exotisch-folkloristischer Sound.

Mozart ließ sich die Möglichkeit zu spektakulärem Radau natürlich nicht entgehen, schrieb aber auch berühmte Alla Turcas, die ohne Trommelfeuer auskommen: die A-Dur-Klaviersonate und das A-Dur-Violinkonzert etwa. Auch letzteres kam beim Konzert des FBO zur Aufführung. Es geriet allerdings als einziger Programmpunkt etwas schläfrig, nicht wegen des sichtbar gutgelaunten und fetzig aufspielenden FBO, sondern wegen seines Konzertmeisters Gottfried von der Goltz, der sich solistisch einfach nicht willens zeigte, mal aus sich heraus- und über sich hinauszugehen.

Ohnehin standen vor allem Raritäten von türkisch inspirierten Mozart-Zeitgenossen auf dem Programm: Christian Cannabichs Ballett-Suite „Les fêtes du sérail“ etwa, eine etwas steife, vielleicht beabsichtigt in starren Harmoniefolgen verharrende Musik, die erst durch die Schlagwerkgruppe und ihr Schnarren, Schnattern und Scheppern klangliche Veredlung erfuhr. Oder Glucks Ballett-Pantomimen-Suite „L‘Orfano della Cina“, die theatralisch auch mit Gewittergrummeln und Sturmheulen garniert wird, aber eben auch mit zarten, zerbrechlichen Glöckchentönen Aufsehen zu erregen weiß.

Es waren die exzellenten Schlagzeuger Murat Coskun, Michael Metzler und Charlie Fischer, die aus diesem Abend ein Ereignis machten, in dem sie ihre Stimmen frei, genüsslich und mit großer Klangfantasie umsetzten. In dieser perkussiven Qualität wird man auch die Sinfonia Turchesca des Mozart-Schülers Franz Xaver Süßmayr wohl nur ganz selten hören: schon wegen der ungeheuren Raffinesse, mit der die drei Meistertrommler orchestrale Läufe und Melodien in schillernd-metallische Legierung tauchten.

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten und die Eßlinger Zeitung von heute. Das Konzert fand statt am 27.2.2013.

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