Schlag auf Schlag
Der Multiperkussionist Martin Grubinger und Freunde in der Stuttgarter Liederhalle

Stuttgart – Klassikstars wirken in der Regel bierernst und scheinen oft eher von ihrem hohem Arbeitsethos getrieben als vom Spaß an der Sache. Bei Martin Grubinger, der als derzeit berühmtester Schlagzeuger die Musentempel und großen Festivals dieser Welt bereist, ist das anders. Wenn der Österreicher auf die Bühne springt, wirkt das so, als habe er seit Tagen und Nächten sehnsüchtig nur auf diesen einen lustvollen Moment gewartet. Im gut besuchten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle, wo der 29-Jährige jetzt mit befreundeten Musikern in einem reinen Schlagzeugprogramm seine Kunst zeigte, verkündete er nach fast jedem Stück schwitzend, nach Luft schnappend und mit leuchtenden Augen: "Mensch, hat das Spaß gemacht!"
Wie viel Arbeit hinter seiner Trommelkunst steht, in der er zigtausend Bewegungsabläufe koordinieren muss, kann man nur erahnen. Die dicke Hornhaut an den Händen, die Schwielen und Blasen, die von oft zehnstündigem Üben am Tag künden, sieht das Publikum nicht. Wer aber ganz genau hinschaut, kann das eine oder andere Pflaster erkennen.
Grubinger beginnt sein Programm in Stuttgart nicht mit Trommeldonner, sondern samtpfötig. Mit Andrew Thomas' "Merlin" für Marimba solo, aus der vor allem geheimnisvoll flüsternde und sakrale Klänge dampfen. So leise bearbeitet er die Holzklangstäbe mit vier Schlägeln, dass selbst lautes Atmen im Publikum zum Störfaktor wird. Extrovertiert geht es dagegen in Maki Ishiis "Thirteen Drums" zur Sache: eruptiv, von Wirbelattacken und harten Akzenten durchzuckt. Jetzt bearbeitet Grubinger Congas und andere afrikanische Trommeln. Ein Multiperkussionist spielt eben Tausende Instrumente. Wie ein Parcours wirkt die Bühne, die flächendeckend große bis winzige Schlaginstrumente – gruppiert in Inseln – bevölkern.
In Avman Dormans "Udacrep Akubrad" gibt es im Duo mit dem Perkussionisten Manuel Hofstätter vitale Marimba-Melodien im Klezmerstil auf die Ohren, kombiniert mit prasselnden Darbuka-Rhythmen, später Schlagwerkekstase und Marimbawispern per Handschlag. In Keiko Abes "The wave" sorgt das vierköpfige Perkussionensemble für einen Klangteppich aus ratternden Rhythmen, auf dem der Star Schlägel über die Marimba tanzen lässt, oder man schichtet gemeinsam Klangflächen.
Grubinger, der auch pfiffig durchs Programm führt, liegt Iannis Xenakis' "Pleiades" sichtbar am Herzen: Ein raffiniert mathematisch ausgetüfteltes Werk, in dem Klicktracks in den Ohren der sechs beteiligten Perkussionisten dafür sorgen, dass das Unisono-Trommeln in scheinbares Chaos auseinanderdriften und wieder zueinanderfinden kann. Grubinger hat neben seinen Kollegen Slavik Stakhov, Manuel Hofstätter, Sabine Pyrker und Rainer Furthner nun auch seinen trommelnden Vater auf die Bühne geholt, der seine Tourneen stets begleitet.
Längst ist das Publikum euphorisiert und jubelt, vom Spaß und von der Ekstase auf der Bühne angesteckt. In Carlos Jobims "Chega de Saudade" zeigt der Klassikstar auf dem Vibraphon, dass er auch Jazz kann, während Heiko Jung das Ensemble mit E-Bass-Klängen bereichert und Ismael Barrios Orozco auf der kistenartigen Cajon für brasilianisches Flair sorgt. In Matthias Schmitts "Ghanaia" schließlich bringt der Westafrikaner Louis Sanou sein exotisches Balafon zum Singen, und Vögel zwitschern, und Regen rauscht. Die Welt des Schlagwerks ist eben groß, fast scheint sie an diesem Abend unendlich.
Rezension für die Eßlinger Zeitung von heute. Das Konzert fand statt am 9. April 2013.

Stuttgart – Klassikstars wirken in der Regel bierernst und scheinen oft eher von ihrem hohem Arbeitsethos getrieben als vom Spaß an der Sache. Bei Martin Grubinger, der als derzeit berühmtester Schlagzeuger die Musentempel und großen Festivals dieser Welt bereist, ist das anders. Wenn der Österreicher auf die Bühne springt, wirkt das so, als habe er seit Tagen und Nächten sehnsüchtig nur auf diesen einen lustvollen Moment gewartet. Im gut besuchten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle, wo der 29-Jährige jetzt mit befreundeten Musikern in einem reinen Schlagzeugprogramm seine Kunst zeigte, verkündete er nach fast jedem Stück schwitzend, nach Luft schnappend und mit leuchtenden Augen: "Mensch, hat das Spaß gemacht!"
Wie viel Arbeit hinter seiner Trommelkunst steht, in der er zigtausend Bewegungsabläufe koordinieren muss, kann man nur erahnen. Die dicke Hornhaut an den Händen, die Schwielen und Blasen, die von oft zehnstündigem Üben am Tag künden, sieht das Publikum nicht. Wer aber ganz genau hinschaut, kann das eine oder andere Pflaster erkennen.
Grubinger beginnt sein Programm in Stuttgart nicht mit Trommeldonner, sondern samtpfötig. Mit Andrew Thomas' "Merlin" für Marimba solo, aus der vor allem geheimnisvoll flüsternde und sakrale Klänge dampfen. So leise bearbeitet er die Holzklangstäbe mit vier Schlägeln, dass selbst lautes Atmen im Publikum zum Störfaktor wird. Extrovertiert geht es dagegen in Maki Ishiis "Thirteen Drums" zur Sache: eruptiv, von Wirbelattacken und harten Akzenten durchzuckt. Jetzt bearbeitet Grubinger Congas und andere afrikanische Trommeln. Ein Multiperkussionist spielt eben Tausende Instrumente. Wie ein Parcours wirkt die Bühne, die flächendeckend große bis winzige Schlaginstrumente – gruppiert in Inseln – bevölkern.
In Avman Dormans "Udacrep Akubrad" gibt es im Duo mit dem Perkussionisten Manuel Hofstätter vitale Marimba-Melodien im Klezmerstil auf die Ohren, kombiniert mit prasselnden Darbuka-Rhythmen, später Schlagwerkekstase und Marimbawispern per Handschlag. In Keiko Abes "The wave" sorgt das vierköpfige Perkussionensemble für einen Klangteppich aus ratternden Rhythmen, auf dem der Star Schlägel über die Marimba tanzen lässt, oder man schichtet gemeinsam Klangflächen.
Grubinger, der auch pfiffig durchs Programm führt, liegt Iannis Xenakis' "Pleiades" sichtbar am Herzen: Ein raffiniert mathematisch ausgetüfteltes Werk, in dem Klicktracks in den Ohren der sechs beteiligten Perkussionisten dafür sorgen, dass das Unisono-Trommeln in scheinbares Chaos auseinanderdriften und wieder zueinanderfinden kann. Grubinger hat neben seinen Kollegen Slavik Stakhov, Manuel Hofstätter, Sabine Pyrker und Rainer Furthner nun auch seinen trommelnden Vater auf die Bühne geholt, der seine Tourneen stets begleitet.
Längst ist das Publikum euphorisiert und jubelt, vom Spaß und von der Ekstase auf der Bühne angesteckt. In Carlos Jobims "Chega de Saudade" zeigt der Klassikstar auf dem Vibraphon, dass er auch Jazz kann, während Heiko Jung das Ensemble mit E-Bass-Klängen bereichert und Ismael Barrios Orozco auf der kistenartigen Cajon für brasilianisches Flair sorgt. In Matthias Schmitts "Ghanaia" schließlich bringt der Westafrikaner Louis Sanou sein exotisches Balafon zum Singen, und Vögel zwitschern, und Regen rauscht. Die Welt des Schlagwerks ist eben groß, fast scheint sie an diesem Abend unendlich.
Rezension für die Eßlinger Zeitung von heute. Das Konzert fand statt am 9. April 2013.
eduarda - 11. Apr, 11:48