Vollkommene Schönheit
Der US-amerikanische Pianist Kit Armstrong und das Kammerorchester Basel im Ludwigsburger Forum
Ludwigsburg – Ein zarter junger Mann ist Kit Armstrong. Bescheiden, ohne Allüren, mit einem feinen Lächeln im Gesicht setzt sich der 24-jährige Wunderpianist und Mathematiker an den Flügel im voll besetzten Ludwigsburger Forum am Schlosspark. Und ganz in diesem sichtbaren Einklang mit sich und der Welt spielt er dann auch Mozarts frühes Wiener Klavierkonzert A-Dur KV 414, das noch ganz im Zeichen des klassischen Ideals ausgewogener Einheit und Harmonie steht. Der US-amerikanische Star-Pianist zelebriert dieses und Mozarts späteres Wiener-Konzert C-Dur KV 503 zusammen mit dem Kammerorchester Basel, das historisch ambitioniert im Stehen spielt und nicht nur wegen der übersichtlichen Streicherbesetzung ein Höchstmaß an Transparenz und geschmeidiger Artikulation an den Tag legt. Das kommt auch der fünften Sinfonie des 19-jährigen Franz Schuberts zugute, mit der der Konzertabend enden wird. Kammerorchester von diesem Niveau spielen ohne Dirigenten, die Einsätze gibt der Konzertmeister Vlad Stanculeasa.
Im Mozart’schen A-Dur-Konzert scheint für Kit Armstrong die vollkommene Schönheit im Mittelpunkt zu stehen, und gerade im Andante-Satz setzt er durch verschattet-melancholische Töne auf romantische Farben. Er haushaltet mit den Lautstärken äußerst sensibel. Nie ist er zu laut, immer schön in der Waage mit dem Orchester. Andererseits liegt seine Besonderheit nicht unbedingt im Zwang, möglichst mozartisch zu spielen. Seine Qualität ist eine, die rarer ist. So rar, dass sie wie gewöhnlich auch an diesem Abend nicht einmal im Programmheft Erwähnung findet. Wer rechnet schon damit, dass er nicht – wie die meisten Pianisten und Pianistinnen – die von Mozart selbst oder anderen Komponisten überlieferten Solokadenzen übernimmt, die sich meist in spielerisch-neckischem Laufwerk und Arpeggi-Ketten gefallen und wiederholen. Nein, Armstrong schreibt oder improvisiert sie selbst. Und sie offenbaren seine kompositorischen Qualitäten: Auch in Mozarts C-Dur-Konzert hört man deutlich Armstrongs Lieblingskomponisten Johann Sebastian Bach heraus: in der imitatorischen Verarbeitung thematischer Gedanken, in der Dichte der kontrapunktischen Stimmführung. Eigentlich klingen die Solokadenzen nicht wie virtuose Improvisationen, sondern wie ausgearbeitete Durchführungsteile.
Dass sie doch aus dem Stegreif gespielt sein könnten, zeigt sich mehr an ihrer Länge. Besonders im A-Dur-Konzert ufern Armstrongs solistische Höhenflüge ein wenig aus, das Orchester steht lange unbeschäftigt da, und das ist sicherlich nicht im Sinne Mozarts, der das Orchester niemals zugunsten des Solisten vernachlässigen wollte. Die Spannung in seinen Konzerten entsteht durch einen wohl ausgewogenen Dialog zwischen beiden, und dieser kommunikativen Seite schenkt Armstrong auch sonst zu wenig Beachtung.
Rezension für die Stuttgarter Zeitung / Stuttgarter Nachrichten vom 8./9. 2016.
Ludwigsburg – Ein zarter junger Mann ist Kit Armstrong. Bescheiden, ohne Allüren, mit einem feinen Lächeln im Gesicht setzt sich der 24-jährige Wunderpianist und Mathematiker an den Flügel im voll besetzten Ludwigsburger Forum am Schlosspark. Und ganz in diesem sichtbaren Einklang mit sich und der Welt spielt er dann auch Mozarts frühes Wiener Klavierkonzert A-Dur KV 414, das noch ganz im Zeichen des klassischen Ideals ausgewogener Einheit und Harmonie steht. Der US-amerikanische Star-Pianist zelebriert dieses und Mozarts späteres Wiener-Konzert C-Dur KV 503 zusammen mit dem Kammerorchester Basel, das historisch ambitioniert im Stehen spielt und nicht nur wegen der übersichtlichen Streicherbesetzung ein Höchstmaß an Transparenz und geschmeidiger Artikulation an den Tag legt. Das kommt auch der fünften Sinfonie des 19-jährigen Franz Schuberts zugute, mit der der Konzertabend enden wird. Kammerorchester von diesem Niveau spielen ohne Dirigenten, die Einsätze gibt der Konzertmeister Vlad Stanculeasa.
Im Mozart’schen A-Dur-Konzert scheint für Kit Armstrong die vollkommene Schönheit im Mittelpunkt zu stehen, und gerade im Andante-Satz setzt er durch verschattet-melancholische Töne auf romantische Farben. Er haushaltet mit den Lautstärken äußerst sensibel. Nie ist er zu laut, immer schön in der Waage mit dem Orchester. Andererseits liegt seine Besonderheit nicht unbedingt im Zwang, möglichst mozartisch zu spielen. Seine Qualität ist eine, die rarer ist. So rar, dass sie wie gewöhnlich auch an diesem Abend nicht einmal im Programmheft Erwähnung findet. Wer rechnet schon damit, dass er nicht – wie die meisten Pianisten und Pianistinnen – die von Mozart selbst oder anderen Komponisten überlieferten Solokadenzen übernimmt, die sich meist in spielerisch-neckischem Laufwerk und Arpeggi-Ketten gefallen und wiederholen. Nein, Armstrong schreibt oder improvisiert sie selbst. Und sie offenbaren seine kompositorischen Qualitäten: Auch in Mozarts C-Dur-Konzert hört man deutlich Armstrongs Lieblingskomponisten Johann Sebastian Bach heraus: in der imitatorischen Verarbeitung thematischer Gedanken, in der Dichte der kontrapunktischen Stimmführung. Eigentlich klingen die Solokadenzen nicht wie virtuose Improvisationen, sondern wie ausgearbeitete Durchführungsteile.
Dass sie doch aus dem Stegreif gespielt sein könnten, zeigt sich mehr an ihrer Länge. Besonders im A-Dur-Konzert ufern Armstrongs solistische Höhenflüge ein wenig aus, das Orchester steht lange unbeschäftigt da, und das ist sicherlich nicht im Sinne Mozarts, der das Orchester niemals zugunsten des Solisten vernachlässigen wollte. Die Spannung in seinen Konzerten entsteht durch einen wohl ausgewogenen Dialog zwischen beiden, und dieser kommunikativen Seite schenkt Armstrong auch sonst zu wenig Beachtung.
Rezension für die Stuttgarter Zeitung / Stuttgarter Nachrichten vom 8./9. 2016.
eduarda - 9. Okt, 12:39