Dienstag, 15. Februar 2011

Wer singt, verscheucht das Übel

Das Festival Eclat mit fünf Uraufführungen am Samstag

Stuttgart – Der Andrang beim Neue-Musik-Festival Eclat und damit das allgemeine Interesse an der musikalischen Avantgarde scheint in Stuttgart stetig zu wachsen. Beide Samstagskonzerte in den Sälen T2 und 3 des Theaterhauses waren vorab schon ausverkauft.

Das Nachmittagskonzert mit drei Uraufführungen begann mit Juan-Manuel Chávez' siebenteiligem Streichquartett "mortuus, regnat vivus", das sich im Titel auf die gregorianische Ostersequenz bezieht und von den Lauschern ein Höchstmaß an Konzentration forderte. 40 Minuten lang artikulierte das Minguet Quartett unterschiedliche Erregungszustände, spürte es der sachlich-distanzierten Material-Arbeit des Komponisten sorgfältig nach, der sich sämtlicher Klang-Vokabeln der Neuen Musik bis hin zum Geräusch bedient. Dass Primarius Ulrich Isfort dabei eine Saite riss, mag bei all den harten Zupfern und Klopfern kein Zufall gewesen sein. Dass der Minguet-Bratschistin Aroa Sorin dann im Abendkonzert in Wolfgang Rihms 11. Streichquartett – das eine diametral entgegengesetzte, sinnlichere, musikalisch zurückblickende Klangwelt aufbaute – dasselbe passierte, war eine witzige Spiegelung der Ereignisse.

Ansonsten gehörte der Tag der mehrstimmigen Vokalmusik. Zu hören war zunächst das SWR Vokalensemble unter Leitung von Marcus Creed mit Franklin Cox' kurzweiliger "Spiegelgeschichte C", die erst ein Wirrwarr unterschiedlichster zoologischer Laute entfaltete, um dann in polyphonen Schönklang zu entschweben. In Flo Menezes' "Retrato Falado das Paixoes" (Phantombild der Leidenschaften) wurde das glänzend aufgelegte Ensemble dann auch schauspielerisch gefordert und vereinte Gefühlsäußerungen jedweder Art und klassisch erzeugte Stimmbandvibrationen mit streng choreographierten Bewegungen im ganzen Raum (Regie: Marcelo Cardoso Gama). Das eingangs skandierte "Wer singt, verscheucht das Übel" blieb am Ende nicht nur Verheißung.

Abends widmeten sich dann die Stuttgarter Neuen Vocalsolisten neben Werken von Naomi Pinnock und Markus Hechtle zwei Uraufführungen. "Stimme und Tod" für sieben Stimmen von Nikolaus Brass führte zu einer immensen Ausdehnung des Zeitempfindens. Mal solo, mal im Duett, mal im Chor ging es in meditativem Metrum immer um Grenzgänge zwischen Ton, Geräusch und völligem Verstummen.

Dagegen offenbarte Lars Petter Hagen in seinem "Neue Vocalsolisten Stuttgart Notebook" viel Humor und Praxis in der Gruppenselbsterfahrung. Eng umschlungen zu einer Kuschelsäule, summten die sechs Vocalsolisten Peter Gabriels "Don't give up", während jeweils eine Person nach vorne trat, um über ihre "Problemtöne" zu parlieren. Dass alle am Ende zu Instrumenten griffen, die sie einst in der Jugend gespielt hatten, um ihren Bariton Guillermo Anzorena beim Singen eines argentinisch anmutenden Volksliedes zu begleiten, löste beim Publikum selbstredend äußerste Begeisterung aus.

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 14.2.2011. Die Konzert fanden statt am 12.2.

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