Wucht und Versonnenheit
Stuttgarter Philharmoniker mit Musik aus neuen Welten
Stuttgart - In der großen Konzertreihe der Stuttgarter Philharmoniker, die sich in dieser Spielzeit dem Thema „Heimat und Fremde“ widmen, darf natürlich Antonín Dvoráks neunte Sinfonie „Aus der neuen Welt“ nicht fehlen. Der böhmische Komponist schrieb sie Anfang der 1890er-Jahre fernab seiner Heimat als Lehrer und künstlerischer Leiter des New Yorker Konservatoriums. Dvorák, der geniale Melodienerfinder, ließ es sich nicht nehmen, in seinen Themen neu Gehörtes, etwa amerikanische Folklore à la „Swing low, sweet chariot“, zu verarbeiten und sie mit der musikalischen Idiomatik seiner Heimat zu verschmelzen. Die Amerikaner dankten es ihm, und die New York Times schrieb zur Uraufführung 1893 begeistert: „Die Sinfonie ‚Aus der Neuen Welt‘, eine Studie nationaler Musik. Eine Lehre für die amerikanischen Komponisten.“
Die für damalige Verhältnisse exotische Klangwelt der Neunten kommt auch heute noch gut an: Der Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Die Stuttgarter Philharmoniker und ihr Chef Gabriel Feltz brachten diese internationale Romantik, in der die Hörner nicht vom tiefdunklen europäischen Wald sprechen, sondern von den Weiten der Prärie, schwelgend, vielfarbig und süffig zum Schwingen und Singen. Feltz ließ seinem Orchester viel Freiraum zur solistischen Entfaltung, ja, er dirigierte ungewohnt lässig. Das kam dem erzählerisch breiten Gestus der Neunten sehr zugute.
Ekstase am Schluss
Ergänzt wurde der Abend durch die „Rhapsody in Blue“, mit der George Gershwin 1924 den sinfonischen Jazz miterfunden hatte. Die Philharmoniker sorgten für rhythmischen Drive und sinfonische Wucht, worauf Andreas Boyde am Klavier manchmal zu sensibel reagierte. Etwas mehr rhythmische Konturierung und ein gelegentlich härteres Zupacken von seiner Seite hätten nicht geschadet. Immerhin verlor Boyde niemals die Zielrichtung hin zur finalen Klangentladung aus den Augen. Den ekstatischen Schlusspunkt erspielte er perfekt und wirkungsvoll. Das Publikum war hin und weg vom zierlichen Pianisten aus Sachsen, der heute in London lebt.
An den Start gegangen waren die Philharmoniker mit sechs Perkussionisten, die den rhythmisch-metrisch hochdifferenzierten Klangwelten des 1997 komponierten Orchesterstücks „Asyla“ des britischen Komponisten Thomas Adès die nötige Erdung verpassten. Bei aller rhythmischen Versiertheit, in der zuweilen sogar die Techno-Sphäre Londoner Clubs aufscheint, hat Adès mit „Asyla“ dennoch ein Werk geschaffen, das sich an den Charakteren der klassischen viersätzigen Sinfonie orientiert. Immer wieder mündet es in Enklaven verträumter Versonnenheit und hebt im langsamen Satz traditionsgemäß zur großen Klage an. Die Arbeit der hochkonzentriert agierenden Philharmoniker, die sich dieser faszinierenden Mixtur aus Klassik und Moderne mit Leidenschaft widmeten, wurde leider gelegentlich durch schrilles Husten von Seiten der offenbar kollektiv erkrankten Zuhörerschaft gestört. Schade!
Stuttgart - In der großen Konzertreihe der Stuttgarter Philharmoniker, die sich in dieser Spielzeit dem Thema „Heimat und Fremde“ widmen, darf natürlich Antonín Dvoráks neunte Sinfonie „Aus der neuen Welt“ nicht fehlen. Der böhmische Komponist schrieb sie Anfang der 1890er-Jahre fernab seiner Heimat als Lehrer und künstlerischer Leiter des New Yorker Konservatoriums. Dvorák, der geniale Melodienerfinder, ließ es sich nicht nehmen, in seinen Themen neu Gehörtes, etwa amerikanische Folklore à la „Swing low, sweet chariot“, zu verarbeiten und sie mit der musikalischen Idiomatik seiner Heimat zu verschmelzen. Die Amerikaner dankten es ihm, und die New York Times schrieb zur Uraufführung 1893 begeistert: „Die Sinfonie ‚Aus der Neuen Welt‘, eine Studie nationaler Musik. Eine Lehre für die amerikanischen Komponisten.“
Die für damalige Verhältnisse exotische Klangwelt der Neunten kommt auch heute noch gut an: Der Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Die Stuttgarter Philharmoniker und ihr Chef Gabriel Feltz brachten diese internationale Romantik, in der die Hörner nicht vom tiefdunklen europäischen Wald sprechen, sondern von den Weiten der Prärie, schwelgend, vielfarbig und süffig zum Schwingen und Singen. Feltz ließ seinem Orchester viel Freiraum zur solistischen Entfaltung, ja, er dirigierte ungewohnt lässig. Das kam dem erzählerisch breiten Gestus der Neunten sehr zugute.
Ekstase am Schluss
Ergänzt wurde der Abend durch die „Rhapsody in Blue“, mit der George Gershwin 1924 den sinfonischen Jazz miterfunden hatte. Die Philharmoniker sorgten für rhythmischen Drive und sinfonische Wucht, worauf Andreas Boyde am Klavier manchmal zu sensibel reagierte. Etwas mehr rhythmische Konturierung und ein gelegentlich härteres Zupacken von seiner Seite hätten nicht geschadet. Immerhin verlor Boyde niemals die Zielrichtung hin zur finalen Klangentladung aus den Augen. Den ekstatischen Schlusspunkt erspielte er perfekt und wirkungsvoll. Das Publikum war hin und weg vom zierlichen Pianisten aus Sachsen, der heute in London lebt.
An den Start gegangen waren die Philharmoniker mit sechs Perkussionisten, die den rhythmisch-metrisch hochdifferenzierten Klangwelten des 1997 komponierten Orchesterstücks „Asyla“ des britischen Komponisten Thomas Adès die nötige Erdung verpassten. Bei aller rhythmischen Versiertheit, in der zuweilen sogar die Techno-Sphäre Londoner Clubs aufscheint, hat Adès mit „Asyla“ dennoch ein Werk geschaffen, das sich an den Charakteren der klassischen viersätzigen Sinfonie orientiert. Immer wieder mündet es in Enklaven verträumter Versonnenheit und hebt im langsamen Satz traditionsgemäß zur großen Klage an. Die Arbeit der hochkonzentriert agierenden Philharmoniker, die sich dieser faszinierenden Mixtur aus Klassik und Moderne mit Leidenschaft widmeten, wurde leider gelegentlich durch schrilles Husten von Seiten der offenbar kollektiv erkrankten Zuhörerschaft gestört. Schade!
eduarda - 14. Jan, 19:04