Auf Klangwellen surfen
Der Klarinettist Kari Kriikku bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen
Als der schlanke, finnische Klarinettenstar Kari Kriikku die Bühne des Ludwigsburger Forums betritt, baut er einen kleinen Hüpfer ein in seine weiten, geschmeidigen Schritte: Als freue er sich diebisch darauf, endlich die Energie zu entladen, die Magnus Lindbergs Klarinettenkonzert einfordert und die Kriikku wohl schon einige Zeit vor seinem Auftritt hat sammeln müssen. Was dann in den nächsten 40 Minuten folgt, schüttelt man ja nicht einfach so aus dem Ärmel. Das Konzert ist einsätzig, ohne Atempause geht es ab in die oberste Liga der Instrumentenbeherrschung, die an diesem Abend in ihrer Vollkommenheit und ihrem riesigen Ausdrucks- und Farbenspektrum geradezu erschüttert. Ist das wirklich bloß eine Klarinette, die der Finne da spielt?
Das Konzert schrieb Lindberg Kriikku 2002 gleichsam auf den Leib. Es ist ein glänzend komponiertes Virtuosenstück, in dem das Orchester mal zum Klangmantel mutiert, mal zu plastischer Klanglandschaft. Es greift Impulse des Solisten auf, vergrößert und spiegelt sie, bricht sie zuweilen auf in schillernde Flächen. Die komplexe, polystilistische Partitur, die Neoromantik mit den geräuschhaft-experimentellen Errungenschaften der Neuen Musik verbindet, verwandelte das Festivalorchester in der Leitung des smarten Pietari Inkinen in brodelnde Eruptionen, Schatten und Licht, schillernde Farbmeere. Eine perfekte Klangkulisse für den heldischen Solisten: Das schön melancholische Klarinettensolo des Beginns mündet schon bald in euphorische Hitze und albverträumte Poesie. Kriikkus Klarinette scheint wie eine Surferin auf den Klangwellen des Orchesters zu gleiten, in Glissando-Sturz- und Raketenflügen. In zerklüfteten Schluchten lässt Kriikku Oberton-Geschrei hallen, lässt jäh angerissene Töne rasend schnell von der Hölle in den Himmel hüpfen. Setzt Bluesmelodien ins Vakuum, das das Orchester sorgfältig herausgearbeitet hat. Und auch das mehrstimmige Spiel wirkt beim Finnen so, als wäre es das Allerleichteste dieser Welt. Und was ist das bloß für ein merkwürdiger Vogel, den er da in der Solokadenz imitiert?
So was hört man nicht alle Tage, und vor dem Spektakulären musste das weitere Programm erblassen: die durchaus mitreißend gespielten Tondichtungen „Don Juan“ und „Till Eulenspiegel“ von Richard Strauss. Wobei letztere nicht schlecht zur Persönlichkeit Kriikkus passte, der in der Zugabe, „Dance of Joy“ von Roberto Pansera, ins clowneske Fach wechselte.
Rezension für die Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten vom 14. Mai 2016.
Als der schlanke, finnische Klarinettenstar Kari Kriikku die Bühne des Ludwigsburger Forums betritt, baut er einen kleinen Hüpfer ein in seine weiten, geschmeidigen Schritte: Als freue er sich diebisch darauf, endlich die Energie zu entladen, die Magnus Lindbergs Klarinettenkonzert einfordert und die Kriikku wohl schon einige Zeit vor seinem Auftritt hat sammeln müssen. Was dann in den nächsten 40 Minuten folgt, schüttelt man ja nicht einfach so aus dem Ärmel. Das Konzert ist einsätzig, ohne Atempause geht es ab in die oberste Liga der Instrumentenbeherrschung, die an diesem Abend in ihrer Vollkommenheit und ihrem riesigen Ausdrucks- und Farbenspektrum geradezu erschüttert. Ist das wirklich bloß eine Klarinette, die der Finne da spielt?
Das Konzert schrieb Lindberg Kriikku 2002 gleichsam auf den Leib. Es ist ein glänzend komponiertes Virtuosenstück, in dem das Orchester mal zum Klangmantel mutiert, mal zu plastischer Klanglandschaft. Es greift Impulse des Solisten auf, vergrößert und spiegelt sie, bricht sie zuweilen auf in schillernde Flächen. Die komplexe, polystilistische Partitur, die Neoromantik mit den geräuschhaft-experimentellen Errungenschaften der Neuen Musik verbindet, verwandelte das Festivalorchester in der Leitung des smarten Pietari Inkinen in brodelnde Eruptionen, Schatten und Licht, schillernde Farbmeere. Eine perfekte Klangkulisse für den heldischen Solisten: Das schön melancholische Klarinettensolo des Beginns mündet schon bald in euphorische Hitze und albverträumte Poesie. Kriikkus Klarinette scheint wie eine Surferin auf den Klangwellen des Orchesters zu gleiten, in Glissando-Sturz- und Raketenflügen. In zerklüfteten Schluchten lässt Kriikku Oberton-Geschrei hallen, lässt jäh angerissene Töne rasend schnell von der Hölle in den Himmel hüpfen. Setzt Bluesmelodien ins Vakuum, das das Orchester sorgfältig herausgearbeitet hat. Und auch das mehrstimmige Spiel wirkt beim Finnen so, als wäre es das Allerleichteste dieser Welt. Und was ist das bloß für ein merkwürdiger Vogel, den er da in der Solokadenz imitiert?
So was hört man nicht alle Tage, und vor dem Spektakulären musste das weitere Programm erblassen: die durchaus mitreißend gespielten Tondichtungen „Don Juan“ und „Till Eulenspiegel“ von Richard Strauss. Wobei letztere nicht schlecht zur Persönlichkeit Kriikkus passte, der in der Zugabe, „Dance of Joy“ von Roberto Pansera, ins clowneske Fach wechselte.
Rezension für die Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten vom 14. Mai 2016.
eduarda - 15. Mai, 18:13