Goldene Rheinperlen
Stuttgarter Philharmoniker mit einer Uraufführung zum Saisonstart
Stuttgart - Ach, ist das schön, das "Rheingold"-Vorspiel, dachte man: dieses wogende, wallende, wabernde Es-Dur. Diese Ursuppe, in der die Motive brodeln, aus denen Richard Wagner dann seinen "Ring" wob. Doch am Donnerstag im Saisoneröffnungskonzert der Stuttgarter Philharmoniker im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle war damit plötzlich Schluss: Eine kurze Zäsur, dann zerfiel der fließende Klang in unzählige kleine, aggressiv bitzelnde Einzelfeuer. Ein spektakulärer Effekt, mit dem "The way down is the way up II" des Leipziger Komponisten Bernd Franke beginnt.
Das viersätzige, 20-minütige Orchesterstück war von den Philharmonikern in Auftrag gegeben worden – mit der Prämisse, auf Wagners "Rheingold" Bezug zu nehmen. Eine Programmsinfonie komponierte Franke indes nicht. Vielmehr experimentierte er mit musikalischen Aggregatzuständen: mit fließenden, stockenden, statischen Bewegungsverläufen. Er bediente sich dabei virtuos im großen Klangpool der Musikgeschichte, äußert sich mal vage tonal, mal in nervös wuselnden, dissonanten Klangnetzen, mal mit meditativ-asiatischer Färbung. Franke ist kein Komponist, der die Musiker verhungern lässt: Er kostet das Farbspektrum des großen Orchesters schwelgerisch aus, arbeitet mit gegensätzlichen Klangschichten, fächert den Instrumentenapparat fein auf. Schillernde Effekte ergeben sich so. Einmal etwa entsteht der Eindruck, als zöge sich das Wasser des Rheins zurück und legte das Flussbett frei, in dem es von Tausenden Aalen wimmelt. Die Philharmoniker zeigten sich unter Leitung von Gabriel Feltz in jeder Hinsicht in Höchstform.
Nach einer solch üppigen Klanglichkeit, wirkte Beethovens drittes Klavierkonzert wahrhaft klassisch, licht und klar. Die serbische Pianistin Jasminka Stancul erfreute durch kontrollierte, präzise Technik und einen poetischen, beseelten, warmen Ton von hoher Intensität.
In Wagners sinfonischen Teilen aus der "Götterdämmerung" gefielen sich die Philharmoniker dann abschließend im Bewegen immenser Klangmassen und in donnernder Dramatik, bevor Ricarda Merbeth in Brünnhildes Schlussgesang mit wohltimbrierter, sicherer, weit tragender Stimme das Publikum zu euphorischem Beifall animierte. Ein starker Saisonauftakt!
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 9.10.2010. Das Konzert fand statt am 8.10.
Stuttgart - Ach, ist das schön, das "Rheingold"-Vorspiel, dachte man: dieses wogende, wallende, wabernde Es-Dur. Diese Ursuppe, in der die Motive brodeln, aus denen Richard Wagner dann seinen "Ring" wob. Doch am Donnerstag im Saisoneröffnungskonzert der Stuttgarter Philharmoniker im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle war damit plötzlich Schluss: Eine kurze Zäsur, dann zerfiel der fließende Klang in unzählige kleine, aggressiv bitzelnde Einzelfeuer. Ein spektakulärer Effekt, mit dem "The way down is the way up II" des Leipziger Komponisten Bernd Franke beginnt.
Das viersätzige, 20-minütige Orchesterstück war von den Philharmonikern in Auftrag gegeben worden – mit der Prämisse, auf Wagners "Rheingold" Bezug zu nehmen. Eine Programmsinfonie komponierte Franke indes nicht. Vielmehr experimentierte er mit musikalischen Aggregatzuständen: mit fließenden, stockenden, statischen Bewegungsverläufen. Er bediente sich dabei virtuos im großen Klangpool der Musikgeschichte, äußert sich mal vage tonal, mal in nervös wuselnden, dissonanten Klangnetzen, mal mit meditativ-asiatischer Färbung. Franke ist kein Komponist, der die Musiker verhungern lässt: Er kostet das Farbspektrum des großen Orchesters schwelgerisch aus, arbeitet mit gegensätzlichen Klangschichten, fächert den Instrumentenapparat fein auf. Schillernde Effekte ergeben sich so. Einmal etwa entsteht der Eindruck, als zöge sich das Wasser des Rheins zurück und legte das Flussbett frei, in dem es von Tausenden Aalen wimmelt. Die Philharmoniker zeigten sich unter Leitung von Gabriel Feltz in jeder Hinsicht in Höchstform.
Nach einer solch üppigen Klanglichkeit, wirkte Beethovens drittes Klavierkonzert wahrhaft klassisch, licht und klar. Die serbische Pianistin Jasminka Stancul erfreute durch kontrollierte, präzise Technik und einen poetischen, beseelten, warmen Ton von hoher Intensität.
In Wagners sinfonischen Teilen aus der "Götterdämmerung" gefielen sich die Philharmoniker dann abschließend im Bewegen immenser Klangmassen und in donnernder Dramatik, bevor Ricarda Merbeth in Brünnhildes Schlussgesang mit wohltimbrierter, sicherer, weit tragender Stimme das Publikum zu euphorischem Beifall animierte. Ein starker Saisonauftakt!
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 9.10.2010. Das Konzert fand statt am 8.10.
eduarda - 9. Okt, 11:40