Freitag, 10. Dezember 2010

Freiheit versus Staatsräson

Vor der Premiere: Donizettis „Maria Stuarda“ konzertant an der Stuttgarter Staatsoper

Singt die Rolle der Königin Elisabeth: Mezzosopranistin Ezgi Kutlu (Foto: Stuttgarter Staatsoper)
Mezzosopranistin Ezgi Kutlu

Stuttgart - Die italienischen Opernkomponisten des 19. Jahrhunderts hegten eine besondere Vorliebe für Schillers Dramen: vor allem wegen ihrer politischen Themen und moralischen Konflikte. Berühmt sind heute vor allem Gioachino Rossinis „Wilhelm Tell“ und die „Don Carlos“-Adaption von Giuseppe Verdi, der noch drei weitere Schiller-Dramen vertonte: „Die Jungfrau von Orléans“, „Die Räuber“ und „Kabale und Liebe“ (bei Verdi: „Luisa Miller“); letztere hatte kürzlich an der Stuttgarter Staatsoper Premiere.

Jetzt widmet sich die Staatsoper einer weiteren Schiller-Oper: Donizettis romantischer Belcanto-Oper „Maria Stuarda“, in der es um den Machtkampf zwischen der englisch-protestantischen Königin Elisabeth I. und ihrer Gefangenen, der schottisch-katholischen Renaissance-Fürstin Maria Stuart, geht. Eine Auseinandersetzung, die mit dem Tod der Titelheldin auf dem Schafott enden wird.

„Maria Stuarda“ brachte dem Komponisten kein Glück. Kurz vor der Uraufführung 1834 wurde sie von der Zensur verboten. Dabei wurden wohl Inhalte beanstandet, mit denen sich schon Schillers bei der Uraufführung des Trauerspiels 1800 Ärger eingehandelt hatte: etwa das frei erfundene Zusammentreffen der beiden Rivalinnen, in dem Elisabeth, die in den engen Grenzen ihrer Rolle als weibliche Monarchin gefangen bleibt, schlecht wegkommt gegenüber Maria Stuart. Die findet zu einem selbstbestimmten Leben, nachdem sie sich über jegliche Todesangst hinweggesetzt hat. Staatsräson versus innere Freiheit: Ein solches Thema musste die Zäsurbehörden hellhörig machen.

Als das mehrfach umgearbeitete Libretto die Zensur endlich passieren konnte, hatte sich das Werk vom Original so weit entfernt, dass es keine Überlebenschance mehr hatte. Wiederentdeckt wurde „Maria Stuarda“ erst im Zuge der Donizetti-Renaissance in den 1960er-Jahren.

Die Stuttgarter Staatsoper bringt „Maria Stuarda“ aus Kostengründen jetzt konzertant auf die Bühne. Die Rolle der Königin Elisabeth hat die junge türkische Mezzosopranistin Ezgi Kutlu übernommen. In Ankara geboren und aufgewachsen, dort und in den USA musikalisch ausgebildet, lebt und arbeitet sie seit drei Jahren in Deutschland, wo sie als Ensemblemitglied der Nürnberger Staatsoper begann und jetzt freischaffend tätig ist. In Nürnberg sei sie die einzige lyrische Mezzosopranistin am Haus gewesen, so Kutlu. Da sei keine Zeit für die so wichtigen Gastspiele geblieben. Ezgi Kutlu war in Stuttgart schon mehrmals zu hören: als Ragonde in Rossinis „Le Comte Ory“, als dritte Dame in der „Zauberflöte“ und als Annio in Mozarts „La clemenza di Tito“. Die 30-Jährige singt die Elisabeth zum ersten Mal. Kutlu mag die Rolle, nicht nur weil sie ebenfalls an einem 7. September geboren wurde. Es mache einfach Spaß, jemanden zu spielen, der so ganz anders ist als man selbst. „Gegenüber den Sopranen dürfen wir Mezzosoprane die interessanteren Charaktere spielen: die Hosenrollen, die bösen Weiber - und nicht immer die ach so unschuldigen, weichen Frauen, die dann sterben müssen. Es gibt viel mehr Farben.“

Auch wenn auf der Bühne gerne Schwarz-Weiß gemalt werde, Elisabeth eben die Hexe sei und Maria der unschuldige Engel: In der Realität gebe es tatsächlich viel mehr Grautöne im Menschen, aber für die Dramatik sei das Plakative eben nun mal das Wirkungsvollere.

Vorbericht für die Eßlinger Zeitung vom 10.12.2010. Die Premiere beginnt an diesem Sonntag um 15 Uhr im Opernhaus.

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