Sonntag, 13. Mai 2012

Rache ist bitter

Die Stuttgarter Philharmoniker mit Fritz Langs Stummfilm „Kriemhilds Rache“ in der Stuttgarter Liederhalle

Blicke sagen mehr als Worte: Kriemhild-Darstellerin Margarete Schön. (Foto: e)

Stuttgart - Kriemhilds Rachsucht ist bitter und quälend. Das wird im zweiten Teil von Fritz Langs monumentaler Nibelungen-Verfilmung von 1924 geradezu körperlich spürbar. Zweieinviertel Stunden lang blicken einem immer wieder die starren, riesigen, unbarmherzigen Augen von Margarete Schön, der Kriemhild-Darstellerin in diesem Stummfilm, von der Leinwand entgegen. Ihr Antlitz verändert sich nur, wenn sie die Augenlider hasserfüllt und zitternd verengt. Selbst im finalen Gemetzel zwischen Hunnen und Nibelungen steht sie da wie ein Turm - vollkommen unbeweglich. Unversöhnlich fordert sie immer wieder den Tod Hagens, des intriganten Mörders ihres geliebten Siegfrieds. Und am Ende sind sie alle tot: der Burgunder-König Gunther und seine Brüder Gernot und Giselher, der Mörder Hagen und all die anderen Nibelungen - Opfer von Kriemhilds Rache und der eigenen starren Verhaltensregeln, die den Germanen zu Gefolgschaftstreue und Blutvergießen zwingen.

Die Stuttgarter Philharmoniker - mittlerweile Spezialisten in der Begleitung von bedeutenden Stummfilmen - haben „Kriemhilds Rache“ in der aufwendig restaurierten Fassung von 2010 jetzt im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle mit der Originalfilmmusik zur Aufführung gebracht.

Stummfilme brauchen die musikalische Untermalung, denn geräuschlos geht es nirgendwo zu auf der Welt. Und je besser die Filmmusik, desto suggestiver ihre Kraft: so wie Gottfried Huppertz’ Musik zu Langs zweiteiliger, insgesamt fünfstündiger Verfilmung des mittelalterlichen Heldenepos. Huppertz hat in den "Nibelungen" trotz ausgeprägter Leitthemenverwendung zum Zwecke der Psychologisierung jegliche Wagner-Anklänge vermieden. Er hat etwas ganz Eigenständiges geschaffen und damit seinerzeit neue Maßstäbe gesetzt: Ein kongeniale zweite Spur zur Bilderflut auf der Leinwand. Ob streng strukturierte, starre Bilder, ob spektakuläre Panoramen oder Gewusel auf dem Schlachtfeld - die Musik ist stets eins mit dem Lauf der Bilder.

Und finster ist sie, rabenschwarz. Nibelungentreue bedeutet schließlich Streben nach Selbstvernichtung. Da gibt es nichts zu beschönigen. Lediglich in Spottgesängen oder dem orgiastischen Sonnwendfest-Gelage der barbarischen Hunnen wird die Musik mal beschwingter und heiterer. Ansonsten aber dominieren dunkle Farben. Düsteres Streichertremolo, stets melancholische Streicherkantilene, dunkle unheilverkündende Blechbläsersätze, schicksalsträge Hymnen, Paukendonner- und grummeln, elegische Holzbläsersoli: All das legt die wahren Absichten der Protagonisten frei, die in einem Netz aus Betrug und Verrat gefangen sind. Rasende Galoppaden untermalen das blutige Gemetzel, und dem finalen Brand der Hunnenburg ist eine hitzige Sturmmusik unterlegt.

Die Philharmoniker in der Leitung ihres Chefs Gabriel Feltz brachten all das mitreißend zur Geltung - mit dem nötigen Streicherschmelz, mit glasklaren Blechbläserchören, mit wunderschönen Holzbläsersoli. So verschmolzen Bild und Ton zu einem Sog, dem sich wohl niemand im Beethovensaal entziehen konnte.

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten und die Eßlinger Zeitung vom 12. Mai. Das Konzert fand statt am 10. Mai.

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