Zart glitzerndes Geflecht
Das Stuttgarter Kammerorchester mit dem Pianisten Francesco Piemontesi
Stuttgart - Francesco Piemontesi lässt sich lange bitten bis zur Zugabe. Das ist wohl keine Allüre, wirkt eher bescheiden. Der knapp 30-jährige Schweizer Pianist spielt Franz Liszts "Au bord d'une source" (An einer Quelle): eines der Stücke, in denen Liszt einst seine nach eigenen Worten "tiefen Empfindungen", die Naturerscheinungen in seiner "Seele hervorriefen", in Musik verwandelt hat. Piemontesi modelliert das Akkord- und Passagenwerk, in das der Komponist die melancholische Melodie gegossen hat, zu einem feinen, zarten, glitzernden Geflecht. Die virtuose Geste wird zur Struktur und damit zur Substanz. Im Abo-Konzert des Stuttgarter Kammerorchesters (SKO) im gut gefüllten Hegelsaal der Stuttgarter Liederhalle war das der unmittelbar berührendste Augenblick.
Hier als introvertierter Romantiker erscheinend, hatte der Pianist zuvor, in Beethovens Klavierkonzert Nr. 2, ein ganz anderes Gesicht gezeigt. Piemontesi gehört zu jenen jüngeren, wachsenden Klaviergrößen, die sich auch im Bereich der Kammermusik einen Namen machen, deshalb trotz fingerakrobatischer Banspruchung mit wachen, geschulten Ohren auf die Mitmusizierenden zu hören in der Lage sind. Piemontesi ging dementsprechend genau auf die vielen schön artikulierten Klangfarben im Orchester ein, spiegelte hier einen feinen Flötenton oder konterte dort ein hartes Streicherstaccato. Einzelgängerisches Tastenlöwentum war gestern: Heute gewinnt der kommunikative Reiz der Gattung Solokonzert an Bedeutung. Dazu gehört auch, die Lautstärke herunterfahren zu können, dynamisch flexibel und differenziert zu reagieren, vor allem angesichts einer Kammerbesetzung. Auch in dieser Hinsicht agierte Piemontesi vorbildlich.
Die Rahmenwerke des Abends gehörten dem SKO und seinen Gästen an den Blasinstrumenten allein. In beiden Werken, der G-moll-Sinfonie aus Johann Christian Bachs op. 6 sowie Mozarts später G-moll-Sinfonie, dominierten Spielfreude und Präzision. Doch Jonathan Cohen am Dirigierpult verließ sich zu sehr auf das gestische Vorspielen von Emotionen. Die Spannungskurve dagegen verlor er gelegentlich aus dem Blick.
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 29.1.2013. Das Konzert fand statt am 27.1.
Stuttgart - Francesco Piemontesi lässt sich lange bitten bis zur Zugabe. Das ist wohl keine Allüre, wirkt eher bescheiden. Der knapp 30-jährige Schweizer Pianist spielt Franz Liszts "Au bord d'une source" (An einer Quelle): eines der Stücke, in denen Liszt einst seine nach eigenen Worten "tiefen Empfindungen", die Naturerscheinungen in seiner "Seele hervorriefen", in Musik verwandelt hat. Piemontesi modelliert das Akkord- und Passagenwerk, in das der Komponist die melancholische Melodie gegossen hat, zu einem feinen, zarten, glitzernden Geflecht. Die virtuose Geste wird zur Struktur und damit zur Substanz. Im Abo-Konzert des Stuttgarter Kammerorchesters (SKO) im gut gefüllten Hegelsaal der Stuttgarter Liederhalle war das der unmittelbar berührendste Augenblick.
Hier als introvertierter Romantiker erscheinend, hatte der Pianist zuvor, in Beethovens Klavierkonzert Nr. 2, ein ganz anderes Gesicht gezeigt. Piemontesi gehört zu jenen jüngeren, wachsenden Klaviergrößen, die sich auch im Bereich der Kammermusik einen Namen machen, deshalb trotz fingerakrobatischer Banspruchung mit wachen, geschulten Ohren auf die Mitmusizierenden zu hören in der Lage sind. Piemontesi ging dementsprechend genau auf die vielen schön artikulierten Klangfarben im Orchester ein, spiegelte hier einen feinen Flötenton oder konterte dort ein hartes Streicherstaccato. Einzelgängerisches Tastenlöwentum war gestern: Heute gewinnt der kommunikative Reiz der Gattung Solokonzert an Bedeutung. Dazu gehört auch, die Lautstärke herunterfahren zu können, dynamisch flexibel und differenziert zu reagieren, vor allem angesichts einer Kammerbesetzung. Auch in dieser Hinsicht agierte Piemontesi vorbildlich.
Die Rahmenwerke des Abends gehörten dem SKO und seinen Gästen an den Blasinstrumenten allein. In beiden Werken, der G-moll-Sinfonie aus Johann Christian Bachs op. 6 sowie Mozarts später G-moll-Sinfonie, dominierten Spielfreude und Präzision. Doch Jonathan Cohen am Dirigierpult verließ sich zu sehr auf das gestische Vorspielen von Emotionen. Die Spannungskurve dagegen verlor er gelegentlich aus dem Blick.
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 29.1.2013. Das Konzert fand statt am 27.1.
eduarda - 30. Jan, 19:34