Samstag, 23. November 2013

Schwebende Poesie

Alice Sara Ott in der Meisterpianisten-Reihe im Stuttgarter Beethovensaal

Stuttgart - Alice Sara Ott scheint über die Bühne zu schweben. Und das Grazile, Elfenhafte ihrer Gestalt überträgt sich wie von selbst auf ihr Flügel-Spiel. In ihrem Konzert im Beet­hovensaal der Stuttgarter Liederhalle gelangen ihr Wolfgang Amadeus Mozarts Neun Variationen über ein Menuett von Duprot dementsprechend leicht, zart, gesanglich und blütenrein. Die deutsch-japanische Pianistin, die wie immer barfuß spielte, weiß die unterschiedlichen Gesichter der Variationen fein zu modellieren. Schöne Kontraste erklangen da: mal witzig-spritzig, mal melancholisch, mal tänzerisch.

Mozart’sche Lyrik und Leichtigkeit überträgt sie dann auch auf Franz Schuberts große, weitausholende Sonate D-Dur D 850. Die verfasste der Komponist zwar in wohl recht guter Stimmung während einer Reise nach Gastein. Aber das heißt noch lange nicht, dass sich die gute Laune durchgängig in das Werk hineingeschrieben hat. Bei Alice Sara Ott hat man aber den Eindruck, dass es so war: Dunkel Drängendes mutiert zu energischem Schub, Nachdenklich-Reflektierendes zu Poesie, Schmerz zu entrückter Verträumtheit. Und dem kreisenden Charakter des Kopfsatzes fehlt das Manische. Er erklingt viel zu verspielt und neckisch. Dabei gelingt es Ott aber wunderbar, den sprudelnden, fließenden Atem der Sonate in Gang zu halten. Doch setzt sie zu sehr auf Farben, Brillanz und Stimmungen, was wiederum dem Beginn des zweiten Satzes, den sie zärtlich, als eine Erinnerung an ferne, glückliche Tage modelliert, durchaus gut tut.

Transparenz und Präzision

Aber die Vermittlung des großen, emotionalen Bogens, den solch gewaltige, hochanspruchsvolle Zyklen fordern, geht ein bisschen unter in ihrem flirrenden, bunten, beweglichen Spiel. Das nimmt dem 40-minütigen Werk mehr und mehr die Spannung. Ott gestaltet die Faktur allerdings bemerkenswert durchsichtig und leuchtkräftig, und Läufe, Triller, rhythmische Finessen meistert sie mit imposanter Geschmeidigkeit und Leichtigkeit.

Noch sind es offenbar nicht die großen Sonaten, die der 25-Jährigen liegen. Ott wird ja auch vor allem als virtuose Stimmungsmalerin gefeiert. Von daher waren Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ die richtige Wahl. Und Ott ist eine in­spirierte Erzählerin, die Übergänge fein gestaltet und timt - ebenso wie plötzliche Stimmungswechsel. Der massigen Klangwelt der immer wiederkehrenden „Promenade“ fehlt zwar die innere Fülle. Aber der straffe Spannungsbogen zwischen all den unterschiedlichen Bildern hält das atemlos lauschende Auditorium im Beethovensaal durchweg in Bann. Gerade die grotesken und quirligen Tonfälle formt Ott unerhört plastisch: den quietschvergnügten Tanz der Küken, den Streit spielender Kinder, das nervös-geschäftige Treiben auf dem Marktplatz von Limoges - während der finstere Gnom etwas zu romantisch geriet und das alte Schloss viel zu real. Solcherlei Mäkeleien aber hatte das Publikum nicht im Sinn. Es bereitete der sympathischen, allürenfreien Tastenlöwin am Ende ein begeistertes Jubelkonzert.

Besprechung für die Eßlinger Zeitung vom 22.11.2013. Das Konzert fand statt am 20.11.

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