Samstag, 3. Juli 2010

Komödiantisches und Lästereien

Offenbach-Gala mit Vesselina Kasarova bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Ludwigsburg - Herrliche Fratzen kann Vesselina Kasarova schneiden. Schließlich ist die gebürtige Bulgarin ja nicht nur für ihre extravagante Stimme berühmt, sondern auch für ihr komödiantisches Talent. Die uneitle Mezzosopranistin, die als Rossini- und Mozart-Expertin bekannt ist und auch ein ausgesprochenes Faible für das französische Repertoire besitzt, stand jetzt im Mittelpunkt eines Gala-Abends mit witzigen Gesangsnummern aus berühmten Pariser Operetten Jacques Offenbachs, den ihr die Ludwigsburger Schlossfestspiele auf den Leib geschneidert hatten.

Dramaturgisch aufgepeppt wurde das Konzert im vollbesetzten Ludwigsburger Forum durch Lesungen von Jan Josef Liefers, der ausgewählte Leckerbissen aus den Tagebüchern der französischen Offenbach-Zeitgenossen und Brüder Edmund und Jules Goncourt zum Besten gab. Der als skurriler Fernseh-Forensiker bekannte „Tatort“-Star Liefers trug die amüsanten Lästereien mit seinem bewährt süffisanten Charme vor: Verspottungen einer hohlen Bourgeoisie und frivolen Bohème, zu denen sich die Gebrüder Goncourt im Pariser Theater, beim Techtelmechtel in der Kutsche oder beim dekadenten Souper mit Champagner hatten inspirieren lassen. Text und Musik waren geschickt montiert und ergänzten sich atmosphärisch vorzüglich.

Von den Duisburger Philharmonikern unter Leitung von Michael Güttler delikat und elegant begleitet, formte Kasarova den satirischen Gestus der Arietten und Couplets nicht nur mit der Stimme, sondern mit dem ganzen Körper: grimassierend, sich burlesk windend, ihre Stimmbänder durchknetend von rauher Tiefe bis zum exaltierten hohen Aufschrei. Geschmeidig verwandelte sie sich von der „schönen Helene“ in die „Großherzogin von Gerolstein“ oder in die kleine Straßensängerin „Périchole“. Dass man bei den Festspielen auch diesmal wieder darauf verzichtet hat, dem Publikum in irgendeiner Form die vertonten Texte vor Augen zu führen, die zudem an diesem Abend auf Französisch gesungen wurden, schmälerte die Wirkung der komischen Effekte, die sich Karasova auf der Bühne so engagiert erarbeitete, aber erheblich. Das Ohr übte sich zumindest in dieser Hinsicht im Trockenschwimmen.

In ihren instrumentalen Zwischenspielen unterhielten die Duisburger Philharmoniker mit Ouvertüren zu Offenbach-Operetten. Doch das Orchester machte es sich dabei ein wenig zu gemütlich auf den Stühlen, und Güttler schien nicht wirklich etwas anfangen zu können mit der agilen, geistreichen Instrumentalmusik des Deutsch-Franzosen. Überzeugend gelang den Musizierenden zwar die oft schmeichelnde Melodik der Stücke, was sich auch in den vielen klangschönen Soli offenbarte, aber insgesamt fehlte es an vibrierender Spannung und am Esprit, die für Jacques Offenbach so typisch sind.

Der insgesamt gleichwohl kurzweilige Abend, der am Ende kräftig bejubelt wurde, hatte auch einiges an unfreiwilliger Komik zu bieten: So blieb Kasarova bei fast jedem Auf- und Abtritt mit ihren Stiletto-Absätzen in den nicht abgeklebten Bodenfugen des Bühnenvorbaus stecken. Sie nahm's gelassen. Und Liefers und Güttler halfen gelegentlich bei der Befreiung.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 3. Juli. Die Gala fand statt am 30. Juni 2010.

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