Sonntag, 24. November 2013

Im Einerlei opulenter Klanglichkeit

Radio-Sinfonieorchester Stuttgart mit dem Dirigenten Eliahu Inbal und dem Geiger Vadim Repin

Stuttgart - Die siebte ist Anton Bruckners dynamischste Sinfonie: nicht blockhaft gebaut wie die anderen, sondern unendlich melodisch, sehnend und singend, vibrierend und drängend, mal von spektakulären Durchbrüchen genährt, mal im Angedenken an Richard Wagner rheingoldig auf der Stelle wabernd. Da muss ein Meister des Übergangs ran, ein Dirigent, der fein differenziert, dem Orchester genau zeigt, wie was gemeint ist: dynamische Anweisungen, rhythmische Feinheiten, Akzente, Phrasen, der große Bogen. Und die Musizierenden müssen auf der vorderen Stuhlkante sitzen vor Anspannung.

In seinem Abo-Konzert im voll besetzten Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle hing das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart (RSO) aber sehr entspannt in seinen Stühlen. Und der israelische Gastdirigent Eliahu Inbal, stramm auf die 80 zugehend, wedelte fleißig mit den Armen, ohne dass man daraus immer einen Sinn hätte ablesen können. Da das RSO ein perfekt aufeinander eingespielter Klangkörper ist, lief Bruckners Siebte so gut durch wie der heiße Kaffee in einer frisch entkalkten Maschine. Aber sie langweilte schon bald. „Hört einmal her, wie laut und schnell dieses Orchester Bruckner wegdengeln kann“, schien Inbal dem Publikum sagen zu wollen - mehr aber auch nicht. Phrasen wurden oft nicht genügend ausgespielt, dynamisch wurde zu wenig abschattiert, vieles verlor sich im Einerlei einer opulenten Klanglichkeit: etwa das spektakuläre C-Dur-Plateau im zweiten Satz, das zu einer schreienden Insel im Einheits-Radau wurde. Unterhalb der Mezzoforte-Grenze ging an diesem Abend so gut wie gar nichts.

Auch Alban Bergs zuvor gespieltes Violinkonzert „Dem Angedenken eines Engels“ hatte unter der klanglichen Dominanz des Orchesters gelitten, obwohl Vadim Repin, ein Weltklasse-Geiger, die tonliche Intensität suchte. Orchester- und Solopart sind in diesem Konzert zwar eng verzahnt. Aber derart gefangen im Stimmengeflecht des Orchesters hört man einen so ausdruckswilligen Solisten selten. Auf die Impulse Repins gingen weder Dirigent noch Klangkörper ein, und sein ausdrucksvoll gespannter Gesang wurde vom Orchesterklang immer mehr eingesogen. Eliahu Inbal gelang es nicht, jene innere Spannung herzustellen, die dieses Stück zu einem Klassiker der Moderne machte. Dadurch verlor Bachs Choral „Es ist genug“, der im Finale dieses Zwölftonstücks nach einem auskomponierten Todeskampf immer wieder aufscheint, seine Einbindung ins Ganze. Ergibt er sich nicht zwingend aus dem Davor, wird er nicht deutlich erspielt, wirkt er disparat und damit kitschig.

Besprechung für die Eßlinger Zeitung vom 23.11.2013. Das Konzert fand statt am 21.11.

EDUARDAS UNIVERSUM

weblog für ernste kultur von verena großkreutz

Wer ist Eduarda?

Eduarda bin natürlich ich! Diesen Spitznamen verpasste mir ein Freund in meiner Anfangszeit als Musikkritikerin in Erinnerung an den berühmten Eduard Hanslick.

Aktuelle Beiträge

"Nazis sind immer die...
Ein Gespräch mit dem Theaterregisseur und Autor Tobias...
eduarda - 22. Mär, 23:46
wie schön!
Ich freue mich schon sehr auf die Lektüre! Allein schon...
ChristophS - 28. Dez, 16:17
Unter Hochdruck
Das SWR Symphonieorchester spielt in der Leitung des...
eduarda - 3. Dez, 10:33
Kecke Attacken
Mirga Gražinytė-Tyla hat in der Stuttgarter Liederhalle...
eduarda - 29. Nov, 19:34

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Status

Online seit 5343 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 22. Mär, 23:46

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren