Im Geisterhaus
"Zukunftsmusik" mit "Galerie" von Hannes Seidl und Daniel Kötter
Stuttgart - Ein Schild weist darauf hin, das Arrangement in diesem Büro bitte unberührt zu lassen, es gehöre zum Kunstwerk: Hier wurde vor kurzem kräftig gefeiert. Halbleere Sektgläser, Luftschlangen und Konfetti erzählen davon. Eine E-Gitarre lehnt am Lautsprecher, aus dem schrilles Saitenreißen dringt. Ein Monitor zeigt die Belegschaft in Party-Stimmung. Alles nun Vergangenheit, Melancholie liegt in der Luft.
"Feier" ist eine Station der Klang-Video-Bild-Installation "Galerie": einem "musiktheatralischen Parcours", den der Komponist Hannes Seidl und der Videokünstler Daniel Kötter im Klett-Areal in der Rotebühlstraße unter der engagierten Mitarbeit der Verlagsangestellten angelegt haben. "Galerie" eröffnete am Dienstag ein Festival im Festival: Eine eigene, vom "Innovationsfonds Musik" der Stadt Stuttgart geförderte Konzertreihe, die sich in das Großprojekt "Zukunftsmusik" eingliedert, mit dem das Netzwerk Süd und die Kultur-Region Stuttgart derzeit Zeitgenössisches in die städtische Peripherie tragen.
41 Stationen führen die Besucher einzeln durch die Eingeweide der Klett-Verlage: durch Heizungskeller, Lagerräume, Büros. Machen sie selbst zu Protagonisten der theatralen Aktion. Kein Mensch ist sonst da. Ein Telefon klingelt, man nimmt ab: niemand antwortet. Auf einem Monitor sieht man sich selbst, vor fünf Sekunden den Gang betretend. Schnitt: Ein anderer Mensch passiert dieselbe Stelle. Man dreht sich um, niemand hinter einem. Knarzen und Knarren dringt aus der Wand, hinter den Türen grummelt und grollt es. Eine alte Rechenmaschine rattert, ein alter Nadeldrucker surrt. In einem Holzverschlag steht ein Fernseher: Eine Klett-Mitarbeiterin parliert über den Kunstcharakter von Arbeitsgeräten.
Durch das scheinbar menschenleere Gebäude weht der Nachklang eines Arbeitstages, zeigen sich die Arbeitenden nur geisterhaft im Rückblick. Ein irritierendes Spiel mit der Vergangenheit und Gegenwart, das Spaß macht – obwohl man sich in diesem Geisterhaus permanent beobachtet fühlt. Kein Wunder: Klett-Mitarbeiter sitzen unsichtbar in Verschlägen, fixieren die einsam Wandelnden, um im richtigen Moment Geräte und CDs zu starten. Aber das erfuhr man erst danach.
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 6.10.2010. Die Premiere war am 5.10.
Stuttgart - Ein Schild weist darauf hin, das Arrangement in diesem Büro bitte unberührt zu lassen, es gehöre zum Kunstwerk: Hier wurde vor kurzem kräftig gefeiert. Halbleere Sektgläser, Luftschlangen und Konfetti erzählen davon. Eine E-Gitarre lehnt am Lautsprecher, aus dem schrilles Saitenreißen dringt. Ein Monitor zeigt die Belegschaft in Party-Stimmung. Alles nun Vergangenheit, Melancholie liegt in der Luft.
"Feier" ist eine Station der Klang-Video-Bild-Installation "Galerie": einem "musiktheatralischen Parcours", den der Komponist Hannes Seidl und der Videokünstler Daniel Kötter im Klett-Areal in der Rotebühlstraße unter der engagierten Mitarbeit der Verlagsangestellten angelegt haben. "Galerie" eröffnete am Dienstag ein Festival im Festival: Eine eigene, vom "Innovationsfonds Musik" der Stadt Stuttgart geförderte Konzertreihe, die sich in das Großprojekt "Zukunftsmusik" eingliedert, mit dem das Netzwerk Süd und die Kultur-Region Stuttgart derzeit Zeitgenössisches in die städtische Peripherie tragen.
41 Stationen führen die Besucher einzeln durch die Eingeweide der Klett-Verlage: durch Heizungskeller, Lagerräume, Büros. Machen sie selbst zu Protagonisten der theatralen Aktion. Kein Mensch ist sonst da. Ein Telefon klingelt, man nimmt ab: niemand antwortet. Auf einem Monitor sieht man sich selbst, vor fünf Sekunden den Gang betretend. Schnitt: Ein anderer Mensch passiert dieselbe Stelle. Man dreht sich um, niemand hinter einem. Knarzen und Knarren dringt aus der Wand, hinter den Türen grummelt und grollt es. Eine alte Rechenmaschine rattert, ein alter Nadeldrucker surrt. In einem Holzverschlag steht ein Fernseher: Eine Klett-Mitarbeiterin parliert über den Kunstcharakter von Arbeitsgeräten.
Durch das scheinbar menschenleere Gebäude weht der Nachklang eines Arbeitstages, zeigen sich die Arbeitenden nur geisterhaft im Rückblick. Ein irritierendes Spiel mit der Vergangenheit und Gegenwart, das Spaß macht – obwohl man sich in diesem Geisterhaus permanent beobachtet fühlt. Kein Wunder: Klett-Mitarbeiter sitzen unsichtbar in Verschlägen, fixieren die einsam Wandelnden, um im richtigen Moment Geräte und CDs zu starten. Aber das erfuhr man erst danach.
Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 6.10.2010. Die Premiere war am 5.10.
eduarda - 6. Okt, 11:26