Über den Wolken
David Garrett macht in Stuttgart Kammermusik
Stuttgart - Mit Anekdötchen bringt der David Garrett sein Publikum gerne zum Lachen: Von flugsicherheitgefährdenden Handyanrufen oder handtellergroßen Spinnen auf Flügeltasten parliert er, bevor er sich der nächsten Nummer widmet. An diesem Abend tritt er ohne Orchester und ohne bonbonfarbene Crossover-Ambitionen auf. Er gibt ein pures „Klassik“-Recital, nur in Begleitung des Pianisten Julien Quentin und des Gitarristen Marcus Wolf. Bis auf den letzten Platz besetzt ist der Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle.
Alle freuen sich über David Garretts flinke Finger, wie sie über die Saiten huschen, mit Leichtigkeit und Spielwitz. Immerhin stand er einmal im Guinessbuch der Rekorde als „schnellster Geiger der Welt“. Die virtuosen Schmankerl von Fritz Kreisler schüttelt der Schöne aus dem Ärmel: „Liebesleid“, „Chinesisches Tambourin“, „Wiener Caprice“. Garrett ist ein Showmensch. Vom hohen Leistungsdruck der Klassikbranche hat er sich schon als Wunderkind verabschiedet. Jetzt will er Spaß haben. Das kann man verstehen.
Sein legeres Outfit aus T-Shirt, Jackett, Schlabberhose und Stiefeln und auch der Gitarrist mit Käppi an seiner Seite lassen ihn aussehen wie einen flotten Straßenmusiker. Er sitzt auf einem Barhocker. Und wenn er bei den „Schneller, höher, weiter“-Stücken bliebe, wäre auch alles in Ordnung.
Aber so richtig verabschieden will sich Garrett offenbar doch nicht von der wirklich Ernsten Musik. Deshalb hat er an diesem Abend Violinsonaten von Brahms und Beethoven im Gepäck. Er spielt auswendig. Und bleibt doch an der Oberfläche. Seinem Ton fehlen Farbe und Gefühl. Mit bloßem Laut- und Leisespiel, Dauervibrato und Saitenrutschen lässt sich weder Ausdruck noch Zusammenhang herstellen. Der Kopfsatz von Beethovens Kreutzersonate etwa zerfällt in kleine virtuose Einheiten. Und Garretts schwerer Stiefel stampft den Rhythmus mit. Garrett beherrscht Beethovens Sprache nicht mehr. Das Spiel im Augenblick, das Kleinteilige, auch die Improvisation mögen ihm liegen. Den Blick fürs Ganze hat er längst verloren.
Kritik für die Stuttgarter Nachrichten vom 9. Mai. Das Konzert fand statt am 7. Mai.
Stuttgart - Mit Anekdötchen bringt der David Garrett sein Publikum gerne zum Lachen: Von flugsicherheitgefährdenden Handyanrufen oder handtellergroßen Spinnen auf Flügeltasten parliert er, bevor er sich der nächsten Nummer widmet. An diesem Abend tritt er ohne Orchester und ohne bonbonfarbene Crossover-Ambitionen auf. Er gibt ein pures „Klassik“-Recital, nur in Begleitung des Pianisten Julien Quentin und des Gitarristen Marcus Wolf. Bis auf den letzten Platz besetzt ist der Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle.
Alle freuen sich über David Garretts flinke Finger, wie sie über die Saiten huschen, mit Leichtigkeit und Spielwitz. Immerhin stand er einmal im Guinessbuch der Rekorde als „schnellster Geiger der Welt“. Die virtuosen Schmankerl von Fritz Kreisler schüttelt der Schöne aus dem Ärmel: „Liebesleid“, „Chinesisches Tambourin“, „Wiener Caprice“. Garrett ist ein Showmensch. Vom hohen Leistungsdruck der Klassikbranche hat er sich schon als Wunderkind verabschiedet. Jetzt will er Spaß haben. Das kann man verstehen.
Sein legeres Outfit aus T-Shirt, Jackett, Schlabberhose und Stiefeln und auch der Gitarrist mit Käppi an seiner Seite lassen ihn aussehen wie einen flotten Straßenmusiker. Er sitzt auf einem Barhocker. Und wenn er bei den „Schneller, höher, weiter“-Stücken bliebe, wäre auch alles in Ordnung.
Aber so richtig verabschieden will sich Garrett offenbar doch nicht von der wirklich Ernsten Musik. Deshalb hat er an diesem Abend Violinsonaten von Brahms und Beethoven im Gepäck. Er spielt auswendig. Und bleibt doch an der Oberfläche. Seinem Ton fehlen Farbe und Gefühl. Mit bloßem Laut- und Leisespiel, Dauervibrato und Saitenrutschen lässt sich weder Ausdruck noch Zusammenhang herstellen. Der Kopfsatz von Beethovens Kreutzersonate etwa zerfällt in kleine virtuose Einheiten. Und Garretts schwerer Stiefel stampft den Rhythmus mit. Garrett beherrscht Beethovens Sprache nicht mehr. Das Spiel im Augenblick, das Kleinteilige, auch die Improvisation mögen ihm liegen. Den Blick fürs Ganze hat er längst verloren.
Kritik für die Stuttgarter Nachrichten vom 9. Mai. Das Konzert fand statt am 7. Mai.
eduarda - 10. Mai, 12:39