Die Kraft der Solistin
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart mit Isabelle Faust und Heinz Holliger
Stuttgart - 75 ist er im letzten Mai geworden: Heinz Holliger, der Schweizer Oboist, Komponist und Dirigent. Der drahtige Mann mit der asymmetrischen Klebefrisur feierte jetzt seinen Geburtstag noch mal im Beethovensaal nach: Am Dirigierpult des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart (RSO). Holliger ist ein echter Romantikexperte, der sich einen Namen gemacht hat mit exzellenten Einspielungen von Werken nicht nur seines Seelenverwandten Robert Schumanns. Holliger nähert sich aber auch in seinen eigenen Werken immer wieder der romantischen Klangwelt an: in Nah- und Fern-Wirkungen, sanft an- und abschwellenden Tönen, hochexpressiven, fragilen Strukturen, im Fragenden und Geheimnisvollen.
Im Konzert im Beethovensaal mochte es vor allem an Holligers Freestyle-Schlagtechnik und seinen extrem gedehnten Tempi gelegen haben, dass sich nur wenig von seinem Expertentum im Spiel des RSO niederschlug. Schumanns „Nachtlied“ für Chor und Orchester schleppte sich 12 Minuten dahin, fiel klanglich völlig auseinander. Im Orchester klapperte es ohne Ende und das SWR Vokalensemble wirkte recht orientierungslos in seinem Wollen, Schöngesang zu produzieren.
Ähnliches lässt sich über die final gespielten „Nocturnes“ des Impressionisten Claude Debussy sagen, die auf der Stelle traten. Gähn! Vor allem im Schlussteil „Sirenes“ mit wortlos singendem Frauenchor setzte Holliger auf völlig flach gehaltene Spannungskurve: Es fehlte deutlich die Pulsierung der Farbenmusik durch Energiesammlung und -rückzug.
In Holligers eigener Debussy-Reflektion „Ardeur noire“ für Orchester und Chor stellte das RSO immerhin mal wieder sein Potential in zeitgenössischer Musik unter Beweis: Zumindest in der zweiten Hälfte, in der sich die Strukturen auffächern, sich eintrüben und schon bald wie dunkel übermalter Debussy klingen.
Was den Abend rettete, war aber der Auftritt der phänomenalen Geigerin Isabelle Faust, die in Schumanns Fantasie für Violine und Orchester op. 131 professionell nicht nur die rhythmischen Ungenauigkeiten des Orchesters in ihre schwer virtuose Partie integrierte, sondern wieder einmal durch Klarheit und Struktur und einen von Euphorie bis zum Weltschmerz reichenden intensiven Ton in Bann zog. Dass Bartóks Erstes Violinkonzert dann auch vom RSO passabel ergänzt wurde, mag an der engen Verzahnung des Orchester- mit dem Violinpart liegen. Hier zog Faust das Orchester in guter alter Konzertmeisterinnenmanier durch deutliche Körperbewegungen mit, und das Publikum war glücklich.
Besprechung für die Stuttgarter Nachrichten vom 25. Oktober 2014.
Stuttgart - 75 ist er im letzten Mai geworden: Heinz Holliger, der Schweizer Oboist, Komponist und Dirigent. Der drahtige Mann mit der asymmetrischen Klebefrisur feierte jetzt seinen Geburtstag noch mal im Beethovensaal nach: Am Dirigierpult des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart (RSO). Holliger ist ein echter Romantikexperte, der sich einen Namen gemacht hat mit exzellenten Einspielungen von Werken nicht nur seines Seelenverwandten Robert Schumanns. Holliger nähert sich aber auch in seinen eigenen Werken immer wieder der romantischen Klangwelt an: in Nah- und Fern-Wirkungen, sanft an- und abschwellenden Tönen, hochexpressiven, fragilen Strukturen, im Fragenden und Geheimnisvollen.
Im Konzert im Beethovensaal mochte es vor allem an Holligers Freestyle-Schlagtechnik und seinen extrem gedehnten Tempi gelegen haben, dass sich nur wenig von seinem Expertentum im Spiel des RSO niederschlug. Schumanns „Nachtlied“ für Chor und Orchester schleppte sich 12 Minuten dahin, fiel klanglich völlig auseinander. Im Orchester klapperte es ohne Ende und das SWR Vokalensemble wirkte recht orientierungslos in seinem Wollen, Schöngesang zu produzieren.
Ähnliches lässt sich über die final gespielten „Nocturnes“ des Impressionisten Claude Debussy sagen, die auf der Stelle traten. Gähn! Vor allem im Schlussteil „Sirenes“ mit wortlos singendem Frauenchor setzte Holliger auf völlig flach gehaltene Spannungskurve: Es fehlte deutlich die Pulsierung der Farbenmusik durch Energiesammlung und -rückzug.
In Holligers eigener Debussy-Reflektion „Ardeur noire“ für Orchester und Chor stellte das RSO immerhin mal wieder sein Potential in zeitgenössischer Musik unter Beweis: Zumindest in der zweiten Hälfte, in der sich die Strukturen auffächern, sich eintrüben und schon bald wie dunkel übermalter Debussy klingen.
Was den Abend rettete, war aber der Auftritt der phänomenalen Geigerin Isabelle Faust, die in Schumanns Fantasie für Violine und Orchester op. 131 professionell nicht nur die rhythmischen Ungenauigkeiten des Orchesters in ihre schwer virtuose Partie integrierte, sondern wieder einmal durch Klarheit und Struktur und einen von Euphorie bis zum Weltschmerz reichenden intensiven Ton in Bann zog. Dass Bartóks Erstes Violinkonzert dann auch vom RSO passabel ergänzt wurde, mag an der engen Verzahnung des Orchester- mit dem Violinpart liegen. Hier zog Faust das Orchester in guter alter Konzertmeisterinnenmanier durch deutliche Körperbewegungen mit, und das Publikum war glücklich.
Besprechung für die Stuttgarter Nachrichten vom 25. Oktober 2014.
eduarda - 26. Okt, 11:25