Freitag, 5. November 2010

Heitere Abschiede

Die Stuttgarter Philharmoniker mit dem Pianisten Andrej Jussow in der Liederhalle

Stuttgart - Nein, zum bloß virtuosen, effekthascherischen Repertoirestück verkommt Rachmaninows erstes Klavierkonzert unter den Händen von Andrej Jussow wahrlich nicht. Zumal sich der junge Pianist nicht die heute übliche spätere und dem Zeitgeschmack angepasste Version von 1917 erarbeitet hat, sondern die rauere Urfassung von 1891 des erst 18-jährigen Komponisten, die man nur äußerst selten hört.

Die Unterschiede sind beträchtlich. Die revidierte Fassung spielt Andrej Jussow deshalb nie. Er wolle, sagte er kürzlich in einem Interview, nicht durcheinanderkommen: "Man kann als Solist sonst leicht mal falsch abbiegen". Rachmaninow, ob früh oder spät, zieht: Das Konzert der Stuttgarter Philharmoniker unter Leitung von Chef Gabriel Feltz im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle, in dem Jussow die rare Variante gab, war so gut wie ausverkauft.

Die wesentlich transparentere Faktur der frühen Version kommt der Musikalität Jussows entgegen. Bei aller risikofreudigen, fingerbrecherischen Virtuosität: Der aus Kiew stammende Deutsche ist kein Tastenlöwe, der nur kraftvoll zuhaut, sondern ein Meister der sensiblen, leichten, flirrenden Töne, des Beseelten und Gesanglichen. Jussow spielt dabei fernab jeglicher Sentimentalität, ohne dabei auf Gefühle zu verzichten, hält immer die Balance zwischen struktureller Durchleuchtung und emotionaler Durchdringung des Materials. Der erste Satz: poetisch durchströmte Klangrede, oft auch arios angelegt. Das Andante: melancholisch verinnerlicht und doch sehr klar gezeichnet und sprechend. Aber das Allerschönste: Das sprühende, scherzende, helle Finale, das dem agilen Geist Jussows besonders liegt: dieses quecksilbrige Wuseln und Huschen, diese kokett-eleganten Rasereien. Die rhythmisch-metrischen Eulenspiegeleien gingen die Philharmoniker gekonnt mit, waren dem Solisten stets ein einfühlsamer, zuverlässiger Partner.

Weil der Abend unter dem Motto "Abschied" stand, gab es dann Fragmente aus der letzten, nicht mehr vollendeten 10. Sinfonie Gustav Mahlers: das episch fließende Adagio und das pointierte Purgatorio, eingerichtet von Ernst Krenek. Feltz animierte sein Orchester zu einer fein aufgebauten dynamischen Spannungskurve, zu Extremen zwischen kaum hörbarem Piano und gewalttätiger, orgel-imitierender Klanglichkeit. Gelegentliche Probleme der Streicher in der Intonation fielen da nicht groß ins Gewicht.

Und endlich gab es als Hauptwerk eines Sinfoniekonzerts auch mal einen Haydn zu hören, der sonst eher als Einspieler benutzt wird: die "Abschiedssinfonie" in historisch kleiner Besetzung. Angesichts des vorangegangenen sinfonischen Großaufgebots hatte die kleine Besetzung fast schon etwas Spektakuläres. Und der Kontrast verstärkte die Wirkung des Finales – während dem die Musiker nacheinander die Bühne verlassen, um die Schlusstakte den zwei verbliebenen Streichern zu überlassen. Kein Zweifel: Haydns Experiment mit der genüsslichen Skelettierung der musikalischen Substanz fasziniert auch nach 240 Jahren noch ungeheuer.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 5.11.2010. Das Konzert fand statt am 3.11.

Mittwoch, 3. November 2010

Ist Stuttgart das "Theater des Jahres 2010"?

Der Regisseur Volker Lösch hat in der Frankfurter Rundschau die Stadt Stuttgart zum "Theater des Jahres" gekürt: Die Schwabenmetropole sei "die beste, beeindruckendste und in der Fülle geglückter Inszenierungen beständigste Open-Air-Bühne Deutschlands". Sie sei "in diesen Tagen und Monaten aufgrund der vielfältigen Formen ihres kulturell geprägten Widerstandes einmalig originell. Unwiderstehlich und sexy. Schwabenstreiche, Flashmobs, Kunstaktionen an Absperrgittern, Bürgertreffen, Massendemonstrationen – wahre Feste einer zum Leben erwachten Leidenschaft für mehr Demokratie!"

Einfach großartig!

Liederabend der Sopranistin Christiane Iven in der Stuttgarter Staatsoper

Stuttgart - Die Sängerin Christiane Iven kann beides: Oper und Lied. Das ist keine Selbstverständlichkeit, stellt es doch viele Opernsänger vor nicht unbedeutende Probleme, das in Sachen Lautstärke und Kraft sonst so geforderte Stimmorgan auf die intimen Verhältnisse eines klavierbegleiteten Liederabends einzustellen.

In ihrem Liederrecital am Montag in der gut besuchten Stuttgarter Staatsoper – einer Kooperationsveranstaltung mit der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie – zeigte Christiane Iven, was für eine formidable Verwandlungskünstlerin ihre Stimme ist, wie sicher und wohlgeformt sie auch bei ganz leisen Tönen anspricht und welche Bandbreite sie an Farben und Charaktereigenschaften bereitstellt. Wohldosiert gestaltete Iven die dynamischen Spannungsverläufe, ging sparsam mit den Extremen um. Nie war es zuviel oder zu wenig.

Die charismatische Sopranistin fesselt aber vor allem durch Gestaltung. Es macht einfach Spaß, ihr zuzuhören: Wenn sie in Robert Schumanns Zyklus "Frauenliebe und -leben" im Schnelldurchlauf kindlich-naive Liebe, Sehnsucht, Lust, überbordendes Mutterglück und Trauer um den Geliebten durchlebt – und das mit Haut und Haar –, um gleich im Anschluss daran in Schumanns späten Liedern auf "Gedichte der Königin Maria Stuart" durch erhabene, stolze Weltentrückung, aber auch durch archaische Tonfälle zu berühren: Das ist einfach großartig. Ebenso die mal träumerische, mal pointierte und immer plastische Darstellung der Mörike-Lieder von Hugo Wolf – in denen man auch ein kleines Elfelein schlaftrunken durch die Nacht tapsen hört.

Zusammen mit dem Mann am Klavier, Burkhard Kehring, der mit großem Einfühlungsvermögen und sensibler Artikulation die vielfältigen Stimmungen des Abends erdete, gerieten dann Olivier Messiaens "Lieder der Erde und des Himmels" zu einem impressionistischen Farbenrausch, in dem Ivens Stimme sich auch gelegentlich mal zur respekteinflößenden Naturgewalt aufschwang. Kein Wunder also, dass das Publikum am Ende seinen Liebling feierte und drei Zugaben erklatschte.

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 3.11.2010. Das Konzert fand statt am 1.11.

Samstag, 30. Oktober 2010

Als hätte ein Wolf Kreide gefressen

Kammerkonzert des Stuttgarter Staatsorchesters

Stuttgart – Bemerkenswerte Raritäten bot das Kammerkonzert des Stuttgarter Staatsorchesters am Mittwoch im Mozartsaal der Liederhalle. Giovanni Bottesinis Gran Duo concertante zum Beispiel. Zwei ungleiche Geschwister stehen sich da auf der Bühne als Solisten gegenüber: eine agile, flinkfingrige Violine und ein dickbäuchiger, grummelnder Kontrabass. Beide treten in Wettstreit, arbeiten sich ab an romantisch-zirzensischem Virtuosentum, süffigem Operettenmelos, brodelnder Dramatik.

Eine ungleiche Rauferei. Süßliche Säuselmelodien im Flageolett? Für die Geige (Jewgeni Schuk) kein Problem. Beim Kontrabass klingt’s, als hätte ein Wolf Kreide gefressen. Der Tiefstapler unter den Streichern kann nun mal eben nicht einfach so zur Primadonna mutieren. Das verlieh dem virtuos-brummbassigen Zauber Burkhard Magers die melancholische Aura eines Sisyphos – und machte den Reiz des Werkes aus, für das sich das Publikum begeisterte. Eingebettet war Bottesinis musikalische Reflexion auf das Leben in eine feinsinnige Dramaturgie aus Instrumentalwerken italienischer Opernheroen: Rossinis witzig vorgetragenes Duett für Cello und Kontrabass war zu hören oder als krasser Kontrast dazu Verdis strenges, ernstes, wunderschön gespieltes e-Moll-Streichquartett.

Kurzkritik für die Stuttgarter Nachrichten vom 29.10.2010. Das Konzert fand statt am 27.10.

Montag, 25. Oktober 2010

Alte Liebe rostet auch

Das Leipziger Streichquartett in der Stuttgarter Liederhalle

Stuttgart - Mit Blick auf den hohen Anspruch im Zusammenspiel, den die komplexe Satztechnik einfordert, spricht man im Falle des Streichquartetts gerne von einer "Ehe zu viert", die zwischen den Musizierenden geschlossen werde. Je länger ein Ensemble in der gleichen Besetzung zusammenarbeitet, desto eher stellt sich die Frage nach der Alltagsroutine.

Das Leipziger Streichquartett ist in diesem Sinne schon seit über zwanzig Jahren "verheiratet" – bei nur einem Partnerwechsel. Mit entsprechender Präzision und entspannter Selbstverständlichkeit in der Kommunikation erklang dann am Freitag im sehr gut besuchten Mozartsaal der Stuttgarter Liederhalle auch Johannes Brahms' äußerst komplexes Quartett c-Moll op. 51 Nr. 1.

Kein Zweifel: Stefan Arzberger, der erst seit 2008 die erste Geige spielt, hat sich in das Ensemble hervorragend integriert. Man präsentierte sich an diesem Abend als gut eingespieltes, an der strukturellen Durchleuchtung der Komposition konzentriert arbeitendes Team. Indes: Es fehlte der Aufführung jene radikale emotionale Durchdringung des Klangmaterials, die Quartett-Abende so fesselnd macht. Nicht, dass die vier Leipziger sich ödem Einheitsschönklang verschrieben hätten. Aber es blitzten nur selten die individuellen Farben der vier Stimmen auf, die sich stets einer auf gediegene Ausgewogenheit zielenden Spielkultur unterordneten. Man ging einfach zu wenige Risiken ein.

So wirkte Robert Schumanns eigentlich aufwühlendes Quartett a-Moll op. 41 Nr. 1 recht matt und blass. Zu gelassen gingen die Musiker selbst im Adagio zur Sache, ließen erst im grellen Finale durch einen betont rauen und schroffen Ton aufhorchen.

Schade, dass das in Sachen Neuer Musik versierte Ensemble auf Zeitgenössisches gänzlich verzichtete. Der Veranstalter Russ täte gut daran, wenigstens in seiner Streichquartett-Reihe mit seinem anspruchsvollen Publikum dem Neuen Raum zu geben. Auf Niels Gades romantisches Streichquartett-Fragment "Willkommen und Abschied" hätte man dafür gerne verzichtet.

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 25.10.2010. Das Konzert fand statt am 22.10.

Dienstag, 12. Oktober 2010

Draußen vor der Tür

Stuttgart 21 - Das Staatsorchester wird am Montag mit der Realität konfrontiert

Stuttgart - Das erlebt die sogenannte bürgerliche Hochkultur selten: Dass sie mitten drin ist in der Widerstandskultur, die in Stuttgart gerade einen so kräftigen Aufschwung erfährt. Am gestrigen Abend liefen nämlich in der Liederhalle zeitgleich zwei Veranstaltungen: Im Mozartsaal sprach der Deutsche-Bahn-Chef Rüdiger Grube auf einer Veranstaltung der IHK vor 750 Unternehmern, im Beethovensaal fand ein Sinfoniekonzert der Stuttgarter Staatsoper statt. Und weil Grube zu jenen gehört, die Heiner Geißlers sachgerechtes Drängen auf Baustopp einfach nicht nachkommen wollen, gab's vor der Liederhalle eine Menge Demonstranten, die Grube lautstark an ihre Forderungen erinnerten. Und wo Stuttgart-21-Gegner sind, steht auch ein Großaufgebot an Polizei. So staunten die Konzertbesucher nicht schlecht, als sie in der Pause registrierten, dass sämtliche Eingänge der Liederhalle von Polizeiketten abgeriegelt waren. Nach außen versteht sich, dort, wo die Demonstranten in Riesenbesetzung ihr eigenes Konzert auf Trillerpfeifen und Vuvuzelas gaben. Mittendrin war sie also, die bürgerliche Hochkultur, sie war es aber unfreiwillig, und sie blieb uninformiert.

Denn wer an diesem Abend vor dem Konzert nicht noch schnell die aktuellen Nachrichten gehört hatte, blieb im Unklaren darüber, warum die Liederhalle unter massivem Polizeischutz stand. Es gab keine Ansage, keine Erklärung, keinen Kommentar der Staatsoper. Das muss man sich mal vorstellen: Aus der Liederhalle gibt es kein Entkommen, und der Veranstalter hüllt sich in Schweigen, als sei die polizeiliche Verrammlung der Ausgänge das Normalste der Welt.

So blieb die Realität unreflektiert vor der Türe, und Generalmusikdirektor Manfred Honeck konnte sich im Elfenbeinturm Kunst seiner Mission widmen, die schon seit längerem dem Komponisten Walter Braunfels gilt. Diesmal waren Instrumentalnummern aus Braunfels' Oper "Szenen aus dem Leben der heiligen Johanna" dran: ein spätromantisches, von Honeck zusammengestelltes Gestückele aus bruckner-grellen Bläser-Blöcken, Trommeldonner und Streicher-Rahm, aus zuckender Übergangsdramatik und wagnernder Schicksalsharmonik. Während Jeanne d'Arc also sinfonisch auf dem Scheiterhaufen verbrannte, drang an den leisen Stellen immer wieder das Pfeifkonzert von draußen durch die Mauern, und ein einsames Solo-Cello bekam ernstzunehmende Konkurrenz durch eine heulende Sirene.

Des Volkes Stimme ebbte in Mozarts letztem Klavierkonzert ein wenig ab. Da träumten sich viele Zuhörer mit geschlossenen Augen weit weg. Das erleichterte ihnen der schöne Piotr Anderszewski am Flügel, der die wohlproportionierten Melodien und andere schmeichelnde Tongirlanden in süßliche Pedal-Marinade einlegte. Das Larghetto war so zerdehnt, dass man, war man nicht an einer musikalischen Wellness-Kur interessiert, gelegentlich wegschlummerte. Blieb zum Ende Brahms' bärtige Vierte, die Honeck und das Staatsorchester mit Pathos, Bombast und Zucker-Glasur zukleisterte, so dass nichts zu hören war von den sich entwickelnden Variationen.

Nach dem Konzert war auch der Protest vorbei. Die IHK hatte auf einen Empfang zu Ehren Grubes aufgrund der angespannten Lage verzichtet. Den Konzertbesuchern blieb das unangenehme Gefühl, für einige Zeit weggesperrt gewesen zu sein. Die ernste Musikkultur bleibt stumm vor den Ereignissen in der Stadt. Obwohl so viele aus den eigenen Reihen zweimal in der Woche auf die Straße gehen. Die unzähligen Baumfaust- und Oben-bleiben-Plaketten an Taschen und Jackets im Beethovensaal sprechen davon.

Samstag, 9. Oktober 2010

Goldene Rheinperlen

Stuttgarter Philharmoniker mit einer Uraufführung zum Saisonstart

Stuttgart - Ach, ist das schön, das "Rheingold"-Vorspiel, dachte man: dieses wogende, wallende, wabernde Es-Dur. Diese Ursuppe, in der die Motive brodeln, aus denen Richard Wagner dann seinen "Ring" wob. Doch am Donnerstag im Saisoneröffnungskonzert der Stuttgarter Philharmoniker im Beethovensaal der Stuttgarter Liederhalle war damit plötzlich Schluss: Eine kurze Zäsur, dann zerfiel der fließende Klang in unzählige kleine, aggressiv bitzelnde Einzelfeuer. Ein spektakulärer Effekt, mit dem "The way down is the way up II" des Leipziger Komponisten Bernd Franke beginnt.

Das viersätzige, 20-minütige Orchesterstück war von den Philharmonikern in Auftrag gegeben worden – mit der Prämisse, auf Wagners "Rheingold" Bezug zu nehmen. Eine Programmsinfonie komponierte Franke indes nicht. Vielmehr experimentierte er mit musikalischen Aggregatzuständen: mit fließenden, stockenden, statischen Bewegungsverläufen. Er bediente sich dabei virtuos im großen Klangpool der Musikgeschichte, äußert sich mal vage tonal, mal in nervös wuselnden, dissonanten Klangnetzen, mal mit meditativ-asiatischer Färbung. Franke ist kein Komponist, der die Musiker verhungern lässt: Er kostet das Farbspektrum des großen Orchesters schwelgerisch aus, arbeitet mit gegensätzlichen Klangschichten, fächert den Instrumentenapparat fein auf. Schillernde Effekte ergeben sich so. Einmal etwa entsteht der Eindruck, als zöge sich das Wasser des Rheins zurück und legte das Flussbett frei, in dem es von Tausenden Aalen wimmelt. Die Philharmoniker zeigten sich unter Leitung von Gabriel Feltz in jeder Hinsicht in Höchstform.

Nach einer solch üppigen Klanglichkeit, wirkte Beethovens drittes Klavierkonzert wahrhaft klassisch, licht und klar. Die serbische Pianistin Jasminka Stancul erfreute durch kontrollierte, präzise Technik und einen poetischen, beseelten, warmen Ton von hoher Intensität.

In Wagners sinfonischen Teilen aus der "Götterdämmerung" gefielen sich die Philharmoniker dann abschließend im Bewegen immenser Klangmassen und in donnernder Dramatik, bevor Ricarda Merbeth in Brünnhildes Schlussgesang mit wohltimbrierter, sicherer, weit tragender Stimme das Publikum zu euphorischem Beifall animierte. Ein starker Saisonauftakt!

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 9.10.2010. Das Konzert fand statt am 8.10.

Mittwoch, 6. Oktober 2010

Im Geisterhaus

"Zukunftsmusik" mit "Galerie" von Hannes Seidl und Daniel Kötter

Stuttgart - Ein Schild weist darauf hin, das Arrangement in diesem Büro bitte unberührt zu lassen, es gehöre zum Kunstwerk: Hier wurde vor kurzem kräftig gefeiert. Halbleere Sektgläser, Luftschlangen und Konfetti erzählen davon. Eine E-Gitarre lehnt am Lautsprecher, aus dem schrilles Saitenreißen dringt. Ein Monitor zeigt die Belegschaft in Party-Stimmung. Alles nun Vergangenheit, Melancholie liegt in der Luft.

"Feier" ist eine Station der Klang-Video-Bild-Installation "Galerie": einem "musiktheatralischen Parcours", den der Komponist Hannes Seidl und der Videokünstler Daniel Kötter im Klett-Areal in der Rotebühlstraße unter der engagierten Mitarbeit der Verlagsangestellten angelegt haben. "Galerie" eröffnete am Dienstag ein Festival im Festival: Eine eigene, vom "Innovationsfonds Musik" der Stadt Stuttgart geförderte Konzertreihe, die sich in das Großprojekt "Zukunftsmusik" eingliedert, mit dem das Netzwerk Süd und die Kultur-Region Stuttgart derzeit Zeitgenössisches in die städtische Peripherie tragen.

41 Stationen führen die Besucher einzeln durch die Eingeweide der Klett-Verlage: durch Heizungskeller, Lagerräume, Büros. Machen sie selbst zu Protagonisten der theatralen Aktion. Kein Mensch ist sonst da. Ein Telefon klingelt, man nimmt ab: niemand antwortet. Auf einem Monitor sieht man sich selbst, vor fünf Sekunden den Gang betretend. Schnitt: Ein anderer Mensch passiert dieselbe Stelle. Man dreht sich um, niemand hinter einem. Knarzen und Knarren dringt aus der Wand, hinter den Türen grummelt und grollt es. Eine alte Rechenmaschine rattert, ein alter Nadeldrucker surrt. In einem Holzverschlag steht ein Fernseher: Eine Klett-Mitarbeiterin parliert über den Kunstcharakter von Arbeitsgeräten.

Durch das scheinbar menschenleere Gebäude weht der Nachklang eines Arbeitstages, zeigen sich die Arbeitenden nur geisterhaft im Rückblick. Ein irritierendes Spiel mit der Vergangenheit und Gegenwart, das Spaß macht – obwohl man sich in diesem Geisterhaus permanent beobachtet fühlt. Kein Wunder: Klett-Mitarbeiter sitzen unsichtbar in Verschlägen, fixieren die einsam Wandelnden, um im richtigen Moment Geräte und CDs zu starten. Aber das erfuhr man erst danach.

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 6.10.2010. Die Premiere war am 5.10.

Dienstag, 5. Oktober 2010

Zuhören ist Widerhallen

Auftakt beim Festival "Zukunftsmusik" mit Uraufführungen in Ostfildern und Esslingen

Stuttgart - Während Stuttgart-21-Gegner am Freitagabend im Schlossgarten mit Vuvuzelas und Trillerpfeifen lärmend ihrem Unmut über die unsäglichen Ereignisse des Vortags Luft machten, ging es im Zentrum an der Halle in Ostfildern besinnlicher zu.

Im Eröffnungskonzert des Großprojekts "Zukunftsmusik", das sich als "Festival innovativer Musik" vom 1. bis 10. Oktober in Stuttgart und Umgebung der Vermittlung zeitgenössischer Musik widmet, waren zwar gut 200 Musizierende beteiligt – neben Profis wie den Neuen Vocalsolisten und dem Percussion Ensemble Stuttgart vor allem Kinder und Jugendliche der Musikschule Ostfildern und 128 singende Erwachsene der Stadt. Dennoch bewegte sich Paolo Perezzanis neuestes Werk "Au bord du sens" (Am Saum des Sinns) meist in ruhigen Gefilden. Die gut 50-minütige Musik kommt ohne Text aus, es werden aber permanent kluge Worte des französischen Philosophen Jean-Luc Nancy und einiger seiner Kollegen an die Wand projiziert: "Zuhören ist Widerhallen" oder "Indem er den Raum überflutet, überflutet der Klang auch die Zeit" oder "Die Stimme setzt ein, wo der Rückzug des Einzelnen beginnt". Klangvolle Sätze, die das Hören wahrscheinlich in eine bestimmte Richtung lenken wollen, doch letztlich illustrativ bleiben. Denn das Werk erklärt sich problemlos aus sich selbst heraus. Seine besondere Wirkung erzielt es durch die ungewöhnliche Hörperspektive.

Das Publikum sitzt in der Mitte, die Ensembles sind drumherum positioniert: Die vier Jugendorchester aus Gitarren, Flöten und Streichinstrumenten in den vier Ecken, die acht Solisten, die vier Schlagzeuger und die acht Chöre an den Seiten. Dadurch entsteht ein akustischer Surround-Sound aus Instrumenten und Stimmen. Man sitzt im Zentrum des Klangs, badet quasi in orkanischem Aufwallen, fühlt die Wellenbewegungen, die wogende Klangmassen unmittelbarer, als dies in der traditionellen Konzertsituation der Fall wäre. Lange Passagen des Solistenensembles, das sich des typischen Stimmvokabulars der Neuen Musik inklusive Schreien, Bibbern und Zischen bedient, werden immer wieder durch dissonante Klangmassierung kontrastiert. Jetzt dürfen die jugendlichen Instrumentalgruppen geräuschhaft vor sich hin improvisieren, bilden etwa das Echo der Perkussionsinstrumente durch einfaches Schrammeln auf der Gitarre oder Tremolieren auf der Geige – wunderschöne Klangeffekte entstehen so.

Eine Uhr auf dem Monitor gibt den Kindern die Sekunden an, in den Noten ist der Zeitpunkt und die Dauer des Einsatzes notiert und mit Hinweisen auf die Lautstärke versehen. So kann Andrea Molino am Dirigierpult sich auf die komplexeren Vorgänge zwischen Solisten und Chören konzentrieren.

Das Festival "Zukunftsmusik" sucht bewusst seine Mitwirkenden und sein Publikum an Orten des kommunalen Kulturlebens. Man will innerhalb vertrauter Strukturen Neugierde für das Neue wecken. Veranstalter sind das Netzwerk Süd, das sich unter dem Dach von Musik der Jahrhunderte der Vermittlung von Neuer Musik in der Stuttgarter Region widmet, und die KulturRegion Stuttgart, ein Zusammenschluss von 38 Städten und Gemeinden. Es wurden zwölf Komponisten mit Projekten beauftragt, die speziell in einer schwäbischen Klein- oder Mittelstadt umzusetzen sind und die Menschen vor Ort einbeziehen.

Mit dabei ist auch Esslingen. Hier startete der politisch ambitionierte Johannes Kreidler am Samstagmittag im Schwörhof seine Performance "Arbeitsmarktplatz Esslingen", in der er selbst mit Zylinder den Ton angab. Beteiligte außerdem: Mitglieder des SWR Vokalensembles, die singende Polizisten mimten, Schlagzeuger, Musiker der Esslinger Musikschule und Mitglieder des Jugend-Theaters Stage Divers(e). Johannes Kreidler interessierte vor allem die Tatsache, dass in Esslingen 1894 das erste Arbeitsamt gegründet wurde und versuchte in seinem Festival-Beitrag eine Reflektion darüber,

Er spielt mit Klischees zum Thema Arbeitszeit, Arbeitslosigkeit und Vollbeschäftigung. Zum endlos repetierten Ton E (gleich Euro) und einer abzählenden Roboterstimme etwa mimen Jugendliche ferngesteuerte Menschenmaschinen, die in der Hierarchie der Arbeitswelt längst zum willenlosen Objekt degradiert wurden und am Ende nach Kurzarbeit und Verlagerung des Produktionsortes nach China entsorgt werden, um dann arbeitslos vor sich hinzudümpeln.

Musikalisch passiert wenig. Das kleine Orchester aus Akkordeon, Klarinetten, Geigen und Klavier ist weitgehend unterbeschäftigt. Meist werden Texte rezitiert, die auf Monitoren ihre Verdopplung erfahren. Finaler Höhepunkt ist die „erste Roboter-Demonstration“. Auf einer Rampe stapfen in Reih' und Glied 100 Spielzeugroboter bewaffnet mit Demo-Plakaten wie "Arbeit für alle" ihrem Untergang entgegen. Denn Polizisten fangen bald darauf an, die hilflosen Plastikmonster zu zerdeppern. Schöner Nebeneffekt: Die anwesenden Kinderseelen bluteten beim Anblick der Zerstörung eines solch hippen Spielzeugs und schritten zur Tat: So fanden einige der futuristischen Puppen unversehrt in glücklichen Kinderarmen Zuflucht. Klasse!

Die Klischeehaftigkeit und der Dilettantismus der Aufführung waren vermutlich Absicht. Vielleicht hätte eine Aufführung auf dem belebten Esslinger Marktplatz mit einem größeren, zufällig anwesenden Publikum den gewünschten Effekt gebracht: Der spontane Schein der Aktion wäre dann zum Ausdruck gekommen. Im hermetischen Raum des Schwörhofes mit seinem Fachpublikum stand automatisch der Kunstcharakter im Vordergrund, so dass Kreidlers Happening nackt und derart plakativ wirkte, dass man sich nicht gewundert hätte, wenn plötzlich "das Gespenst des Kommunismus" höchstpersönlich über den Platz gehuscht wäre.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 5.10.2010. Das ausführliche Programm und weitere Informationen gibt es unter www.zukunftsmusik-das-festival.de.

Freitag, 1. Oktober 2010

Macht, Übermacht, Ohnmacht

"Missionen der Schönheit" – Sibylle Bergs neues Stück von Hasko Weber am Staatsschauspiel Stuttgart uraufgeführt

"Missionen der Schönheit", Lisa Wildmann, Foto: Sonja Rothweiler

Stuttgart - Während im Stuttgarter Schlosspark Volkszorn auf Staatsmacht traf, tausende von Demonstranten friedlich, aber aufgebracht des Augenblicks harrten, da hinter Absperrzäunen und mehrfach abgesicherten Polizeiketten das Fällen der steinalten Bäume beginnen würde, um Platz zu schaffen für die Baustelle Stuttgart 21, nahm auch Staatsschauspiel-Intendant Hasko Weber vor Beginn der Premiere eine klare Position ein: "Wir, das Ensemble des Schauspiel Stuttgart, sind bestürzt und zornig über die Eskalation der Gewalt gegen friedlich demonstrierende Stuttgarter Bürger". Denn ein Tag ging zu Ende, an dem die einst so braven Schwaben am eigenen Leib erfahren hatten, dass man kein "Chaot", kein Pflastersteinewerfer sein muss, um staatliche Macht in Gestalt von Gummiknüppeln, Wasserwerfern und Reizgas zu spüren zu bekommen. Da reichte schon die Teilnahme an einer Sitzblockade oder die bloße Anwesenheit vor Ort.

In der Interimsspielstätte in der Türlenstraße, wo das Staatsschauspiel wegen Umbaus für ein Jahr residiert, wurden dann ganz andere Machtverhältnisse verhandelt: nämlich jene zwischen den Geschlechtern - aus der Sicht von Frauen und sarkastisch zugespitzt. In Sibylle Bergs neuem Stück "Missionen der Schönheit" kommen acht Frauen unterschiedlichen Alters an diversen Orten der Welt zu Wort. Ihre Monologe erzählen von Morden, Selbstverstümmelung, Vergewaltigung, ehelicher Öde und seelischen Verletzungen.

Sibylle Berg, die kluge, bissige Analytikerin gesellschaftlichen Niedergangs und der Vergeblichkeit aller menschlichen Mühen, bezieht sich im Stück-Untertitel "Holofernesmomente" auf die Bibel, auf jene Geschichte also, in der Judith den brandschatzenden, mordenden Feldherrn Holofernes durch ihre Schönheit betört, betrunken macht und dann enthauptet - zwecks Rettung ihrer Heimat, versteht sich. In Bergs Stück ist dieser Bezug zwar ironisch zu verstehen, dennoch wandelt sich auch hier die Ohnmacht vor der Übermacht gelegentlich in blanke Gegengewalt. Bergs Frauen haben dabei nichts Heroisches an sich. Ihr Wille ist stark, das Ergebnis ihres Handelns oder Denkens bleibt indes schwach, zumindest fragwürdig.

Die bulimische Jugendliche, die sich einen knabenhaften Körper ersehnt, rettet sich vor dem gewalttätigen Vater, indem sie den Betrunkenen einfach am Bett festzurrt und verhungern lässt. Eine junge Frau zieht aus dem allgemeinen Diktat des normierten Körpers die Konsequenz, sich ihr Gesicht mit der Rasierklinge zu zerschneiden. Das Vergewaltigungsopfer in Kinshasa spottet innerlich über die Tatsache, dass ihre Quäler sie körperlich derart zerstört haben, dass "es" ihnen jetzt "keine Freude mehr" mache. Eine einst zur "Miss Po" Gekürte durchwandert in der Hoffnung, einmal die Titelseite des Playboy zu zieren, sämtliche Höllen des pornographischen Geschäfts - ohne ihr Ziel zu erreichen, während eine 40-jährige Neapolitanerin sich entschieden hat, das Bett nicht mehr zu verlassen und ihr Gehirn auf "Bildschirmschoner" zu stellen. Eine alte Frau dagegen genießt die Ruhe, die ihr die Vergiftung ihrer Familie beschert hat: "Mein Mann und die beiden Jungen liegen seit Jahren im Keller. Von mir selber dorthin verbracht, nachdem ich sie auf die letzte Reise geschickt habe", heißt es lapidar.

Bitterböse Geschichten sind das, die ihre ganze Wirkung, ihre Krassheit, ihre schockierenden Pointen beim bloßen Lesen entfalten können - dank der eigenen Vorstellungskraft, die gefordert wird. Eine Prosa, die man in endlosen Varianten weiterführen könnte.

Indes: Auf der Bühne funktionieren die "Missionen der Schönheit" nicht. Hasko Webers Inszenierung versucht zwar, die theatrale Schwäche der Texte durch einen Kunstgriff aufzufangen: Er hat dem Stück ein Varieté-Kostüm verpasst. Das Publikum sitzt an Tischchen, darf an der Bar Getränke bestellen. An der Decke funkeln Discokugeln, die Bühne mit Mikrophonständer wird mit Glitzerlametta verschönt (Bühne und Kostüme: Janina Thiel).

Die formidablen vier Darstellerinnen Anja Brünglinghaus, Gabriele Hintermaier, Katharina Ortmayr und Lisa Wildmann - schön, gleichaltrig geschminkt und in Revueklamotten gekleidet - spielen ihre Monologe als öffentliche Selbstbekenntnisse: mehr als Nummern, denn als tatsächlich Erlebtes. Sie deklamieren sie ins Mikrophon oder während sie durchs Publikum schlendern. Von Verletzungen jedweder Art so gut wie keine Spur: Stolz sind sie, nicht gebrochen, aufrecht gehen sie.

Das ist kein prinzipiell falscher Weg, doch die offen zelebrierte kühle Distanz schadet der Wirkung der Texte. Bergs Sprache zerfällt, verliert ihre Drastik, ihren rabenschwarzen Witz, ihre sezierende Schärfe. "Ich hasste die Aufmerksamkeit, die sich meinen Geschlechtsteilen zuwandte, und das Wissen, Teil einer biologischen Masse zu sein, die nichts wollte, als ihre Glieder aneinander zu reiben, Flüssigkeiten zu verspritzen, zu schaben, zu stinken, zu schwitzen, sich zu versenken, zur Seite zu rollen, zu schnaufen, ein Kind zu empfangen und es auszutragen." Nicht der einzige Satz, der an diesem Abend harmlos vor sich hinplätschert und zu reiner Wortmusik wird.

Zum Varieté-Kostüm gehört natürlich auch Musik: Dafür war Murat Parlak zuständig, der als haariger Affenmensch in rotem Frack selbst am Klavier saß, Jazziges von sich gab und ansonsten die ewig-animalische Sexmaschine Mann mimte. Zwischen ihren Monologen sangen die Frauen Rammstein-Songs, deren Härte aber in samtigem Bar-Sound eingeschmolzen wurde: "Bück dich, befehl ich dir. Wende dein Antlitz ab von mir, dein Gesicht ist mir egal."

Schade, dass der Varieté-Effekt, der immerhin eine Öffnung zum Publikum bewirkt, nicht für Interaktionen genutzt wurde. So blieben die Zuschauer stumm, während aus der Ferne nervöse Polizeisirenen vom immer stärker werdenden Polizeiaufgebot am Bahnhof kündeten, wo die Ohnmacht vor der Übermacht nicht in Gegengewalt umgeschlagen war und wo in der Nacht mit schwerem Gerät in rasender Geschwindigkeit ein Baum nach dem anderen gefällt wurde.

Rezension für nachtkritik.de. Die Uraufführung fand statt am 30.9.2010.

Dienstag, 28. September 2010

Fünf Personen suchen (k)eine Sprache

Drei Western – René Polleschs virtuos-gruselige Sprachverwirrung am Stuttgarter Staatsschauspiel

René Polleschs Drei Western in Stuttgart. Harald Schmidt ist obenauf. © Cecilia Gläsker

Stuttgart - Woody Allens 1997 gedrehter Kinofilm "Deconstructing Harry" erzählt von einem Mann, der von anderen Menschen nur noch "unscharf" wahrgenommen wird. Die Filmkamera macht das Spiel mit. Was bei Woody Allen visuell geschieht, lässt René Pollesch in seinem neuen Stück "Drei Western", das gestern – wie immer in eigener Regie – in der Interimsspielstätte "Werkhalle" des sich gerade im Umbau befindenden Stuttgarter Staatsschauspiels seine Uraufführung erlebte, der Sprache angedeihen: Sie ergießt sich orgiastisch, fließt und sprießt, wie Öl aus der Quelle spritzt, aber der Gedanke mag sich noch so sehr an die Buchstaben klammern: Die Sprache bleibt unscharf – ein Jargon der eigentlichen Uneigentlichkeit, oder umgekehrt.

"Fünf Personen suchen (k)eine Sprache", könnte das Stück auch heißen. Wie Pollesch-üblich muss die Souffleuse (Laura Tetzlaff) den Schauspielern auf der Bühne sichtbar zur Seite stehen, wenn sich die Protagonisten den Text in einer solch barbarischen Geschwindigkeit um die Ohren hauen, dass fast niemand ohne Aussetzer durchkommt. Der formidable, charismatische Christian Brey schafft's. Harald Schmidt nicht so ganz. Auch Florian von Manteuffel nicht. Ob Silja Bächli und Lily Marie Tschörtner textsicher bleiben, ist in diesem Tempo nicht so recht zu beurteilen: Sie setzen sich von der Stimme der Souffleuse naturgemäß weniger ab als die Männer.

Ein Sinn lässt sich nicht wirklich herausquetschen aus dieser quecksilbrigen, vagen Masse an Worten: Die beruhigende Kadenz des Descartes'schen "Also bin ich" bleibt die Zunge dem Gehirn bis zum Ende schuldig. Man kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen, ohne beides wirklich zu meinen. Vage oder paradoxe Verläufe, schwammiges Wuchern der Vokabeln, zunächst lapidare Assoziationsketten, die plötzlich beiläufig in das Auschwitz-Grauen stolpern: Man verirrt sich in den Worten, bewusstlos, tumb. Es geht ums Theater, um den Rundfunk, aber auch irgendwie um alles, was uns betrifft.

Natürlich meint der Titel "Drei Western" ja Tschechows "Drei Schwestern", hätte da nicht irgendjemand der fünf Protagonisten etwas falsch verstanden: "Wir hören uns nicht, obwohl wir uns hören". Man paddelt im Nonsens, ohne es zu wollen: "Nettigkeit kittet, dass wir überhaupt nichts miteinander zu tun haben!", "Der Kapitalismus kann verstanden werden, wir nicht!" oder "Liebe und Tod ist das, was wir nicht teilen können!"

Die wuchernden Wortkaskaden lassen sich nicht kontrollieren und erst recht nicht steuern. Alles Lüge, oder was? "Die Wahrheit ist das Schlachtfeld. Und nicht die Lügen. Wir müssen gegen die Wahrheit kämpfen. Gegen die Lüge, wahr sein zu müssen. Das müssen wir gar nicht. Wir haben es hier mit einer Verkennung des Kampfplatzes zu tun", heißt es an zentraler Stelle – und dem Zuschauer wird's ganz schwindelig.

Nein, "man hört sich nicht", obwohl man andauernd quasselt. Fünf Personen umrunden sich misstrauisch, laufen kopflos nach unten statt nach oben. Wenn sie nicht quatschen, schleichen sie ängstlich den vagen Kopfandeutungen eines selbsternannten Führers hinterher. Oder verheddern sich im Schlaf in den Gliedmaßen des anderen. Pantomime scheint eindeutiger als die Sprache. Man will "Sätze erfinden, damit sie was zu sagen haben". Unmöglich. "Verstanden hab ich ja schon, ich hab bloß nix gehört." Es geht um eine Rundfunkpantomime namens "Stille Stunde", bis jemand es herausschreit: "Ich kann sie nicht mehr hören, diese Pantomime". Und immer wieder bettelt einer: "Wir müssen konkret werden!"

Von Rollenidentität kann keine Rede sein. Jeder ist jeder oder niemand. "Wenn man seinen Körper will, ist das der Tod!" Wo lassen sich solche Sinn umgehenden Dauerwortkanonaden verorten? Bei Pollesch zwischen Westernsaloon und Kronleuchter, zwischen Barhocker, Klavier und Schaukelstuhl und waldigem Wandgemälde mit Einhorn in der Mitte (Bühne/Kostüme: Anette Hachmann/Elisa Limberg): Eben vage, irgendwo, irgendwie, irgendwann. Auch musikalisch: Die revueartig geschnittenen Szenen werden aufgepeppt durch "White Sandy Beach Of Hawaii", Hummelflug, Schicksalssinfonie oder Lindenstraßen-Schlussemblem. Das ist unterhaltsam, aber warum bloß muss mittlerweile jede Inszenierung belanglos illustrierende Live-Video-Verdopplung erleben?

Seit Hugo von Hofmannsthal zerfallen Worte im Mund "wie modrige Pilze". In unserer Welt des "irgendwie", der zwangsweise mitgehörten Handynichtigkeiten, der unreflektierten Fernsehschwatzereien, der "Wir wollen doch nicht an dem Ast sägen, auf dem unser Wohlstand sitzt"-Phrasen gewisser Politiker fragt man sich: Wird unsere Sprache jemals wieder etwas bedeuten? Bei Pollesch und in den "Drei Western" hat sie sich soweit vom Menschen entfernt, dass dieser verschwindet. Übrig bleibt ein sich selbst beständig regenerierendes Wortmonster.

Zum Glück ist nach 70 Minuten Schluss. Der Kopf würde einem sonst zerplatzen von all dem Dauergelabere, und irgendwann würde es auch langweilig werden. Trotz des phänomenalen Ensembles.

Rezension für nachtkritik.de. Die Premiere war am 28.9.2010.

Dienstag, 21. September 2010

Mattigkeit statt Licht und Schatten

Musikfest Stuttgart: Helmuth Rilling dirigiert im Beethovensaal Schumanns "Szenen aus Goethes 'Faust'"

Stuttgart - Goethes "Faust": Heute das meistgespielte Drama der deutschen Sprache, aber schon in romantischen Zeiten Stoff, aus dem die musikalischen Träume sind. Spohr, Gounod, Berlioz, Boito, Liszt, Mahler: Sie und andere haben sich des "Faust" angenommen, in Opern, sinfonischen Dichtungen, Oratorien. Viele Versionen widmeten sich indes lediglich der populären Gretchen-Tragödie. Robert Schumann nicht: Der traute sich auch an "Faust II", die schwer verständliche Fortsetzung des Dramas.

Am Ende eines langwierigen Schaffensprozesses stand 1853 ein Meisterwerk: "Scenen aus Göthe's Faust für Soli, gemischten Chor und Orchester" lautet der Originaltitel des zweistündigen dramatischen Werks für den Konzertsaal: ein Zwitter aus weltlichem Oratorium und gigantischer Chor-Symphonie, geprägt von fesselnder Dramatik, schwelgendem Melos, krasser Harmonik, farbiger Instrumentation - und selbst groteske Komik kann man darin entdecken.

Zunächst wird schlaglichtartig die Gretchen-Handlung beleuchtet, im zweiten und dritten Teil zeichnet Schumann episodenartig Fausts verwickelte Vita bis zu seinem Tod und seiner Erlösung nach. Nikolaus Harnoncourt lobte einst, Schumann habe in seinen Faust-Szenen psychische Vorgänge beleuchtet, sie durchschaut und erkannt, wie es niemandem vor und nach ihm in der Kunst gelungen sei.

Wer das Werk nun im Abschlusskonzert des Musikfests im nicht ausverkauften Beethovensaal hörte und es vorher nicht gekannt hatte, dürfte erschüttert gewesen sein: ob der Tatsache, dass diese großartige Musik so gut wie nie live zu hören ist. Erschüttert war man, obwohl die Aufführung mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart und der Gächinger Kantorei in Helmuth Rillings Leitung auf keiner Ebene wirklich überzeugte. Man verstand so gut wie nichts vom Text, weder aus Chores noch aus Solisten Mund - sieht man einmal vom Stuttgarter Knabenchor Collegium Iuvenum ab, der seine Sache insgesamt fein machte. Die Gächinger Kantorei dagegen blieb ohne Strahlkraft, artikulierte undeutlich und wurde des öfteren vom Orchester übertönt. Die Balance zwischen den Ensembles stimmte einfach nicht. Hauptproblem: Helmuth Rilling winkte das Orchester durch. Ab und zu ein Bläserakzent, hier und dort der Hinweis auf heroisches Wallen. Sonst tat sich wenig in der dynamischen Arbeit und im instrumentalen Farbenspiel: Mattigkeit statt Licht und Schatten stellte sich ein, Prosa statt sogartiger Dramatik, klappernde Einsätze statt dezidiertem Spannungsaufbau.

Die Ideenlosigkeit in der Interpretation übertrug sich auch auf die Solisten, die weit unter ihrem Niveau blieben: Weder bösen noch mephistophelischen Geist strahlte der Bariton Gerd Grochowski aus. Baritonkollege Markus Eiche überzeugte erst im letzten Teil durch lyrischen Schmelz, der Tenor Christian Elsner blieb blass im Timbre, und die Sopranistin Letizia Scherrer war oft schlichtweg zu leise.

Eine gute Idee immerhin war es, die vielen kleinen Solopartien mit Teilnehmern der Musikfest-Meisterkurse zu besetzen. Ansonsten: Schön, dass man Schumanns Faust-Szenen endlich mal gehört hat. Aber schade, dass die Größe dieser Musik nicht zur vollen Entfaltung kam.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 21.9.2010. Das Konzert fand statt am 19.9.

Montag, 20. September 2010

Mondsüchtig in Stuttgart

Musikfest Stuttgart: Sheridan Ensemble und Mary Carewe mit "Liedern der Nacht"

Arnold Schönbergs Melodram "Pierrot lunaire" auf Gedichte von Albert Giraud birgt die vielleicht expressivsten Lyrikvertonungen der musikalischen Moderne. „Finstre, schwarze Riesenfalter töteten der Sonne Glanz“ klagt der mondsüchtige Clown in die Nacht hinein – gequält und zwischen Sprechen und Gesang zwitternd. Da kann man nichts machen gegen die Gänsehaut. Auch beim Spätkonzert am Samstag, das sich in den gut besuchten Wagenhallen "Liedern der Nacht" widmete, verfehlte Schönbergs epochemachendes Werk seine Wirkung nicht.

Der britischen Sängerin Mary Carewe gelang der schwierige Balanceakt zwischen "fast gesungen" und "mit Ton gesprochen", den "Pierrot lunaire" einfordert, und sie traf auch die geheimnisvoll ironischen Tonfälle, mit denen Schönberg die Zuhörer stets im Vagen der Bedeutung lässt. Leider nur sang Carewe mit Mikrofon. Weil die Lautsprecher ihre Stimme farblich nur matt wiedergaben, trat sie in den Hintergrund und kam mit den Instrumenten nicht wirklich zusammen. Auch der Text war meist nicht zu verstehen. Die rauschende Heizungsanlage tat das Übrige.

So lauschte man vor allem den Stimmen der hervorragenden Instrumentalisten. Das fünfköpfige Berliner Sheridan Ensemble unter der Leitung von John Carewe brachte die expressiv-atonale Partitur lebendig, spannungsgeladen und farblich plastisch geformt zu Gehör und hauchte dem kontrapunktisch komplexen Gewebe eine ganze Menge Sinnlichkeit ein. So gestaltete sich der Übergang zum leichteren, beschwingteren Teil des Abends bruchlos.

Philip Mayers am Klavier betörte nun mit der "Mèlodie perverse": verträumt wiegenden Walzern, die Friedrich Hollaender in den 1920er Jahren für das Berliner Kabarett "Schall und Rauch" geschrieben hat. Und Florian Donderer brachte in Mischa Spolianskys "Sehnsucht", das dem selben Berliner Kultur-Biotop entstammte, mit herzzerreißenden Melodien à la Zingarese seine Geige zum schwer melancholischen Singen.

In Songs aus verschiedenen Broadway-Musicals der 1940er Jahre, mit denen Kurt Weill im amerikanischen Exil sein Überleben sicherte, konnten sich Mary Carewes Stimmbänder jetzt endlich perfekt ausgesteuert entfalten, und ihr britischer Humor stand den Liedern genauso gut wie die transparente, pfiffige Begleitung durch das Sheridan Ensemble, das Weills ganz eigenen Stil – in dem der Broadway-Tonfall stets mit charmant strömenden Dissonanzen kokettiert – exzellent zur Geltung brachte.

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 20.9.2010. Das Konzert fand statt am 18.9.

Freitag, 17. September 2010

Flüstern und Flattern

Musikfest Stuttgart: Ensemble Ascolta mit Zeitgenössischem zur Nacht

Bei Nacht sind alle Katzen grau. Töne aber mitnichten. Sie gewinnen sogar noch an Farbe, weil in der Finsternis auf die Augen kein Verlass mehr ist und die Ohren sich spitzen. Deshalb darf Musik in der Nacht auf Zehen gehen, braucht zackige Rhythmen oder Fortissimosignale nur, um zu erschrecken.

Im Spätkonzert am Mittwoch war solche Nachtmusik zu hören: Neue Notturnos, mit denen das siebenköpfige Instrumentalensemble Ascolta die luftig besetzte Stadtkirche Bad Cannstatt in einen geheimnisvoll wispernden Klangraum verwandelte. So leise war es oft, dass das Knacken der Kirchenbänke und das Knarzen der Lederjacken in Konkurrenz traten zur Musik.

Über trägem Pochen echoten, atmeten, seufzten Trompete und Posaune in Tiziano Mancas "Nel labirinto" für Ensemble, und die Gitarre flüsterte in zarten Serenadenfragmenten. Sinnlich sirrend im Flageolett, sich entfernend und dann wieder ganz nah, umwarb das Cello von Erik Borgir die Ohren in Salvatore Sciarrinos Soloserenade "Ai limiti della notte". Und flatterhafte, dennoch hartnäckige Gestalten ließ Florian Hoelscher in Sciarrinos Notturno Nr. 1 für Klavier durch die Kirche huschen. Martin Smolkas sehr langsames Notturno für Ensemble überraschte in all seinen mikrointervallischen Klagen, seinen statischen Klangflächen und zündelnden Schraffuren auch mal durch eruptives Konterkarieren.

Als Uraufführung spielte man die dreisätzigen "Chopin transcriptions" von Ascolta-Posaunist Andrew Digby: Wunderbar, wie die Musiker den Geist des polnischen Komponisten aufscheinen und wieder verschwinden ließen, zeitlupenartig gedehnte Zitate aus dessen Nocturnes mit disparatem Material überlagerten und sie so in eine seltsam verzerrte Traumklangwelt überführten. Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer. In dieser Nacht waren's aber sehr schöne.

Rezension für die Stuttgarter Nachrichten vom 17.9.2010. Das Konzert fand statt am 15.9.

Dienstag, 14. September 2010

Berauschend

Musikfest Stuttgart: Robert Schumanns chorsinfonisches Opus „Das Paradies und die Peri“

Stuttgart - An seltsamem Personal ist die romantische Literatur ja reich. Aber was ist eine Peri? In der persischen Mythologie ist sie ein Luftgeisterwesen, das wegen seiner sündigen Vergangenheit aus dem Paradies verstoßen wurde. Kein Wunder, dass diese exotische Kreatur einem hierzulande nicht geläufig ist. Sie entstammt nämlich der 1817 erstmals erschienenen Märchendichtung „Lalla Rookh“ des irischen Schriftstellers Thomas Moore, die in deutschsprachigen Gefilden so gut wie unbekannt blieb. Robert Schumann aber fiel sie in die Hände, und er zeigte sich derart begeistert davon, dass er im Jahre 1843 vier Verserzählungen aus diesem Buch, dessen Rahmenhandlung die Reise einer indischen Prinzessin zu ihrem zukünftigen Gatten erzählt, zur Grundlage eines 100-minütigen chorsinfonischen Werkes machte: „Das Paradies und die Peri“ bezeichnete Schumann zunächst als „Oratorium, aber nicht für den Betsaal - sondern für heitere Menschen“. Bald nahm er aber Abstand von dieser Gattungsbezeichnung und sprach nur noch schlicht von einem „neuen Genre für den Concertsaal“.

Beim Musikfest, das sich in einem Programmstrang auch selten aufgeführten Werken Schumanns widmet, konnte man „Das Paradies und die Peri“ jetzt im leider nur schwach besuchten Beethovensaal hören.

Das Libretto spart nicht an Kuriositäten: Die verstoßene Peri muss, um sich ihren Platz im Paradies zurückzuerobern, „des Himmels liebste Gabe“ bringen. Keine leichte Aufgabe: Der letzte Blutstropfen eines sterbenden Freiheitskämpfers, der letzte Atemhauch einer Jungfrau, die freiwillig ihrem Geliebten in den Tod folgt, reichen noch lange nicht. Erst die Reuetränen eines Verbrechers öffnen ihr endlich Pforten zum Himmel.
Exotische Harmonik

Die Musik, die Schumann zu diesem Erlösungsdrama schrieb, ist allerdings berauschend und dürfte für jeden, der sie vorher noch nicht kannte, eine Entdeckung sein. Der Komponist verzichtete auf oratorientypische Rezitative und verteilte die Erzählerpartie auf die Gesangssolisten, auf Solistenensembles und den Chor. Das sorgt für quirlige Abwechslung und einen ungeheuren Hörsog, der auch durch die dramatische, an exotischer Harmonik und grellen Klangeffekten nicht sparende sinfonische Arbeit erzeugt wird. Für die ungeheure Wirkung des Werks waren natürlich die an diesem Abend Musizierenden verantwortlich. Daniel Reuss dirigierte als Gast die Stuttgarter Philharmoniker, denen - abgesehen von ein paar intonatorischen Patzern in den Violinen - ein zwischen Streichern und Bläserapparat äußerst ausgewogenes Klangbild glückte, in dem die oft exotischen Instrumentenmixturen wunderbar zur Geltung kamen.

Der Estnische Philharmonische Kammerchor, seit 2008 unter der künstlerischen Leitung von Reuss, überzeugte durch dramatische ­Energie, homogenen und reinen Zusammenklang. Unter dem siebenköpfigen Solistenensemble beeindruckte vor allem der junge Tenor Maximilian Schmitt mit seinem warmen, farbigen Timbre und geschmeidigen Phrasierungen. Altistin Marianne Beate Kielland war eine ausdrucksstarke, einfühlsame Erzählerin, und Sopranistin Simone Schneider als Peri meisterte die enorm anspruchsvolle Partie höhensicher, in allen Registern souverän gestaltend und konnte sich stets problemlos über das oft gewaltige Orchestertutti hinwegsetzen.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 14.9.2010. Das Konzert fand statt am 12.9.

EDUARDAS UNIVERSUM

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Wer ist Eduarda?

Eduarda bin natürlich ich! Diesen Spitznamen verpasste mir ein Freund in meiner Anfangszeit als Musikkritikerin in Erinnerung an den berühmten Eduard Hanslick.

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