Sonntag, 21. Dezember 2014

Musik im Geisterhaus

Herbstsonate – Jan Bosses Version von Ingmar Bergmans Film am Stuttgarter Staatsschauspiel mit Corinna Harfouch und Fritzi Haberlandt

Sie haben viel geredet und sich nichts mehr zu sagen: Charlotte (Corinna Harfouch, links) und ihre Tochter Eva (Fritzi Haberlandt). (Foto: Bettina Stöß)


Stuttgart, 20. Dezember 2014. Klar, berühmte Pianistin ist gleich Rabenmutter. Liegt in der Natur des Berufs. Wen wundert's? Häufige Abwesenheit, hartes Training, ständiger Erfolgsdruck, künstlerische Egomanie. Nur wenn's bei der Arbeit nicht mehr läuft, muss die Familie herhalten. Und dann Gnade ihr Gott.

Was hat Eva in Ingmar Bergmans Film Nummer achtunddreißig "Herbstsonate" von 1978 ihrer Mutter Charlotte, der Klaviervirtuosin, nicht alles vorzuwerfen: Die schwere Krankheit der Schwester, Evas Unfähigkeit zu lieben, sogar für die Abtreibung von Evas erstem Kind soll Charlotte verantwortlich sein. "Menschen wie du sind gefährlich, sie sollten eingesperrt werden", schreit Eva ihr entgegen. Die Mutter verteidigt sich mit der eigenen lieblosen Kindheit und ihrem beruflichen Stress. Sieben Jahre hatten sich die beiden nicht mehr gesehen, bis Charlotte nach dem Krebstod ihres Lebensgefährten weich wurde, und die Tochter samt ihrem Ehemann, dem Dorfpfarrer Viktor, jetzt in der Provinz besucht.

Viele Worte, wenig Gehör

Mutter und Tochter reden viel: morgens, mittags, nachts. Aber man ist für die Argumente der anderen nicht zugänglich, dreht sich im Kreise: Wie die Bühne im Stuttgarter Schauspielhaus, auf der Jan Bosse jetzt zum zweiten Mal Bergman platziert hat. Wie schon in Bosses Erfolgsinszenierung Szenen einer Ehe hat Bühnenbildner Moritz Müller auch für diesen am Ende umjubelten Abend ein holzsperriges, surreal verwinkeltes Puppenhaus zusammenzimmern lassen – diesmal aus asymmetrisch verbundenen, engen Kasten-Räumen. Zwischen den Szenen irren und klettern die Protagonisten durchs Haus wie in einem Labyrinth.

Das düstere Pfarrhaus wirkt heruntergekommen: die Zimmer wie Abstellkammern, karg möbliert, unwirtlich. Dort ausgestopfte Vögel an der Wand, dort kalte Neonröhren. Mittendrin steigt eine Feuerleiter in die Höhe. Und überall Kerzen, als seien es Gedenkräume. Das Bühnenbild ist atmosphärisch gelungen: das Heim als Unheim, ein Geisterhaus.

Und in der Tat, die Geister lassen nicht lange auf sich warten: Der kleine Erik, der vor Jahren ertrunkene Sohn des Pfarrer-Ehepaars, sitzt mal unterm Esstisch, mal stiehlt er sich durchs Videobild. Evas schwerkranke Schwester Helena (Natalie Belitski) ist auch omnipräsent. Im Film ist Helena ans Bett gefesselt, unfähig sich noch zu bewegen oder sich verständlich zu artikulieren.

Wie im Spinnennetz

Bei Bosse schleicht sie als mysteriöse, stumme Riesenpuppe durchs Haus, keine wirklich reale Figur, mehr ein Gespenst, entstiegen den Fantasien eines schuldgeplagten Unbewusstseins. Robbt gelegentlich an die Mutter heran, um sie überfallartig zu drücken und dabei fast zu erwürgen. Ein Albtraum! Oder sie hockt oben auf der Feuerleiter und wirft rapunzelig einen endlos langen Schal hinunter, in dem sich Charlotte dann verheddert wie in einem Spinnennetz. Und selbst Evas Gatte Viktor (Andreas Leupold) wirkt wie eine Spukgestalt im eigenen Haus. Lauscht hinter der Wand, malt manisch Striche an die Wand. "Herbstsonate" bezieht sich im Titel auf Strindbergs "Gespenstersonate". Das nimmt Bosse ernst. Hier wie dort geht's um Gerechtigkeit und Schuld und die Geister der Vergangenheit.

"Was für Schuld?", fragt Charlotte nach den quälenden Auseinandersetzungen mit Eva. Unter Tränen, Heulen, Zähneknirschen wird um die Wahrheit gerungen: "Deine Worte gelten in deiner Wirklichkeit und meine Worte in meiner. Wenn wir anfangen, unsere Worte auszutauschen, werden sie sinnlos." Da hat Eva Recht. Am Ende geht man so fremd auseinander, wie man zusammenkam. "Ich pfeife auf die Selbsterkenntnis", flucht die Mutter. Kommunikation ohne Konsequenz im Handeln.

Mutter-Tochter-Albtraum

Corinna Harfouch trifft den Charakter der Charlotte gut und spielt sie – wie im Film Weltstar Ingrid Bergman – mit divenhafter Grandezza, einer vitalen, gierigen, verzweifelten Überheblichkeit, mit zur Schau gestellter, gespielter Mutterliebe, robustem Egoismus und pragmatischer Härte. Und sie ist ein Tick brutaler als das Vorbild.

Fritzi Haberlandt als verklemmte Pfarrersfrau Eva reagiert sowohl auf die sprachlose Albtraum-Welt um sie herum als auch auf die Mutter mit Haberlandt-typischer veralbert gespielter Kindlichkeit – die Regie kommt ihr da entgegen, wenn Eva mit dem unsichtbaren Geist ihres verstorbenen Sohnes Karten zu spielen hat. Existenzieller Druck vermittelt sich nur partiell: Etwa wenn Eva Macht über die Mutter erlangt, diese mit Gewalt zum Zuhören zwingt. Wenn Harfouch sich dann ganz klein in den Stuhl duckt und Haberlandt sie lauthals zutextet und das mit einem Brieföffner kommentiert, den sie sich rhythmisch in den Leib rammt: das ist stark.

Zwischen Ernst und Komik

Trotz vieler großartiger Bilder in dieser Bergman-Adaption: Was in den "Szenen einer Ehe" so gut funktionierte, nämlich die Möglichkeiten des Films durch die Mittel des Theaters – etwa komödiantische Finessen und Brüche als Mittel der Demaskierung – auszugleichen, will an diesem Abend nicht so recht gelingen. Bosse möchte sich nicht festlegen auf Ernst oder Komik. Und der fehlenden Film-Kamera, die lange Monologe dank Naheinstellungen dramatisch und psychologisch ausleuchten kann und die oft eine kaum erträgliche Intimität herzustellen vermag, kann Bosse nicht wirklich etwas entgegensetzen. Filmmonologe sind keine Theatermonologe. Wenn die Nähe der Kamera und somit das fein differenzierende Mienenspiel der Schauspieler wegfällt, wird die Distanz zu groß, die Worte wirken schnell banal. Und dann wird’s langweilig.

Einmal gar muss Bosse klein beigeben: In einer der zentralen Szenen nämlich, wenn Eva ihrer Mutter ein Chopin-Prélude auf dem Flügel vorspielt und diese anschließend überlegen ihre eigene Interpretation zum Besten gibt. Ja, da kommt eine Kamera ins Spiel, um die Gesichter und Körper der beiden überdimensional auf den Gaze-Vorhang zu projizieren: damit wenigstens ein Bruchteil der Gefühle sichtbar wird.

Rezension für Nachtkritik.de.

Herbstsonate
nach dem Film von Ingmar Bergman, aus dem Schwedischen von Heiner Gimmler Regie: Jan Bosse, Bühne: Moritz Müller, Kostüme: Kathrin Plath, Musik: Arno Kraehahn, Video: Meika Dresenkamp, Licht: Kevin Sock, Dramaturgie: Gabriella Bußacker.
Mit: Corinna Harfouch, Fritzi Haberlandt, Natalia Belitski, Andreas Leupold, Rasmus Armbruster/David Vetter.
Dauer: 2 Stunden, keine Pause

www.staatstheater-stuttgart.de

Samstag, 8. November 2014

Erinnerungen ans Glück

Der russische Pianist Grigory Sokolov mit einem brillanten Konzert im Stuttgarter Beethovensaal

Stuttgart - Grigory Sokolov steuert schnurgerade auf den Flügel zu. Abgedunkelt ist der Stuttgarter Beethovensaal, die Bühne im Dämmerlicht. Sokolov dreht sich schon beim Verbeugen in die Arbeitshaltung des Pia­nisten, ernst, ohne Lächeln, und überträgt den Schwung der Bewegung in den ersten Ton des Präludiums, das Johann Sebastian Bachs B-Dur-Partita eröffnet. Und schon ist man drin im Hörsog seines Klangkosmos, in einer anderen Welt, einer anderen Logik, und doch einer, die wohl jeder versteht, ob Laie oder Profi - so intensiv, dennoch selbstverständlich, so über jede technische Schwierigkeit erhaben, so emotional durchwirkt, dennoch durchdacht formt Sokolov die Gedanken, die polyphonen Geflechte, die Melodien.

Atemlos reihen sich die vermeintlichen Tanzsätze aneinander, sanft, schwungvoll, weich, um endlich zur Sarabande zu gelangen, das der russische Pianist als den gewichtigsten Satz der Suite herausarbeitet: als ihr schwermütig pochendes Herz - Memento mori. Auch die folgenden Menuette verdunkelt die Seele des Melancholikers. Und der finalen Gigue, hell, quirlig, leicht hingetupft, verpasst Solokov Beethoven’sche Dramatik. Geschickt, denn es folgt dann ja Beethoven - in Gestalt seiner frühen D-Dur-Sonate op. 10 Nummer 3.

Auch diese baut Sokolov um den langsamen zweiten Satz herum, das „Largo e mesto“, das Zentrum wird: selbstvergessen, versunken, voller Weltschmerz. Beethovens Impulsivität überführt der Russe in den schnellen Sätzen in zackig gesetzte Kontraste, deutliche Akzente und zielgerichtete Crescendi, die pointiert abgeschlossen werden. Überrascht wird das Ohr vor allem durch plötzliche sehr, sehr leise, dennoch feinste Abschattierungen. Bach und Beethoven - Ähnliches ausdrücken mit anderen Mitteln: Sokolov macht sie zu Brüdern im Geiste. Das ist nicht ganz historisch, aber legitim, wenn man Sokolov als einen Romantiker durch und durch versteht. Als einen, der die Musik als ein eigenes Reich betrachtet, in das er während der Dauer des Konzerts abtaucht und sein Publikum mitreißt. Eine Welt, in dem sich der Künstler dem Unaussprechlichen annimmt, der unstillbaren Sehnsucht, den unendlichen Ahnungen.

Ja, Sokolov, der stille Verweigerer jeglichen Starrummels, ist ein Romantiker. Weswegen Chopins h-Moll-Sonate zum Höhepunkt des Abends wird. Der 64-Jährige, gedrungen, gebeugt, längst weißhaarig, spielt das Werk eines 34-Jährigen als große Herbststurmsonate. Der Introvertierte erzählt vom ersten Ton an die Geschichte eines Lebens. Was wäre alle Musik, wenn ihr nicht auch der große Schmerz innewohnen würde? Die Erkenntnis der Endlichkeit, Erfahrungen des allgegenwärtigen Todes. Sokolov sinniert, erinnert, reflektiert. Lässt Furor als Lebensenergie aufbrausen und wieder verschwinden. Lässt den poetischen Augenblick wirken, innehalten in der schönen Melodie: flüchtige Erinnerungen ans Glück, dann wieder gedämpfte Lebensfreude, Liebe, Einsamkeit. Farben, Nuancen, Schattierungen zeigt er, in denen man Skrjabin und Janacek herauszuhören meint. Kann man Chopin besser spielen, ergreifender? Atemlos lauscht das Publikum. Es ist diszipliniert. Es weiß: Jeder Huster würde dieser hermetischen, vielbedeutenden Klangwelt Risse verpassen.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 7. November 2014.

Sonntag, 26. Oktober 2014

Die Kraft der Solistin

Radio-Sinfonieorchester Stuttgart mit Isabelle Faust und Heinz Holliger

Stuttgart - 75 ist er im letzten Mai geworden: Heinz Holliger, der Schweizer Oboist, Komponist und Dirigent. Der drahtige Mann mit der asymmetrischen Klebefrisur feierte jetzt seinen Geburtstag noch mal im Beethovensaal nach: Am Dirigierpult des Radio-Sinfonieorchesters Stuttgart (RSO). Holliger ist ein echter Romantikexperte, der sich einen Namen gemacht hat mit exzellenten Einspielungen von Werken nicht nur seines Seelenverwandten Robert Schumanns. Holliger nähert sich aber auch in seinen eigenen Werken immer wieder der romantischen Klangwelt an: in Nah- und Fern-Wirkungen, sanft an- und abschwellenden Tönen, hochexpressiven, fragilen Strukturen, im Fragenden und Geheimnisvollen.

Im Konzert im Beethovensaal mochte es vor allem an Holligers Freestyle-Schlagtechnik und seinen extrem gedehnten Tempi gelegen haben, dass sich nur wenig von seinem Expertentum im Spiel des RSO niederschlug. Schumanns „Nachtlied“ für Chor und Orchester schleppte sich 12 Minuten dahin, fiel klanglich völlig auseinander. Im Orchester klapperte es ohne Ende und das SWR Vokalensemble wirkte recht orientierungslos in seinem Wollen, Schöngesang zu produzieren.

Ähnliches lässt sich über die final gespielten „Nocturnes“ des Impressionisten Claude Debussy sagen, die auf der Stelle traten. Gähn! Vor allem im Schlussteil „Sirenes“ mit wortlos singendem Frauenchor setzte Holliger auf völlig flach gehaltene Spannungskurve: Es fehlte deutlich die Pulsierung der Farbenmusik durch Energiesammlung und -rückzug.

In Holligers eigener Debussy-Reflektion „Ardeur noire“ für Orchester und Chor stellte das RSO immerhin mal wieder sein Potential in zeitgenössischer Musik unter Beweis: Zumindest in der zweiten Hälfte, in der sich die Strukturen auffächern, sich eintrüben und schon bald wie dunkel übermalter Debussy klingen.

Was den Abend rettete, war aber der Auftritt der phänomenalen Geigerin Isabelle Faust, die in Schumanns Fantasie für Violine und Orchester op. 131 professionell nicht nur die rhythmischen Ungenauigkeiten des Orchesters in ihre schwer virtuose Partie integrierte, sondern wieder einmal durch Klarheit und Struktur und einen von Euphorie bis zum Weltschmerz reichenden intensiven Ton in Bann zog. Dass Bartóks Erstes Violinkonzert dann auch vom RSO passabel ergänzt wurde, mag an der engen Verzahnung des Orchester- mit dem Violinpart liegen. Hier zog Faust das Orchester in guter alter Konzertmeisterinnenmanier durch deutliche Körperbewegungen mit, und das Publikum war glücklich.

Besprechung für die Stuttgarter Nachrichten vom 25. Oktober 2014.

Sonntag, 7. September 2014

Erlkönig im Musikantenstadl

Musikfest Stuttgart: Christoph und Julian Prégardien eröffnen die „Väter und Söhne“-Reihe

Stuttgart - Das Highlight der geschmacklosen Bearbeitungen von Schubert-Liedern war zweifelsohne der „Erlkönig“. Oder sagt man da besser Tiefpunkt? Jedenfalls sangen die beiden Tenöre Christoph Prégardien und sein 30-jähriger Sohn Julian, die im Mozartsaal die Musikfest-Reihe „Väter und Söhne“ eröffneten, die Stimme des bösen Erlkönigs als fröhliches, terzen- und sextenseliges Männerduett. Das klang, als habe sich der gespenstische Kerl in den Musikantenstadl verlaufen. Und damit dürfte er ungefährlich geworden sein für den kranken Knaben, den er eigentlich lüstern ins Jenseits lockt. Erstaunlich, wie man eine sorgsam aufgebaute Spannung derart derb wieder zerstören kann. Denn der Dialog zwischen besorgtem Vater und fieberndem Sohn wurde durchaus gestaltungsbeflissen artikuliert, auch wenn Julian durch ausdrucksbedingtes Forcieren in der Höhe arg ins Tönequetschen verfiel und Christoph etwas schwächelte.

Genauso auf die Nerven gingen die zuvor erklungenen, für zwei Tenöre eingerichteten Schubert-Sololieder „Der Zwerg“ oder „Der Musensohn“, die, wie fast alles an diesem Abend bis auf die Brahms-Arrangements von Hermann Zilcher, das Siegel „Bearbeitung der Künstler“ trugen. Das verlief so gut wie immer gleichförmig und in homophonem Satz: Des Vaters Stimme versteckte sich unter dem melodieführenden Organ des Sohnes, beide sangen munter drauf los, extrovertiert, monochrom, mal gassenhauerisch, mal kitschig verträumt, womit vor allem die farblich nuancierte, psychologisierende Textausdeutung außer Acht blieb. Auch die Arrangements mehrstimmiger Kompositionen konnten nicht überzeugen. In Schuberts „Zum Rundetanz“ und „Die Nacht“ etwa wanderten die tiefen Stimmen einfach in den Klavierpart des zart und fein begleitenden Michael Gees. Der von Vater und Sohn intonierte Rest der Quartette offenbarte deutlich kahle Stellen. Das Publikum zeigte sich freilich am Ende entzückt über die ach so einträchtig duettierende Familienallianz.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 6. September 2014.

Montag, 28. Juli 2014

Haydn goes Balkanblues

Der Akkordeonist Otto Lechner und das Casal Quartett bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Ludwigsburg - „Seit Jahrzehnten blind im Dienste der Musik“, prangt auf Otto Lechners Homepage. Keine Frage: Der blinde österreichische Akkordeon-Virtuose, der unter anderem angibt, „als Kompo- und Pianist“, „in An- und Straßenbahnzügen“ sowie in „Kir- und bei Brötchen“ zu arbeiten, hat Humor. Und gute Musik macht er sowieso. Zu hören war das jetzt bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen, wo der vielseitige Langzeit-Wiener jetzt mit dem Schweizer Casal Quartett und Haydns Streichquartetten op. 33/5 und op. 76/1 im Ordenssaal auftrat.

Das Casal Quartett spielte notengetreu, mit großem Ausdruckswillen und recht homogen. Otto Lechners Akkordeon kommentierte, konterkarierte, ergänzte das Spiel des Quartetts. Weil Lechner durch und durch ein Musiktier ist, ergab sich daraus ein sehr unterhaltsamer und anregender Abend. Der Blinde hörte sich jeweils zunächst den Kopfsatz kommentarlos an, stieg dann in den langsamen zweiten ein und blieb auch im Scherzo beziehungsweise Menuett und im Rondo Haydn eng auf den Fersen. Er nutzte die Bruchteilchen von Leer-Sekunden zwischen den Quartetttönen für zarte Trillerchen, kecke Harmonien, fremde Farben, Bluenotes und nervöse Einsprengsel, reagierte mit Imitationen und exotischen Gegenstimmen, grätschte zuweilen mit melancholischen Melodiefloskeln hinein oder kadenzierte mit einem „Dadada“ auf den Lippen im bulgarischen Stil. Das gewohnte klassisch-klare Klangbild wurde dadurch eingetrübt, gleichzeitig aber auch erhellt: Denn Lechners pointierende Teilübermalung des Originals beleuchtete durchaus latent Vorhandenes, förderte tänzerische, rhythmische oder melodische Charaktere zutage, die bei Haydn unter der Oberfläche lauern.

Mitreißend auch Lechners einsätzige Akkordeon-Solo-Fassung von Haydns „Quintenquartett“, das er auf „Tauglichkeit als Tanzmusik“, mal als Tango, mal als Balkanblues, untersuchte. Und geradezu avantgardistisch wirkte die Verwandlung jenes Satzes aus Haydns „Kaiserquartett“, welcher die Melodie zur deutschen Nationalhymne liefert: Zu einem „kroatischen Volkslied“ ließ Lechner diesen Satz mutieren, in dem er eine dissonant sich reibende Melodie an den Quartettkörper andockte und ihn immer mehr in Beschlag nahm.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 26. Juli 2014.

Donnerstag, 24. Juli 2014

Walzer gebiert Ungeheuer

Geschichten aus dem Wiener Wald – HK Gruber vertont Ödön von Horváths kritisches Volksstück für die Bregenzer Festspiele

Von Verena Großkreutz


Bregenz, 23. Juli 2014. Um Ödön von Horváths Theaterstücke angemessen in Szene zu setzen, muss man sehr musikalisch sein. Es kommt auf den Ton an, sonst können Horváths Sprachpartituren nicht wirken mit ihren doppelbödigen Dialogen, aus denen beständig Gewalt und Aggression hervorzuschießen drohen. Ganz besonders musikalisch muss man für die "Geschichten aus dem Wiener Wald" sein. Schließlich heißt es schon in der ersten Regieanweisung: "In der Luft ist ein Klingen und Singen – als verklänge irgendwo immer wieder der Walzer 'Geschichten aus dem Wiener Wald' von Johann Strauß."

Horvath'sche Vorstadtfiguren in der Opernversion: "Geschichten aus dem Wiener Wald"
<br />
© Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Horvath'sche Stille

Ist es im Falle eines ohnehin schon "klingenden" und "singenden" Stücks sinnvoll, es zu vertonen? Könnte das Zutun eines Komponisten nicht eher kontraproduktiv wirken und die krass-gemeinen Doppelbödigkeiten und die Horvath'sche "Stille" durch Doppelgemoppel zukleistern und dadurch entschärfen? Immerhin – der Stoff passt durchaus zum Opernsujet: Diese Geschichte um die gute Marianne, Tochter eines Wiener Spielwarenhändlers, die mit dem fiesen Metzger Oskar verheiratet werden soll, aber dann mit dem Nichtsnutz Alfred durchbrennt, von ihm ein uneheliches Kind gebärt, verlassen wird, dann in die Erotik-Branche abgleitet, gar hinter Gittern landet, um dann am bitterbösen Ende doch von Oskar geehelicht zu werden, nachdem ihr Kind umgebracht wurde.

HK Gruber, 71-jähriger Star der österreichischen Neue-Musik-Szene, hat sich jetzt getraut, die "Geschichten" zu einer Oper mutieren zu lassen. Im Auftrag der Bregenzer Festspiele, die damit in diesem Jahr im Festspielhaus eröffneten. Um es vorwegzunehmen: Das Ergebnis macht zwar das Stück nicht noch besser, als es eh schon ist, aber es vertont angemessen und musikalisch durchaus spektakulär. Wer, wenn nicht der Wiener HK Gruber, kennt sich mit doppelbödigen Tonfällen aus? Gruber ist ein Komponist, der fernab avantgardistischer Doktrinen zu einer eigenen Musiksprache gefunden hat, die alles amalgamiert: ob Wiener Volkslied, schräges Neutönerisches, romantische Töne, Weill‘scher Song, Bruitistisches à la Strawinsky, Sprechgesang à la Berg, Minimalismus. All das scheint auf.

Partitur mit Tiefenschichten

Huber kann seinen Tonfall ändern wie ein Chamäleon. Dadurch kann er dem "Jargon der Uneigentlichkeit" auf den Zahn fühlen: dieser Sprache des Klischees, die das Horváthsche Bühnenpersonal spricht, sich dabei oft syntaktisch verrenkt und – als ungenaue Imitation des Bildungsbürgertums – sich Zitaten, Fremdwörtern, Pseudoweisheiten und Schlagwörtern bedient. Im quecksilbrigen Orchesterflow – HK Gruber steht selbst am Pult der Wiener Symphoniker – wird mal geplappert, mal ziellos mäandert, mal brutal zerhackt und krawummt – immer als Kontrapunkt zum gesungenen Wort oder Sprachsingsang, das sich von den Zungen, die es formulieren, längst entfremdet hat. Ob Gottesmühlen nun langsam, aber furchtbar klein mahlen, wie Metzger Oskar droht, Menschen ohne Ziel keine Menschen seien, wie Marianne mutmaßt, oder die Fleischhauerei ja noch immer etwas ganz Solides, sprich Lukratives, darstellt, wie es der Zauberkönig unterstreicht.

In den Tiefenschichten der vielstimmigen Partitur lauert stets auch der Walzer. Mal lugt er keck hervor, mal bricht er sich breitfüßig Bahn, mal scheint er stotternd, mal drohend ganz kurz auf oder wirft nur einen Schatten. Diese Gemütlichkeit gebiert Ungeheuer. Diese herausgestellte Gutmütigkeit bedeutet Gewalt.

Nah an den Figuren

Für eine Neue-Musik-Produktion ist der am Ende kräftig umjubelte Abend stimmlich geradezu luxuriös besetzt. Etwa die mannstolle Trafikantin Valerie: Sie wird von Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager höhensicher und lyrisch unterfüttert gesungen. Jörg Schneider verleiht den Oskar Heldentenortimbre. Dass der bösartige, in seiner latenten Gewalttätigkeit sprachlich scharf gezeichnete Metzger von Gruber mit dem Tenorfach bedacht wurde, ist ein zentraler Gedanke seiner Vertonung: Oskars Verlogenheit und Herzenshärte entlarvt sich aus der Diskrepanz seiner Tätlichkeiten und seiner Sprache zum Schöngesang. Grandios ist die nunmehr 74-jährige Anja Silja als Alfreds Großmutter und Kindsmörderin: keine tattrige, schwachsinnige Alte, sondern das personifizierte Böse: grell und laut in der Höhe, vibrierend, anmaßend. Musikalisch wie darstellerisch trägt Sopranistin Irene Eerens als Marianne einen großen Teil des Abends. Überzeugend in der Rebellion wie im Scheitern, im Lieben wie im Verzweifeln, stark und zerbrechlich, auch was die extremen Höhen und Lautstärken ihrer Partie angeht.

Das ist ohnehin die Stärke der Vertonung: nie gerät etwas lächerlich. Auch nicht im Falle Mariannes. Nirgends ist die Musik so nah an der Figur, so identisch und damit wahrhaftig, wie in dieser Soloszene: Wenn Marianne verzweifelt singt: "Gott, was hast du mit mir vor?" Etwas, was oft naiv-kindlich wirkt, erhält durch Grubers Musik bewegende Größe. Aufgehoben im ewigkeitstönenden Orchesterkosmos erhöht sich Mariannes einsames, aussichtloses Empfinden zu einer allgemeinmenschlichen Frage.

Hochhäuser am Donauufer

Libretto und Regie liegen in dieser Produktion in einer Hand. Michael Sturminger hat die Vorlage sehr behutsam gekürzt, den Wortlaut originalgetreu übernommen, allerdings die Szenen zum Teil umgestellt, was dramaturgisch nicht unbedingt einleuchtet. Als Regisseur hat er das Stück zudem in die heutige Zeit verlegt. Puppenklinik, Metzgerei, Kiosk etwa liegen nun einer Einkaufszeile eines Hochhausviertels. Das Ufer der Donau schmückt eine Hochhausskyline. Im Maxim bedienen Bunny-Girls.

Aber Horváths Stück ist fest in seiner Entstehungszeit verortet. Seine Figuren sollten sich so artikulieren wie jemand, der sonst nur Dialekt spricht und sich nun zwinge, hochdeutsch zu reden, schrieb Horváth einmal. Dieses "Volk" hat mit dem Dialekt auch seine Sprache verloren. "Geschichten aus dem Wiener Wald" wurde 1931, während der Weltwirtschaftskrise und kurz vor Beginn der NS-Barbarei, uraufgeführt. Horváth hat darin sehr genau die Mentalität des Vorfaschismus herausgearbeitet: Er zeigt Menschen, die durch die Not demoralisiert wurden, für die Gefühle und Menschlichkeit Luxusgüter sind. Ein Aspekt, der mit dieser Aktualisierung reichlich entschärft wird.

In Oskars Armen

Dafür gibt es viele starke Szenen. Etwa jene, in der Erich, der Nazi-Neffe, beim Nennen seiner Profession "Jus, 3. Semester, Arbeitsrecht" mit dem Gewehr ins Publikum ballert. Oder die Nacht im Maxim mit Band auf der Bühne und tierischen Tänzchen an der Stange. Vor allem aber die Schlussszene, für die Gruber ein musikalisch waschechtes "Liebesduett" komponierte, das den Text aber konterkariert, weil sich darin Mariannes "Ich kann nicht mehr" und Oskars "Du entgehst meiner Liebe nicht" ineinander verschränken. Am Ende trägt Oskar die ohnmächtige Marianne auf den Armen von der leeren, vernebelten Bühne. Gewalttätige, unheilverkündende Musik donnert auf. Godzilla lässt grüßen.

Besprechung für www.nachtkritik.de.

Mittwoch, 25. Juni 2014

Mal gewaltig, mal ganz zart

Der grandiose Bryn Terfel singt im Ludwigsburger Forum

Von Verena Großkreutz

Ludwigsburg - Ein Mann wie ein Baum. Eine Stimme, die dank ihrer Macht Mobiltelefone in Vibrationsalarm versetzen kann, auch wenn niemand anrief: Bryn Terfel. Der weltberühmte Bassbariton, Spross einer walisischen Farmerfamilie, war wieder einmal zu Gast bei den Ludwigsburger Festspielen und hinterließ im Forum am Schlosspark ein frenetisch jubelndes Publikum, das schon lange vor den Zugaben nur schwer im Zaum zu halten gewesen war. Die Begeisterungsschreie seines Auditoriums nutzte Terfel - da ließ sich der charismatische Spaßvogel nicht lumpen - immer wieder gerne für Witze über den riesigen Mikrofonständer des Konzertaufzeichners SWR, der Terfels hünenhaften Luxuskörper für die mittig sitzenden Zuschauer visuell halbierte. Ja, Terfel war da, die alte Rampensau. Mit einem klavierbegleiteten Liedprogramm, das an diesem Abend freilich nicht aus zart psychologisierenden Kunstliedern bestand, sondern vor allem aus handfest volksmusikalisch inspirierter Musik wie Ralph Vaughan Williams’ „Songs of Travel“. Der Opernstar pfeift ja bekanntermaßen auf die Grenzen zwischen U- und E-Musik, singt, was ihm gefällt, ob Musical, Klassik oder Folk.

Freiheit des Vagabunden

Es ist ja nicht nur diese phänomenal farbenreiche, geschmeidige, mal markerschütternde, mal herzerweichende Stimme, die fasziniert, ja hinreißt. Nein, es ist auch diese unglaublich männliche Vitalität, die sie verströmt: In den Wanderliedern von Vaughan Williams ließ Terfel den Vagabunden und seinen unerschütterlichen Drang nach Freiheit zwischen „Erdenkreis ringsum und einer Straße zum Gehen“ so lebendig werden, dass man selbst Lust bekam, stante pede seinen Rucksack zu packen, während man beim lebensermatteten Finale „Und ich habe gelebt und geliebt und die Türe zugemacht“ am liebsten losgeheult hätte wie ein Schlosshund, so anrührend und glaubwürdig brachte das Terfel rüber. Lautmalende Wortausdeutungen, mit denen seine mächtige Stimme plötzlich ganz zierlich die Vöglein zwitschern oder die Fiddel quietschen lässt, und die Lust und Wucht, mit der er die Passatwinde in Frederick Keels „Three Salt-Water-Ballads“ losbrettern lässt, machen ihn zu einem wunderbaren Geschichtenerzähler. Ob es dabei um die Sehnsüchte der Matrosen oder das spukige Seemannsgarn mitsamt seinen wilden, garstigen Hexen geht: Gänsehautfeeling ist garantiert, wenn der Mann mit dem breiten Brustkorb und sehr langen Atem seine Stimmbänder in Schwingung versetzt.

Und hat man schon je Dublins inoffizielle Hymne „Molly Malone“ derart elektrisierend gehört? Wie Terfel mit weit aufgerissenen Augen und fahler Stimme die schöne, am Fieber dahingeschiedene Fischhändlerin nun als Geist ihren Muschel-Wagen durch die Straßen Dublins schieben lässt: Das ließ so manch einen Zuhörer im Forum vor Schrecken erbleichen.

Eugene Asti, Terfels Mann am Klavier und Kumpel aus Studienzeiten, malte kongenial sehnsüchtige oder stürmische Stimmungen, tupfte helle, grelle und finstere Farben in die Tasten - kurz: gestaltete die Lied-Universen ebenso fein und plastisch aus wie der singende Kraftmensch an seiner Seite, neben dem er zwar äußerlich sehr zart wirkte, dem er aber, was die Energie und Kraft seines Tastenzaubers angeht, in nichts nachstand.

Am Tage aller Seelen

Das Duo zog dann auch nach der Pause - jetzt auch mit klassisch-romantischen Liedern - die Ohren in kollektiven Spannungsbann und ließ in Jaques-Ibert-Chansons Don Quijote in seiner ganzen Tragik auferstehen, immer umspielt von spanischen Tanzrhythmen und zarter Flamenco-Melismatik. Jetzt zeigte Terfel zudem, dass er auch zarte Liebeslieder säuseln kann (etwa Schumanns Heine-Vertonung „Du bist wie eine Blume“) und außerdem auch völlig verinnerlicht, sacht, sanft, trauernd überzeugen kann wie in Schuberts „Am Tage aller Seelen“. Mit der berühmten „Forelle“ gab es dann noch einmal ein balladeskes Leckerli, nach dessen Ende Terfel nicht umhin konnte, mit einer eindeutigen Handbewegung seinen Appetit auf das arme Tier zu bekunden, das im Lied auf so fiese Weise in die Falle gerät.

Und was tut ein Sänger von Terfels Format, wenn er ein anstrengendes Zweistundensoloprogramm hinter sich hat? Er schmettert dem Publikum noch flugs eine große, lange, teuflische Arie: „Son lo spirito che nega“ aus Arrigo Boitos Oper „Mefistofele“. Verrückt!

Kritik für die Eßlinger Zeitung vom 24. Juni 2014. Das Konzert fand statt am 22. Juni.

Samstag, 14. Juni 2014

Nachrichten aus der ideologischen Antike

Die Dreigroschenoper – Sebastian Baumgarten reist mit Bertolt Brechts Unterhaltungsklassiker in Stuttgart zum Planet der Affen

Von Verena Großkreutz

Erst kommt die Faust und dann die Moral: Hanna Plaß (im Hintergrund), Johann
<br />
Jürgens, Horst Kotterba, Sebastian Röhrle und Paul Grill. (Foto: Staatstheater Stuttgart, Bettina Stöß)

Stuttgart, 12. Juni 2014. "Und der Haifisch, der hat ..." Hundertfach gehört. Die Brecht-Weill'sche "Dreigroschenoper": beliebtestes Theaterstück aller Zeiten. Abgedudelt, abgenudelt inklusive ihrer Sentenzen: "Erst kommt das Fressen ..." – "Denn die Verhältnisse, die sind nicht so ..." Ihre Songs umkreisen seit der Uraufführung 1928 die Unterhaltungsbranche wie Satelliten. Wie bringt man das heute noch glaubhaft auf die Bühne, diesen Spagat zwischen witziger Opernparodie und gesellschaftskritischem Lehrstück über Gier, Gewalt und Korruption?

Sehr geehrte Primaten ...

Sebastian Baumgarten hat jetzt am Stuttgarter Staatsschauspiel einen Weg gefunden, einen spannenden, überraschenden Theaterabend daraus zu machen. Durch philosophische Befruchtung. Bevor das Spektakel beginnt, gibt's erst einmal eine Vorlesung. "Sehr geehrte Primaten, liebe Menschen": Drei Affen referieren die zentralen Thesen aus Giorgio Agambens Essay "Die kommende Gemeinschaft". Nein, soziale Klassen gebe es nicht mehr. Nur noch ein planetarisches Kleinbürgertum, in dem sämtliche Klassen aufgegangen seien undsoweiter.

Baumgarten sampelt auch noch andere Ansichten des italienischen Denkers, für den das Verhältnis des Menschen zur Tierheit und der Menschheit zum Tier, die Diskrepanz zwischen Weltarmut des Tiers und Welthaben des Menschen, zum entscheidenden politischen Konflikt geworden ist. Deshalb die Affen, die gleichzeitig auch auf Kafkas "Bericht für eine Akademie" und die legendären Filme um den "Planet der Affen" verweisen. Das ist Baumgartens V-Effekt, mit dem er die dringend notwendig Distanz schafft. Es wird ein tierisches Vergnügen.

So beginnt die "Dreigroschenoper" nach dem Vorspann mit der ironischen Ankündigung: "Nachrichten aus der ideologischen Antike". Es treten Menschen auf, aber das Bühnenbild zeigt sie in zoologischen Ansichten – umgeben von höhlenartigen Steingemäuern. Peachum, der profitgierige Bettler-Ausbeuter, singt sein "Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens" im Hamsterrad laufend (wie kriegt das Rainer Philippi bloß hin?). Die frommen Sprüche an seinen Wohnungswänden verwandeln sich in rechte Parolen: "Sozial geht nur national", "Polen-Invasion stoppen", "Heimreise statt Einreise". Die Peachums hängen ihr Fähnchen in den Wind und treten trotzdem auf der Stelle – äußerlich ist das Paar einem "Oliver-Twist"-Film entsprungen: Er mit Backenbart und hellbraunem Dreiteiler. Sie mit überdimensionalen Lockenwicklern im ondulierten Haar. Die ewig Gestrigen.

Hamsterrad und Affenkäfig

Mackie Messers Hochzeits-Festmahl im Pferdestall findet zwischen antikisierenden Säulen und Kachelwänden statt. Man redet vom Lachs, während man wie die Tiere die Zähne in Kohlköpfe haut und aus Konservendosen trinkt. Mackie und seine kriminellen Kumpels tragen Klamotten aus jenem Stoff, aus dem die "Türkenkoffer" sind, wie man politisch unkorrekt gewisse karierte großen Plastiktaschen nennt. Das Hurenhaus mit der Spelunken-Jenny stellt sich als urwaldartig verwuchertes Etablissement dar, indem die Freier herumklettern und mit ihren "Eiern" spielen. Mackies Gefängniszelle ist ein Affenkäfig mit Strohballen, Blechnapf und Klettergerüst.

Je tierischer desto weniger menschlich? Peachum jedenfalls beißt dem Bettler Filch die Kennnummer 314 mit den Zähnen in den Arm, es zuckt verdächtig affenartig in seiner Mimik. Er knabbert Möhren, statt Zigarre zu rauchen.

Erst wenn der Mensch seine Tierheit ablegt, öffne sich ihm die Welt, so Agamben. Insofern liegt Baumgartens Sympathie bei Polly, die sich wenigstens durch ihre Liebe zu Mackie auszeichnet, auch wenn der ein Verbrecher ist. Ihr "Song vom Nein und Ja", den Hanna Plaß mit mitreißender Leidenschaft spielt und singt, ist der emotionale Glanzpunkt des Abends. Hier darf Polly ganz Mensch sein: Gefühl statt Triebhaftigkeit. Mackies Ex-Geliebte Lucy hat derart Menschliches nicht zu bieten. Sie richtet sich ihre Haare animalisch: wie Katzen ihr Fell.

Der Abend lebt vom fantastischen und spielwütigen Ensemble, das die Songs überraschend frisch und frei von Pathos und Kitsch wirken lässt: etwa Caroline Junghanns als Spelunken-Jenny oder Susanne Böwe als Mrs. Peachum. Distanz zum kommerziell so oft verbratenen Bühnenhit schafft Baumgarten auch durch Anleihen aus der Film- und Comicbranche. Polly etwa scheint einem Manga entsprungen, Horst Kotterba als Polizeichef Tiger-Brown erinnert an den Rosaroten Panther. Der schöne Johann Jürgens – athletisch und mit knallblauen Augen – spielt Mackie mit Berliner Schnauze und lässt Ganovenfilme der 30er-Jahre durchscheinen. Und die sechsköpfige Band sorgt für Geräuschsynchronisation wie im Stummfilm.

Von Kanonensong bis Haifischsong - bong!

Dass die "Nachrichten aus der ideologischen Antike" selbstverständlich nach wie vor brandaktuell sind, wird nicht erst im modernisierten "Kanonensong" klar: "Aus der Ukraine, zurück zum Rheine". Gier, Gewalt und Korruption überdauern die Zeiten wie Peachum, der auch ein deutscher Waffenhändler sein könnte, der an Saudi-Arabien liefert.

Und die "Moritat von Mackie Messer"? Die erklingt in Stuttgart erst am Ende. Nicht live, sondern von einer alten Schallplatte. Funktioniert eben nur noch als Relikt aus fernen Zeiten, wie der uralte Westernfilm und seine Revolverhelden, der im Hintergrund auf Leinwand läuft. Die zerkratze Platte dreht ihre Kreise, und alle tanzen fröhlich, ballern um sich herum und feiern die Freiheit des Mörders Mackie Messer, der von der korrupten Staatsmacht Tiger-Brown, der vom Himmel herunterfuhr wie Gott, begnadigt und in den Adelsstand erhoben wurde. Die Geschichte mag aktuell bleiben, der bis zum Erbrechen gecoverte und dadurch inhaltslos gewordenen "Mackie Messer"-Song ist es nicht mehr. Ein Sack fällt vom Himmel und zerschrotet die Platte, bevor sie abgelaufen ist.

Rezension für nachtkritik.de.

Sonntag, 8. Juni 2014

Vom Licht am Ende des Tunnels

Der Pianist Igor Levit ist mit 27 Jahren ein Stern am Pianistenhimmel - Auftritt bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen

Von Verena Großkreutz

Igor Levits Repertoire ist enorm, sein technisches Können und seine Ausdruckskraft sind es ebenso. (Foto: Website Levit)

Ludwigsburg - Das Klavier sei ein lebendiges Wesen, sagt Igor Levit, es habe so seine Charaktere. Es gibt Tage, da sei es gar nicht einfach mit ihm. Igor Levit gehört trotz seiner erst 27 Lenze bereits zu den ganz Großen auf seinem Instrument. Wie er denn als Kind zum Klavier gefunden habe? „Kennen Sie ‚Die Tante Jolesch‘ von Friedrich Torberg?“, erwidert er, „mein Lieblingsbuch. Da wird der Onkel gefragt, warum er die Tante geheiratet hat, und er sagt ‚Sie war halt da‘.“

Es ist erstaunlich, welche künstlerischen Sprünge der Hannoveraner mit russischen Wurzeln in den letzten fünf Jahren gemacht hat. Nicht nur, was das Farbspektrum und die Spannung seines Spiels angeht. Levit sieht das selbst auch so: Ja, da habe sich fundamental etwas geändert. Das habe auch etwas mit seiner Physiognomie zu tun. 30 Kilo hat er abgenommen. Vor allem aber mit dem Repertoire, was er spielen wolle, erklärt Levit, der im letzten Jahr sein CD-Debüt mit den drei letzten Beet­hovensonaten wagte und dafür euphorisch gefeiert wurde.

Meister der leisen Töne

Zudem hat sich sein künstlerisches Selbstverständnis grundlegend gewandelt: „Noch vor wenigen Jahren war ich einfach froh zu spielen, egal wo, für wen, wieso, weshalb. Das reicht mir nicht mehr. Das sehe ich nicht mehr als Aufgabe eines Künstlers an.“ Als ihm das klar geworden sei, vor etwa vier Jahren, habe sich alles „von links auf rechts gedreht“. Er sei sich gegenüber intoleranter geworden. Gerade in den letzten eineinhalb Jahren habe er das Arbeiten, Beobachten, Lernen, Erfahren so lieben und schätzen gelernt. „Ich befinde mich jetzt an einem Punkt, an dem ich sehr viele Kilometer entfernt das Licht am Ende des Tunnels sehe. Und das ist der Weg, den ich gehen will. Das war mir vorher gar nicht bewusst, ich brauchte das gar nicht.“

Wenn Levit spielt, Töne und Klänge formt, fixiert er meist scharf die Tasten, sitzt leicht vornüber gebeugt, und sein Gesicht verzieht sich zuweilen, als jongliere er gerade mit rohen Eiern. Der junge Pianist ist ein Meister des subjektiven Ausdrucks und der emotionalen wie intellektuellen Einverleibung jedes strukturellen Details einer Komposition. Ob Barock, Klassik, Romantik oder Neue Musik: Levit erzählt Geschichten, spricht vom Leben, seinen Abgründen, seinen Katastrophen, von Tod und Einsamkeit, aber auch von seinen Glücksmomenten und der Überwindung der Verzweiflung.

In seinen Programmen sind stets Zeitgenossen zu finden, nicht nur Wolfgang Rihm, Jörg Widman oder Frederic Rzewski. Wie andere bedeutende Solokünstler und -künstlerinnen seiner Generation gefällt er sich nicht mehr im introvertierten Wiederholen eines Standardrepertoires, sondern einverleibt sich - ob solo oder kammermusikalisch mit Freunden - alle Epochen. Jedes Werk könne seine Gegenwart widerspiegeln. „Es ist alles eins. Das eine beeinflusst das andere “, sagt er. „Nehmen Sie etwa Bachs Matthäuspassion. Ich kenne sie wirklich gut, ich weiß, was mich gleich erwartet, und trotzdem haut’s mich aus den Socken“, erzählt er begeistert, atemlos, „jedes Mal aufs Neue. Sie wird zur Gegenwartsmusik. Kunst als Interpretation der Welt, der des Komponisten und der meiner eigenen.“

Die Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Musik verändert den Klang, macht subtilere Farbschattierungen möglich, fordert extreme Lautstärkenunterschiede, vor allem auch ein Superpiano. Levit ist ein Meister der leisen Töne. Manchmal bringt er die Strukturen an den Rand des Zerfallens. Das sind die Augenblicke, in denen die Zeit still zu stehen scheint und etwas nicht mehr ganz Fassbares im Raume steht. So manch einer würde sagen, da entstehe „Tiefe“. Aber Levit empfindet diesen Ausdruck genauso als „Idiotie“ wie „Marketingmaschinerie“ und „Erkundung von neuen Publikumsschichten“. Was das sei, „Tiefe“? Ein Werk erzähle eine Geschichte oder nicht.

„Ein Weltwunderwerk“

Am kommenden Mittwoch spielt der Tastenlöwe zum zweiten Mal bei den diesjährigen Ludwigsburger Schlossfestspielen. Dann ist er mit der Kremerata Baltica unter anderen in Mozarts Klavierkonzert „Jenamy“ zu hören, „einem Weltwunderwerk“, sagt Levit, „unglaublich experimentell“. Wie das eigentlich sei, inmitten eines großen Kollektivs aufzutreten? „Zum Teil ein enormes Risiko“, sagt Levit, „es gibt Unwegbarkeiten. Da muss man mit leben. Wie es dann am Ende wird, ein Kampf, Streit oder eine Umarmung, schön oder hässlich, vermag ich vorher nicht zu sagen.“

Was er glaube, worin er sich von anderen Künstlern unterscheide? „Wenn ich mein Licht am Ende des Tunnels gefunden habe, reden wir noch mal drüber.“ Wann das denn ungefähr sei? „Ich sage Ihnen Bescheid!“

Porträt für die Eßlinger Zeitung und die Südwest Presse vom 7. Juni 2014.

Dienstag, 4. März 2014

Empfindsame Gewalt

David Bösch inszeniert Sarah Kanes „Zerbombt“ in der Spielstätte Nord des Stuttgarter Staatsschauspiels

Verwüstet sind die Außenwelt und die eigene Seele: Der Kriegsverbrecher (Manolo Bertling) hat ganze Arbeit geleistet. (Foto: JU_Ostkreuz)

Stuttgart - Der Krieg bricht ein, als wäre er eine Naturkatastrophe: direkt durch die Decke des Nobelhotels, in dem sich zuvor die masochistische, ständig am Daumen nuckelnde Kindfrau Cate und das sadistische, rassistische, todkranke Arschloch Ian zu einem Stelldichein getroffen haben, das in allerlei gegenseitige Quälereien und eine Vergewaltigung mündet. Durch die Decke brechen Schotter, Geröll und vereinzelt auch Stofftiere - die man aber erst später als solche erkennt - und verwandeln Patrick Bannwarts Bühnenbild, das zuvor ein karg-gestyltes Hotelzimmer zeigte, in ein wahres Trümmerfeld. Ein eindrucksvoller Schockeffekt in David Böschs Inszenierung von Sarah Kanes „Zerbombt“, die jetzt in der Spielstätte Nord des Stuttgarter Staatsschauspiels Pre­miere hatte.

Ohne Hoffnung

„Zerbombt“, das erste von fünf ­Theaterstücken der britischen Autorin Sarah Kane, die sich 1999 28-jährig das Leben nahm, löste bei seiner Uraufführung 1995 einen Skandal aus. Kein Wunder: Die Sprache ist krass, die Handlung noch krasser, und wer in all dem finster-abgründig-aussichtslosen Szenario einen Hoffnungsschimmer erwartet, den tröstet nichts. Ians ständig wiederholtes und kaltes „Ich liebe dich doch, Cate“ wirkt angesichts all der Demütigungen, körperlichen Attacken und Beleidigungen leidenschaftslos.

Krass wirkt das Stück auch heute noch - zumindest was seine Brutalität angeht. Dabei haben David Bösch und Dramaturgin Anna Haas den Text um einige Ekeligkeiten erleichtert, die drastischen Regieanweisungen zum großen Teil gar nicht mitinszeniert und einige Details unter den Tisch fallen lassen: etwa die Szene, in der Cate Ian beinahe den Penis abbeißt. Die epileptischen Anfälle von Cate - von Maja Beckmann als eine ständig pubertär an ihren Jeans und ihrem T-Shirt herum­zupfelnde Nervensäge gespielt - sind ohnehin die stärksten Körperbewegungen an diesem Abend. Sie und der geschäftsmännisch gekleidete, Gin saufende Ian (Robert Kuchenbuch), der, wenn er Cate nicht an die Wäsche geht, stets unbeweglich und mit ausdruckslos-cooler Miene à la John Wayne herumsteht, sind meist auf Distanz inszeniert. Seine Vergewaltigung von Cate, die auch im Stück nicht gezeigt wird, verdeckt Bösch durch Dunkelheit und den Oasis-Song „Wonderwall“, der bei „you are my“ einen Hänger kriegt.

Der Krieg bricht also durch die Decke ins hermetisch abgeschlossene Hotelzimmer, und nicht so dezent wie im Originaltext, in dem ein Soldat zunächst höflich anklopft, bevor er sich als brutale Killermaschine entpuppt. Im Nord gerät er als streunender Freischärler per Zufall ins kaputte Hotel, auf der Suche nach menschlicher Nähe. Das ist überraschend inszeniert. Manolo Bertling zeigt den Kriegsverbrecher als den am stärksten Fühlenden im Stück. Er kriegt Tränen in die Augen, wenn er von den Gräueln der Folterungen und Vergewaltigungen berichtet, an denen er selbst massiv beteiligt war. Ein durchs Kriegsgeschehen irrender Empfindsamer als brutalster Gewalttäter: Manolo Bertling spielt das so schockierend wie überzeugend - selbst nachdem er Ian vergewaltigt und ihm die Augen ausgesaugt hat, um ihn verstümmelt, als sterbenden Menschenrest, sich selbst zu überlassen. Bösch verzichtet auf die Umsetzung der Regieanweisung, der Soldat schieße sich jetzt das Hirn aus dem Kopf.

Cate wirkt am Ende lediglich zerstreut und abwesend. Ein Baby hat sie in der Zwischenzeit von einer sterbenden Mutter übernommen. Als es tot ist, lässt sie es einfach auf den Boden fallen. Es ist nicht weit her mit ihren Emotionen: Nur wie nebenbei wird ein Ensemble aus Stofftierchen um den Kinderleichnam gelegt. Und ihr Spruch „Ich bin Vegetarierin“ wirkt angesichts des menschenfressenden Drumherums geradezu lächerlich.

Den Schluss lässt der Regisseur Cate und Ian nicht spielen, sondern lediglich sprechen: dass der verhungernde Ian das tote Baby frisst, dass Cate den Sterbenden noch einmal mit Würstchen füttert. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass David Bösch dem Stück nicht mehr wirklich traut. Und darin hat er vermutlich Recht. Der Zusammenhang, der zwischen Krieg und Sexualität hergestellt wird, wirkt oberflächlich in seiner extremen Darstellung und allzu pauschal in seiner Quintessenz, das Herz des Krieges schlage schon in der Beziehungskiste. Es fehlt an einem reflektierenden Überbau, an Substanz.

Man liest oft, Kanes finstere Stücke seien Produkte ihrer schweren Depressionen. Aber „Zerbombt“ wirkt rückblickend eher wie eine Verarbeitung damaliger Medienberichte über die ungeheuren Verbrechen während der Jugoslawienkriege. Erstmals wurde damals in größerem Umfang über die Gräuel in den eigens dafür eingerichteten Camps berichtet, erstmals wurde die Vergewaltigung von Frauen als Mittel der Kriegsführung von Historikern als Tatsache gewertet. Diese Gewalt hat Kane thematisiert, aber nicht grundlegend analysiert. Weswegen ihre Darstellung zu schnell ermüdet, als dass sie schockieren könnte.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 3.3.2014. Premiere war am 28.2.

Montag, 24. Februar 2014

Kohlenmunk is coming home

Das kalte Herz – Armin Petras bringt Wilhelm Hauff auf die Bühne des Stuttgarter Staatsschauspiel

Wenn das Stündlein schlägt: Lokalkolorit in "Das kalte Herz" (Foto: JU_Ostkreuz)

Stuttgart - Umsonst ist nix im Leben. Erst recht nicht der Reichtum. Wilhelm Hauffs Kohlenmunk, der im Märchen "Das kalte Herz" auszieht, sein tristes, armseliges Köhlerdasein zu beenden und endlich zu den Reichen und damit Mächtigen zu gehören, muss es wissen. Mit ehrlicher Arbeit nicht zu schaffen, denkt er und wendet sich an die Waldgeister. Da hat er im sagenumwobenen, finsteren Schwarzwald der Romantik die Auswahl: Zunächst soll ihm das Glasmännlein helfen, doch er verspielt seine Chance. Dann der böse Holländermichel. Der überschüttet ihn mit Geld, aber dafür muss er ihm sein Herz lassen und bekommt eines aus Stein verpasst.

Der Kohlenmunk, nun Holzhändler und Wucherer, wird immer reicher, geiziger, grausamer und am Ende gar zum Mörder seiner Gattin. Die Moral von der Geschicht': Geld macht glücklich nicht – und versaut den Charakter.

Armin Petras hat das Märchen jetzt auf die Bühne des Stuttgarter Schauspielhauses gebracht. In Stuttgart ist es schließlich auch zuhause. Der jung verstorbene Schwabe Wilhelm Hauff ist eine der wenigen Dichterkoryphäen, mit denen sich Stuttgarts Friedhofskultur schmücken kann. Und wo würde Hauffs Märchen besser hinpassen als ins reiche, wohlständige, wirtschaftsstarke Schwabenland, wo es doch so plastisch die negativen Auswirkungen des Frühkapitalismus auf den Schwarzwald darstellt – sei es in Sachen Alkoholismus oder Familienzerstörung. Zudem sehr drastisch zeigt, was die Produktionsverhältnisse und die Gier nach Geld aus den Menschen machen können.

Volkstümliches auf der Lauer


Es ist eine bunte Mischung aus Revue, epischem Theater und durchaus kritischem Volksstück geworden – freilich ohne Dialekt oder einer entsprechenden Kunstvariante. Revue, weil der Abend lustvoll Szenen, Tableaus und Musiknummern aneinanderreiht. Episch, weil er das Publikum auf emotionale Distanz hält. Volksstück, weil er sich um die Verankerung in der regionalen Kultur bemüht: Petras hat dafür eine 30-köpfige Volkstanzgruppe aus Balingen mit an Bord geholt.

Das Herz der Inszenierung ist ein wilder Ringelreihen-Tanz zu Polka-Rhythmen. Die Tanzenden tragen schwarzwälderisch rot-weiß-schwarze Kostüme, aber nicht den berühmten Bollenhut. Und die maskierten Narren aus der alemannischen Fasnet, die sich unters Volk mischen, holen Zuschauer auf die Bühne. Folklorismus, der nicht ironisch gemeint ist, sondern ganz saftig und real das Theater mit Leben füllt. Das macht Spaß. Für solcherlei Aktion ist stets viel Platz auf der Bühne, über die auch immer wieder Geister mit wirrem, strohigem Kopfschmuck schleichen. "So ist halt der Schwarzwald" – und einer zerschlägt einen Stuhl. Im vermeintlich Volkstümlichen lauert wie bei Horvath immer auch die Gewalt. Das kündet schon das "Spiel mir das Lied vom Tod"-Mundharmonika-Solo zu Beginn an.

Meistens sorgen Videoprojektionen à la mode für Kulisse: Wald, Wald und wieder Wald, mittendrin schweben unheimliche Gespensterungetüme. Der Wald ist in der Romantik eben ambivalent: Hort der Geborgenheit, andererseits finsterer Ort der Einsamkeit, wo der Tod lauert. Das Bühnenbild ist aber enttäuschend: Videoprojektionen ersetzen wieder einmal gute theatrale Ideen, die rar sind an diesem Abend, wie die surreal riesige Kuckucksuhr, die auf die Bühne geschleppt wird und später zum Sarg umfunktioniert wird. Wirkungsvoll minimalistisch ist dagegen die Bühnenmusik, mit der der Multiinstrumentalist und Komponist Miles Perkin meist selbst das Geschehen untermalt ­– auf Kontrabass, E-Gitarre oder Kalimba.

Herzen abjagen

Johann Jürgens spielt den Kohlenmunk als recht tumben, grobschlächtigen Kindmann, der gegen den Verführer Holländermichel keine Chance hat. Während das Glasmännlein als freundlich-ironisch distanzierte Fee erscheint (Berit Jentzsch), ist Wolfgang Michaleks Holländermichel ein echter Mephistopheles, der den Ausgang des Dramas längst kennt: "Du wirst mir nicht entgehen", ruft er dem Kohlenmunk nach, der nur einmal fliehen kann. Nicht das glückliche Ende blüht dem Kohlenmunk wie bei Hauff, sondern die Höllenfahrt.

Das Märchen-Happyend – in dem der Kohlenmunk dem Holländermichel sein Herz wieder abtricksen kann – wird klug und ironisch gebrochen in einer alten, knisternden Hörspielfassung nachgetragen, im Halbdunkeln, mit dem Holländermichel auf leerer Bühne. Aus dieser Mord-Geschichte kam der Kohlenmunk nicht mehr heraus.

Michalek ist in seiner unverschämt charismatischen Differenzierungskunst immer der spielerische Katalysator auf der Bühne. Während der Saal tanzt, steht Michalek an der Rampe und improvisiert: legt einen jungen, überraschten Studenten flach, lupft den Damen den Rock, steckt sich obszön eine Wurst in den Schritt und zieht schauderhafte Grimassen. Und ist selbst in solcherlei Plattitüden saulustig. Auch wenn er mit dem Glasmännlein eine kesse Sohle aufs Parkett legt und Lou Reeds "I'm waiting for my man" ins Mikro raunt.

Armut macht nicht glücklich


Das übrige Ensemble muss sich (zu) oft heiser schreien, etwa Rahel Ohm als Kohlenmunk-Mutter. Prosapassagen des Märchens werden dagegen von Caroline Junghanns in bestechend schöner und präzise artikulierter Sprache eingebaut. Als Kohlenmunks Frau Lisbeth kann sie im Song "Dein Herz, an meinem sollt's erwarmen / Auf hundert Grade Celsius!" auch zeigen, dass sie eine wunderbare Singstimme besitzt. Lisbeth – selbst vom Eros des Geldes getrieben – bleibt stets Objekt auch des Tanzbodenkönigs (sehr fein und präzise gespielt von Christian Schneeweiß), der noch über ihren toten Körper herfällt – Männerphantasien, Macht, Ausbeutung der Frauen.

Eine der wenigen zaghaften Versuche, mit denen Petras an die genauere Analyse der schlichten Moral geht, dass Geld nicht glücklich mache, bittere Armut aber auch nicht. Ein großes Kreuz als Symbol für den pietistischen Arbeitsethos, der den Menschen dazu verpflichtet, Besitztum zum Ruhme Gottes zu vermehren, ist ein weiterer. Ansonsten bleiben viele Fragen offen – in einem freilich sehr unterhaltsamen Abend.

Rezension für Nachtkritik.de. Die Premiere war am 22.2.2014.

Sonntag, 23. Februar 2014

Luzide Endlichkeit

Was für ein Wiedersehen und -hören: Sir Roger Norrington und das RSO mit einer großartigen Wiedergabe von Brahms‘ Requiem im Stuttgarter Beethovensaal

Stuttgart - „Man sagt ja immer“, witzelte Roger Norrington einmal in einem Interview, „je älter Dirigenten werden, desto langsamer werden sie. Bei mir ist das nicht so“. In der Tat: Auch im Alter von demnächst 80 Jahren ist der britische Maestro hinsichtlich gewohnter Tempi noch immer gut für Überraschungen: zu hören im jüngsten Konzert des Stuttgarter Radio-Sinfonieorchesters (RSO), an dessen Dirigierpult Sir Roger seit 2011 - dem Ende seiner Arbeit als RSO-Chefdirigent - immer wieder gerne zurückkommt. Und Stuttgart zeigte seine Freude darüber in Gestalt eines proppenvollen Beethovensaals.

Es war wunderbar, das RSO mal wieder mit dem legendären „Stuttgart-Sound“ zu hören, der nicht nur das viel gescholtene Non-Vibrato umfasst, sondern auch zügige, flüssige Tempi und vor allem eine detaillierte Arbeit an Artikulation und Phrasierung. Und das RSO hat es noch nicht verlernt: Schlank, transparent, farbenreich war der Orchesterklang, die Strukturen wurden auf diese Weise sauber herausgemeißelt, und die Form füllte sich abwechslungs- und facettenreich mit Energie und Leben.

Ein Leben, für das Brahms Requiem ja steht, das sagen will: keine Angst vorm Jüngsten Gericht, und das sich im Besingen der Vergänglichkeit menschlichen Lebens und dem Trost durch Glauben gefällt. Schon der Beginn geriet sensationell klar: Die Hörner pianissimo, leise pochende Bässe, fahl artikulierende Streicher und der sanft einsetzende Chor bereiteten den Humus, auf dem das abendfüllende Werk sich langsam und gewaltig aufbaute. Roger Norrington unterstrich nicht die ohnehin omnipräsente Diesseitsbekundung des Werks, sondern seine eher in den Strukturen steckende Transzendenz.

Meister der Tempi

Sir Rogers zügige Tempi verliehen dem Werk einen inneren Drive, dem man sich schwerlich entziehen konnte. „Denn alles Fleisch es ist wie Gras“ wurde nicht zum kitschigen, schleppenden Trauermarsch, sondern zum sorgsam aufgebauten Drama voll Spannung und Energie. Ja, Norrington rasiert dem interpretatorisch oft so streichersahnig verbrähmten Brahms-Requiem den Bart ab, und es wird schwer sein, das Werk nach diesem Abend noch anders zu hören. Im großen Streicherapparat sah man nur selten eine linke Hand zittern, stattdessen artikulierten die Bögen geschmeidig: rein, klar, mit vorbildlicher Piano-Palette. Dadurch wurde jede Holz- und Blechbläserfarbe stets deutlich hörbar, und der Klangraum weitete sich um ein Beträchtliches.

Raumweitung erzielte auch die ungewöhnliche Chor- und Solistenaufstellung: Im fantastischen Chor aus SWR-Vokalensemble und NDR-Chor standen die Männer in der Mitte, links die Soprane, rechts die Alt-Stimmen, wodurch die Fugen und andere Kontrapunktkunst akustisch glasklar gerieten, ganz zu schweigen vom wundersam schillernden und farbigen Zusammenklang.

Die beiden Solo-Stimmen waren vor dem Chor auf der Empore positioniert, was die Hörgewohnheiten in die richtige Richtung hin korrigierte: Weil es schwer ist, sich solistisch über ein großbesetztes Orchester hinwegzusetzen, hörte das Auditorium ungeheuer genau zu, was die beiden zu singen hatten: Christina Landshamer mit geschmeidiger, klangschöner Höhe, Bariton Florian Bosch ausdrucksstark und einfühlsam.

Einziges Manko des Abends: die so gut wie nicht vorhandene Textverständlichkeit. Was an sich kein Problem gewesen wäre, hätte man nicht aus unerfindlichen Gründen auf den Abdruck des eigentlich sehr knappen Librettos im Programmheft verzichtet.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 22.2.2014. Das Konzert fand statt am 20.2.

Mittwoch, 12. Februar 2014

Wiederkehr des Verdrängten

Neue-Musik-Festival Eclat: Finale mit dem Großprojekt „Mediterranean Voices“

Stuttgart - Mystisches Säuseln und Pfeifen, erzeugt durch Plastikschläuche, die über den Köpfen geschwungen werden, was ein wenig an Medusas Schlangenhaupt erinnert. Fünf menschliche Stimmen, die atmen, wispern, hauchen und langsam zum reinen Sington finden. Wind, Wasser, Meer und mörderische Geschichten: In der Klangwelt, die der zyprische Komponist Evis Sammoutis in seinem Stück „Sculpting Air“ aufbaut, stellen sich ganz von selbst Assoziationen zur griechischen Mythologie ein. „Sculpting Air“ eröffnete vielversprechend das interkulturelle Großprojekt „Mediterranean Voices“, mit dem Eclat im ganzräumig in Anspruch genommenen Theaterhaus ins Finale ging: eine über sechsstündige „Video-Konzert-Architektur“ in vier Teilen mit zwölf Uraufführungen, die die „kulturelle Diversität des Mittelmeerraumes“ mit seinen europäischen und arabischen Kulturen widerspiegeln sollten. Komponisten aus zwölf Mittelmeerländern waren beauftragt worden, ihre künstlerische Situation und ihre Sicht auf ihr Heimatland zu reflektieren. Und weil der Gesang im Mittelmeerraum eine so große Rolle spielt, sollten es Werke für die sieben Stimmen der Stuttgarter Neuen Vocalsolisten sein. Die Interpreten und der Videokünstler Daniel Kötter hatten die einjährige Vorbereitungsphase zum intensiven Austausch mit den Komponisten genutzt und waren in deren Heimatländer gereist. Die visuellen Früchte dieser Reisen standen in den Pausen bereit: Kötters Videoporträts der Komponisten und, aufgeteilt auf sechs thematische Orte, 144 Reise-Video-Filmchen mit Interviewfetzen, Straßenszenen, stehenden Bildern. Agrarflächen, Grenzgebiete, Außenansichten; Beirut, Istanbul, Kairo, Tel Aviv. Eine künstlerische One-Man-Show, deshalb ästhetisch gesehen etwas eindimensional.

Sänger auf beweglichen Podesten

Für die Raumgestaltung zum Programm war die griechische Architektin Sofia Dona zuständig, die ihre Aufgabe klug gelöst hat: Der schummrige große Saal des Theaterhauses war geräumt worden, das Publikum wurde um das Raumzentrum gruppiert, in dem die Vocalsolisten über den Köpfen der Zuschauer auf einzelnen, beweglichen Podesten agierten, die je nach Besetzung zu immer neuen Formationen zusammengeschoben werden konnten.

Die musikalischen Ergebnisse, die die Vocalsolisten mit bewundernswerter Kondition und Konzentration Stück für Stück abarbeiteten, waren denkbar unterschiedlich, sowohl inhaltlich als auch qualitativ. Einer der stärksten Beiträge ist zweifellos „Hummus“ des Libanesen Zad Moultaka: ein Stück von ungeheurer Energie, weil es sich klarer Rhythmen und szenischen Sprechgesangs bedient. Es verwendet Alltagstexte, etwa ein „Hummus“-Rezept, das zu Beginn im Wechselgesang zwischen Solo und Gruppe noch humoristisch wirkt, sich aber langsam als Mittel zwanghafter Verdrängung furchtbarer Erinnerungen an die Massaker von Sabra und Schatila in Beirut entpuppt. Stark auch „Jarich (Mondgott)“, in dem der Palästinenser Samie Odeh-Tamimi Erinnerungen an das Leid seiner Familie - Opfer der israelisch-palästinensischen Konflikte - verarbeitet und drei sich dramatisch artikulierende Frauenstimmen einbettet in alptraumhaft sich wandelnde Tonbandzuspielungen mit verfremdeten Höreindrücken aus Palästina: rituelle Gesänge, Sufi-Musik, Gongs und Trommeln. Ein Werk, das einen Hörsog erzeugte, der an diesem Tag nicht immer gegeben war. Auch ließen einige Kompositionen den Bezug zum Projekt und seiner politisch-gesellschaftlichen Ausrichtung vermissen.

Manches blieb blass und fad

Blass wie sein titelloser Titel blieb etwa „Untitled VI“ von Marianthi Papalexandri-Alexandri aus Griechenland, die drei Männer in Klangobjekte sich hineinartikulieren lässt. Ebenso fad die Elektro-Basteleien des Israelis Nimrod Katzir. Brahim Kerkour aus Marokko strapazierte die Nerven erheblich durch sein klangliches Nichts namens „Intone“, das die Vocalsolisten 15 Minuten lang mit verschiedenen Atmungstechniken knapp über der Wahrnehmungsschwelle beschäftigte.

Nichtsdestotrotz entwickelte der Abend eine Eigendynamik, die solche Längen vergessen ließ. Sein Ziel einer ersten Bestandsaufnahme dessen, was für Komponisten des Mittelmeerraumes heute in Sachen einer an Europa ausgerichteten Avantgarde (noch) möglich ist, dürfte das Projekt ohnehin erreicht haben.

Rezension für die Eßlinger Zeitung vom 11.2.2014. Das Konzert fand statt am 9.1.

Samstag, 1. Februar 2014

Theatraler Selbsterfahrungstrip

Kongo Müller – Im Stuttgarter Theater Rampe suchen Jan-Christoph Gockel und Laurenz Leky nach dem deutschen Wesen

Laurenz Leky vor Videoeinspielung, Foto: Andreas Zauner.

Stuttgart - Er folterte, er mordete. Und wenn er über seine "Arbeit" sprach, lachte er sich scheckig: Siegfried Müller, genannt Kongo-Müller. Deutscher Söldner in Afrika, weil die Bundeswehr den kriegsversehrten, ehemaligen Wehrmachtssoldaten nicht wollte. Mitte der 1960er Jahren an der Niederschlagung des Simba-Aufstands im Kongo beteiligt. Weltberühmt als grausame und tumbe Hauptperson von Kriegsreportagen. Ließ sich gerne im Kampfanzug samt Eisernem Kreuz interviewen. Parlierte etwa im DEFA-Doku-Film "Der lachende Mann" betrunken: "Ich gehe nicht nur ins Goethe-Institut, ich kille auch Neger."

Ja, Kongo-Müller ist nicht gerade ein Sympathieträger. Im Doku-Theaterprojekt gleichen Namens, dessen erster Teil jetzt am Theater Rampe in Stuttgart uraufgeführt wurde, werden Ausschnitte aus "Der lachende Mann" an die Wand der sonst kargen, schwarzen, nur mit Tisch, Stuhl, Moskitonetz und Matratze ausgestatteten Bühne gebeamt: "Wir haben für Europa gekämpft im Kongo, für die Idee des Westens, und zwar für Liberté, Fraternité und so weiter. Sie kennen diese Sprüche." O-Ton Kongo-Müller. Noch übler wird's einem, wenn dann gegen Ende des fast zweistündigen Abends die Erschießung eines Kongolesen durch Müllers Schergen gezeigt wird – gefilmt von Müller selbst. Finaler Schuss in den Kopf, eine riesige Blutlache, der Leichnam wird weggeschleift.

Charismatischer Selbstdarsteller

Solch Erschütterndes will nicht so recht zum Rest des eher locker gestrickten, comedyhaften Abends, einer Stückentwicklung, passen, an dem auch immer wieder Zuschauer mitspielen müssen. (Und weil Zuschauer selten wissen, was eigentlich genau geplant ist, kommt es hier zu gewissen zeitlichen Zähigkeiten.)

Zunächst ist "Kongo Müller" aber eine One-Man-Show des Schauspielers und Performers Laurenz Leky. Er ist ein charismatischer Selbstdarsteller, der sein Publikum fesseln kann. Eine gute Wahl für diesen theatralen Selbsterfahrungstrip. Ihn hätten die Deutschen, die das andere suchen und in die Welt gehen, schon immer fasziniert.

Aus dem Videotagebuch

Um dem Phänomen Müller auf den Grund zu gehen, in dessen Person sie offenbar etwas typisch und überzeitlich Deutsches vermuten, reisten Leky und Regisseur Jan-Christoph Gockel zuvor selbst in den Kongo. Die Reiseerlebnisse und die Reflektionen darüber stehen im Mittelpunkt des Abends, der getaktet wird von Ausschnitten aus dem Videotagebuch der beiden. Sie stellen Pendants her zu den Müller-Sequenzen: etwa die Aufnahmen einer von Panzerfäusten bombardierten Militäreinheit und weinenden Soldaten am Straßenrand neben brennenden Fahrzeugen und qualmenden Leichen.

Im Kongo traf man sich auch mit dem in Stuttgart geborenen Diplomaten Martin Kobler, der dort eine Friedensmission der Vereinten Nationen leitet. Warum er dort gelandet sei? "Ostkongo. 20 Jahre Bürgerkrieg, 5 bis 6 Millionen Tote. Die größte, teuerste, erfolgloseste UN-Mission aller Zeiten. Es sind ausweglose Situationen, die mich reizen."

Offene Fragen

Zwischen den diversen Videoprojektionen und Mitmachtheateraktionen quasselt Leky über sich und switcht durch die Rollen, Müller, Kobler, Fußballcoach Klinsmann und den Leiter des Goetheinstituts in Kigali karikierend – alles irgendwie "deutsches Wesen". Das deutsche Wesen sei hier und im Kongo ein und dasselbe, nur in Deutschland sehe man es nicht, weil es immer so mit Schuld beladen sei, heißt es einmal im Stück.

Das Videotagebuch dokumentiert auch Verdauungsprobleme durch Bohnenspeisen. Kongolesische Kinder kennen Namen der deutschen Fußballnationalmannschaft. "What is your intention?", fragen Afrikaner Leky und Gockel etwas irritiert in einem Theaterworkshop des Goethe-Instituts in Kingali, in dem "Kongo-Müller" Thema ist.

"Ich habe im Kongo mein Wesen gesucht. Ich habe das deutsche Wesen gesucht", sinniert Leky. Die Materialsammlung, die der Abend im Theater Rampe bietet, dokumentiert diese Suche, stellt Fragen. Mehr aber auch nicht. Antworten gibt's dann vielleicht im zweiten Teil des Projekts im kommenden November.

Rezension für Nachtkritik.de. Premiere war am 30.1.2014.

EDUARDAS UNIVERSUM

weblog für ernste kultur von verena großkreutz

Wer ist Eduarda?

Eduarda bin natürlich ich! Diesen Spitznamen verpasste mir ein Freund in meiner Anfangszeit als Musikkritikerin in Erinnerung an den berühmten Eduard Hanslick.

Aktuelle Beiträge

"Nazis sind immer die...
Ein Gespräch mit dem Theaterregisseur und Autor Tobias...
eduarda - 22. Mär, 23:46
wie schön!
Ich freue mich schon sehr auf die Lektüre! Allein schon...
ChristophS - 28. Dez, 16:17
Unter Hochdruck
Das SWR Symphonieorchester spielt in der Leitung des...
eduarda - 3. Dez, 10:33
Kecke Attacken
Mirga Gražinytė-Tyla hat in der Stuttgarter Liederhalle...
eduarda - 29. Nov, 19:34

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Status

Online seit 5320 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 22. Mär, 23:46

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren